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Ballbesoffen (4): Österreich in BerlinKnödel und Kommunismus

Mit den Deutschkenntnissen der Ös­ter­rei­che­r*in­nen hapert es zwar ein wenig – linke Politik können sie uns aber allemal noch beibringen.

Alles Ösi oder was? Foto: IMAGO / Manfred Segerer

Berlin taz | Im Gegensatz zu anderen Expat-Gruppen fallen die Ös­ter­rei­che­r*in­nen in Berlin meist direkt auf: Man versteht sie etwas schlecht, weil sie ja kein Englisch sprechen. Sie selbst gehen wiederum davon aus, dass sie sich mit ihren meist passablen Deutschkenntnissen ganz geschmeidig einfügen. Doch auch abgesehen von solchen sprachlichen Irritationen ist es für Ös­ter­rei­che­r*in­nen nicht ganz einfach, in Berlin anzudocken. Politisch bewegte junge Menschen müssen erleben, dass ihr gut strukturierter Tatendrang hier auf eine gewisse Wurstigkeit trifft.

„Ich denke, Berlin ist sehr gut für die autonome Szene“, sagt etwa eine junge Österreicherin, die vor einigen Jahren fürs Studium aus Wien nach Berlin gezogen ist. „Wenn man aber auf der Suche nach tragfähigen Strukturen ist, wenn man Erfolge haben möchte, wenn man Wahlen gewinnen will und viele Leute ins Boot holen: Das ist hier tatsächlich etwas schwierig.“

In Wien hatte sie sich bei den Kom­mu­nis­t*in­nen engagiert, die in Graz inzwischen die Bürgermeisterin stellen. Mit ihrer handfesten, an die frühe Sozialdemokratie erinnernden Politik haben sie auch in Salzburg einen kräftigen Linksruck ausgelöst. Sie selbst habe mit ihrem Freund mal bei der Linksjugend vorbeigeschaut, „aber da waren die Organisationsformen schon sehr anders, als wir es gewöhnt waren“, sagt die Studentin.

So zurückhaltend sind nicht alle: Mit Georg Kurz hat sich nun ein Politiker der Kommunistischen Partei Österreichs der Sache angenommen. Nach eigenen Angaben ist er nach Berlin gekommen, um die politische Praxis, die er in der KPÖ als erfolgreich kennengelernt hat, auch hier zu verankern. Im ersten Schritt müssten „Strukturen geschaffen werden, die entsprechende Erfahrungen überhaupt möglich machen“, kündigte er auf Instagram an.

Weiter in Rot-Weiß

Wenn nun Tausende Fans zum Fußballgucken nach Berlin kommen, können sie auf ein weit verzweigtes Netzwerk an österreichischen Restaurants und Knödelkneipen zurückgreifen, etwa das Louis am Neuköllner Richardplatz. Auch das Einstein Unter den Linden ist ein österreichisches Lokal. Im Kreuzberger Jolesch machen sie das Schnitzel auch vegan. Die österreichische Presse empfiehlt fürs Fußballgucken die Fanzone vor dem Brandenburger Tor.

Verbreitet wird auch die Erwartungshaltung, dass die Stadt in den kommenden Tagen „fest in rot-weiß-roter Hand“ sein werde. Nach dem Erfolg der türkischen Mannschaft vom Dienstag könnte es am Ku’damm also am Wochenende in einem ähnlichem Farbschema weitergehen – und zwar auch, wenn die Polen mehr Tore schießen sollten.

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1 Kommentar

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  • Die Europawahl war aus DemokratInnensicht natürlich eine Enttäuschung.



    Allerdings haben die Deutschen nach Protesten im Frühjahr und den Skandalen der "afd", entgegen den Umfragen, eben nicht über 20% rechts gewählt.



    Ganz Anders in Österreich, wo die FPÖ mit gut 25% die Wahl gewonnen hat.



    Ich möchte nicht, dass wir davon lernen.



    Sprachlich ist das Ganze natürlich charmant bis amüsant, wenn sich beide Seiten Mühe geben. Sonst wird es so unverständlich, wie bayrisch.



    Was das Fähnchenschwenken betrifft, so ist Farbe im Spiel immer schön und Vielfalt besser, als die langweiligen Deutschlandfahnen.