Bahn fahren in Nigeria: Sichere Ankunft statt Entführung

In Nigeria werden Züge immer beliebter. Für viele Passagiere sind die Straßen der Grund: Dort ist es wegen alltäglicher Überfälle viel zu gefährlich.

Zug auf dem Bahnhof von Abuja

Schöner reisen mit der Bahn: ein Zug in Abuja Foto: imago-images/Xinhua

ABUJA taz | Wer in Nigeria ein bisschen Geld hat, braucht dringend ein eigenes Auto – egal, wie alt es ist, wie häufig es repariert werden muss und wie lange es mal wieder wegen der Benzinknappheit irgendwo stehen gelassen wird. Nigeria ist zwar der größte Ölexporteur des Kontinents, dennoch kommt es regelmäßig zur fuel scarcity. Trotzdem bleiben Autos ein wichtiges Statussymbol, das mal mehr, mal weniger praktisch ist.

Verwunderlich ist das nicht. Wer möchte sich jeden Morgen in der Wirtschaftsmetropole Lagos in einen dieser gelben Minibusse quetschen? Die halten ständig an, die Sitzbänke sind hart, auf dem Boden liegen Plastikflaschen und Erdnussschalen. Die Fahrer versuchen, sich gern mit Geschimpfe in noch so kleine Lücken zu quetschen oder bremsen abrupt ab.

Oder in die Sammeltaxen, die den Transport in Nordnigeria regeln? Zwei Personen auf dem Beifahrersitz, vier auf der Rückbank plus eine nicht näher definierte Zahl an Kindern, Ziegen und Hühnern. Es ist selten, dass der Kofferraum wirklich zugeht. Meist wird er mit Seilen zugebunden.

Bequem geht anders. Vor allem aber ist es das Zeichen, es in Nigeria nicht geschafft zu haben und sich nur ein Ticket für den Sammeltransport leisten zu können, während andere in ihren eigenen Autos überholen.

Neue Linie

Das könnte sich ändern, denn Nigeria entdeckt die Bahn. Im Juni 2016 ist für 1,46 Milliarden US-Dollar eine neue Bahnlinie zwischen der Hauptstadt Abu­ja und der Provinzstadt Kaduna eröffnet worden. Gebaut hat die 186,5 Kilometer lange Strecke das chinesische Unternehmen China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC), das auch den Flughafen in Abuja umbaut. Auch der ist Teil des Streckennetzes.

Am Montagmorgen ist im Waggon der ersten Klasse, für den die Fahrkarte 7,50 Euro inklusive Reservierung kostet, fast jeder Platz besetzt. Blessing, die erzählt, in Kaduna Apotheken mit Medikamenten beliefern zu müssen, will am Fenster sitzen. „Ich will sehen, wie der Zug den Bahnhof verlässt.“ Der liegt rund 25 Kilometer außerhalb der Stadt und ist sehr modern. Selbst die Aufzüge gehen. Nur Verkäufer für Getränke, Süßes und Telefonkarten sucht man vergeblich.

Blessing ist noch nie mit dem Zug gefahren. Als sie Mitte der 1990er Jahren geboren wurde, waren die Zeiten des Schienenverkehrs vorbei. Umso aufgeregter ist sie. „Der Zug ist gerade das Transportmittel schlechthin“, sagt sie und deutet auf einen Polizisten mit einer Kalaschnikow, die von seiner Schulter baumelt.

Gemeinsam mit Kollegen wird er die Fahrt nach Kaduna begleiten und das Ein- und Aussteigen an den wenigen Haltestellen überwachen. Denn die Straße zwischen Abuja und Kaduna hat mittlerweile einen so schlechten Ruf, dass man sie, wenn möglich, meiden soll.

Tägliche Vorfälle

Grund sind die zahlreichen Entführungen. Vor allem auf der Nebenstrecke hat es diese zwar schon vor Jahren gegeben. Doch heute kommt es auch in zahlreichen Regionen des Landes fast täglich zu Vorfällen. Mal ist es die Schwiegermutter eines Politikers, mal der Pastor einer Kirchengemeinde.

Doch gerade auf den Straßen sind es meist zufällige Opfer, mit denen Geld erpresst werden soll. Auf Familien und Verwandten, die das Lösegeld beschaffen müssen, lastet ein enormer Druck. Man bleibt lieber zu Hause, was die Wirtschaft in ländlichen Regionen lähmt. Wo keine Polizei ist, ist das Risiko schließlich am höchsten.

Erfolgsnachrichten sind indes selten. Mitte Mai postete die Polizei zwar Bilder, auf denen ihren Angaben zufolge 93 verhaftete Kidnapper zu sehen sind. Die Zahl der Entführungen ist seitdem aber nicht gesunken.

Als der Zug in Kaduna ankommt, ist die Stimmung gut. Die Strecke ist geschafft, niemand ist entführt worden. Blessing nickt anerkennend. Als sie ihre Tasche von der Ablage nimmt, sagt sie: „Züge sind gar nicht schlecht.“ Als sie aussteigt, gibt sie dann aber doch etwas kleinlaut zu: „Wenn die Straße nicht so gefährlich wäre, wäre ich wohl nie mit einer Bahn gefahren.“

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Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.

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