Bahninitiativen fordern Klimaticket: Deutsche Bahn unter Zugzwang
Bahninitiativen kritisieren, dass der Staatskonzern seine Stammkunden vernachlässige. Sie fordern ein Klimaticket – nach österreichischem Vorbild.
„Die Deutsche Bahn macht keine gezielte Politik, um die Stammkunden zu halten“, sagte der Verkehrsexperte Winfried Wolf bei der Vorstellung des „Alternativen Geschäftsberichts“ für die Deutsche Bahn, der vom Bündnis „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ herausgegeben wird. Die Kunden würden der Bahn nicht nur wegen Corona den Rücken kehren, sagte er.
Die BahnCards etwa, mit denen Kund:innen Rabatte bekommen, seien zu teuer. Im vergangenen Jahr sei der Umsatz des Unternehmens im Bereich BahnCard um 23 Prozent gesunken, berichtete Wolf. Die Bahncard 50 kostet 234 Euro für die 2. Klasse, damit zahlen Nutzer:innen die Hälfte des regulären Preises. Gerade erst hat der Staatskonzern die Partner-Bahncard abgeschafft, mit der im gleichen Haushalt lebende Personen Rabatte bekamen.
Die Deutsche Bahn wird am Donnerstag ihre Bilanz für das Jahr 2021 veröffentlichen. Die Bahnkritiker:innen wollen mit dem 80-seitigen „Alternativen Geschäftsbericht“ auf die Fehlentwicklungen hinweisen, die es aus ihrer Sicht bei dem Konzern gibt, der zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist.
Weniger Fahrgäste
Einer der zentralen Punkte ist die Preispolitik. „Das Tarifchaos bei der Deutschen Bahn ist legendär“, sagte Wolf. Die Bahnkritiker:innen fordern Vereinfachungen, etwa ein Buchungssystem für alle Anbieter, und preiswertere Tickets. Österreich hat im vergangenen Jahr ein sogenanntes Klimaticket eingeführt, das fast im ganzen Land gilt. Außerdem gibt es in den Bundesländern regionale Klimatickets. Beides wollen die Bahninitiativen auch für Deutschland. Das gerade von den Koalitionsparteien der Bundesregierung beschlossene „9 für 90“-Ticket könnte ein Einstieg dafür sein, hieß es. Mit dem Ticket für 9 Euro sollen Kund:innen einen Monat den ÖPNV nutzen können, Details wie Tarifgebiete und Ähnliches stehen noch nicht fest.
In Österreich kostet das Klimaticket für den Nah- und Fernverkehr im Jahr 1.095 Euro, junge Leute bis 25 Jahren, Senior:innen und Menschen mit Handicap zahlen 821 Euro. Deutschland ist weitaus größer. Hierzulande wäre ein Preis zwischen 1.500 und 1.800 Euro akzeptabel, sagte Wolf. Zum Vergleich: Die BahnCard 100, mit der Kund:innen das gesamte Angebot der Deutschen Bahn nutzen können, kostet im Jahr 4.144 Euro.
Nötig hätte es die Deutsche Bahn, mit günstigen Tickets Kund:innen zurückzugewinnen. In der Pandemie sind die Fahrgastzahlen stark eingebrochen. Sie lagen in den Jahren 2020 und 2021 dem Alternativen Geschäftsbericht zufolge 60 Prozent unter dem Niveau von 2019.
Schienennetz schrumpft
Die Bahnkritiker:innen glauben nicht, dass der Konzern sein Ziel erreichen wird, bis 2030 die Zahl der Fahrgäste im Vergleich zur Vor-Corona-Auslastung zu verdoppeln. „Das ist illusorisch“, sagte Wolf. Der Abbau der Infrastruktur setze sich fort. „Alles Gerede vom Aufbau neuer Kapazitäten ist falsch“, sagte er. Das Schienennetz sei 2021 gegenüber dem Vorjahr um weitere 111 Kilometer kürzer geworden. Auch Weichen und Gleisanschlüsse würden weiter abgebaut.
Vor Kurzem haben sich mehr als zwei Dutzend Bahninitiativen zusammengeschlossen. Am 14./15. Mai veranstalten sie in Stuttgart eine „Klimabahn“-Konferenz, um die bundesweite Vernetzung voranzutreiben. Dabei geht es auch um das umstrittene Megaprojekt Stuttgart21, dessen Kosten mittlerweile völlig aus dem Ruder gelaufen sind. „Stuttgart21 wird am fehlenden Brandschutz scheitern“, sagte der ehemalige Richter Dieter Reicherter, Sprecher des Bündnisses gegen Stuttgart 21.
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