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Bafög-Reform im BundestagEtwas Lob, viel Kritik

Im Bundestag steht die Bafög-Reform zur Debatte. Die Bildungsministerin will die Finanzhilfe in Notsituationen für mehr Studierende ermöglichen.

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) öffnet in Notlagen das Bafög für alle Studierende Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago

Berlin taz | Der Zeitpunkt war geschickt gewählt. Am Mittwochmittag trat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) vor die Presse, um Details für den neuen Notfallmechanismus für Studierende vorzustellen – also unmittelbar, nachdem ihre Bafög-Reform gerade mehrere Stunden kontrovers im Bundestag debattiert wurde.

Es hatte den Anschein, als wollte Stark-Watzinger versuchen, die Studierenden mit einer guten Nachricht von der Kritik am Bafög abzulenken. Am Dienstag erst hatte der Paritätische Wohlfahrtverband gemeldet, dass rund 30 Prozent der Studierenden von Armut betroffen sind, und dringende Nachbesserungen beim Bafög angemahnt. Und auch die acht Sachverständigen im Bundestag übten scharfe Kritik an der jüngsten Bafög-Reform.

Die Bundesregierung plant, die Wohnpauschale auf 360 Euro im Monat und die Fördersätze um fünf Prozent zu erhöhen. Auch die Freibeträge bei Einkommen der Eltern sollen um 20 Prozent steigen und Studierende künftig Vermögen bis zu 45.000 Euro besitzen dürfen. Zudem will die Ampel das Förderalter auf 45 Jahre heraufsetzen.

Dadurch sollen wieder mehr Studierende Bafög erhalten. Aktuell werden nur elf Prozent der Studierenden gefördert. Mit der Reform will Stark-Watzinger eine „Trendwende“ einläuten. In einer zweiten Bafög-Reform sollen weitere Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden, etwa Erleichterungen beim Studienfachwechsel.

Ex­per­t:in­nen sind sich einig

Es ist ein Punkt, den sich Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, schon jetzt gewünscht hätte. Ebenso wie die Verlängerung der Bafög-Zahlungen über die Regelstudienzeit hinaus. Die aktuelle Reform bezeichnete Anbuhl vor dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch deshalb als „Licht und Schatten“.

Die Erhöhung der Freibeträge lobte er. Doch bei den Fördersätzen sieht er dringenden Handlungsbedarf. „Es gibt unter Studierenden eine Form der strukturellen Armut“, so Anbuhl. Das habe zuletzt die Pandemie offen gelegt. Er empfahl, die Bedarfssätze künftig empirisch zu ermitteln.

Die zu niedrigen Fördersätze sind einer der Kritikpunkte, bei denen sich die Sachverständigen – darunter die Studierendenverbände fzs und RCDS, der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der Initiative Arbeiterkind und der Deutsche Gewerkschaftsbund – einig sind. „Die Erhöhungen reichen nicht mal aus, um die Inflation auszugleichen“, stellte Hochschulpräsidentin Ulrike Tippe fest. Mehrere Sachverständige forderten eine regelmäßigere Anpassung der Sätze.

Einigkeit herrschte weitgehend auch in der Analyse, dass diese 27. Bafög-Novelle die notwendigen strukturellen Reformen ausspare. „Wenn alle ihr Grundrecht auf Bildung durchsetzen sollen, muss man diese Reform als unzureichend bezeichnen“, sagte Lone Grotheer vom fzs. HRK-Vertretreterin Tippe bedauerte, dass das Versprechen der Ampel, das Bafög elternunabhängiger zu machen, derzeit „nicht auf der Agenda des Ministeriums“ stehe. Und Katja Urbatsch von Arbeiterkind verwies auf die Verschuldungsängste bei finanziell schwachen Familien.

Angst vor Verschuldung

Die Ampelregierung hatte im Koalitionsvertrag versprochen, den Anteil des Darlehens, den Bafög-Empfänger:innen nach dem Studium zurückzahlen müssen, zu verringern. In der aktuellen Reform kommt der Punkt aber nicht vor. Manchen geht das ohnehin nicht weit genug. Im Bildungsausschuss wurde deshalb auch die Forderung laut, Bafög wieder als Vollzuschuss zu gewähren, der nicht zurückgezahlt werden muss.

Das fordert auch Nicole Gohlke, bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag. „Die geplanten Bafög-Änderungen lösen nicht das Problem, dass 30 Prozent der Studierenden unter der Armutsgrenze leben“, sagte Gohlke der taz. „Die realen Lebenshaltungskosten und Mietpreise blendet die Regierung weiterhin aus“.

In den Blick nimmt die Bundesregierung nun aber Studierende in Not. Wie Bildungsministerin Stark-Watzinger am Mittwoch mitteilte, sollen Studierende und auch Schü­le­r:in­nen in einer „bundesweiten Notlage“ – wie der Pandemie – unkompliziert Bafög erhalten, auch wenn sie ansonsten keinen Anspruch darauf hätten. Voraussetzung ist allerdings, dass der Bundestag vorher eine solche Notlage beschlossen hat.

Stark-Watzingers Vorgängerin Anja Karliczek (CDU) hatte die Öffnung des Bafög in der Notlage noch vehement abgelehnt. Im Vergleich zu ihr kann Stark-Watzinger möglicherweise nun ein paar Sympathiepunkte sammeln. Die Kritik an der Bafög-Reform wird deshalb aber kaum verstummen.

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6 Kommentare

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  • Den Hochschulen die finanzielle Unterstützung zu verweigern, ist Politik schon seit den 90er Jahren.



    Wenn der Drucker kaputt war, na und.



    Papier ließ sich auch von zuhause mitbringen.

    Doktorarbeit nicht geschafft in 3 Jahren? (Niemand schafft das)



    Ab zum Arbeitsamt! Danach Hartz-IV.



    Die Absolventen werden dermaßen in den A getreten.



    Die "normalen" Arbeiter und Angestellte wissen davon i.d.R. nichts.

    Hinzu kommt die Abzocke für die Studentenwohnungen/zimmer. Da wird "rausgeholt" was das Zeug hält.



    Ihr solltet euch schämen!!!







    Aber das Parlament als Selbtbedienungsladen erklären.



    Wer hier einmal einen Fuß drin hatte, hat ausgesorgt, auch wenn er oder sie einen miserablen Job gemacht hat.

  • "..Verschuldungsängste bei finanziell schwachen Familien."

    das ist wohl eher ein psychologisches Problem, so es denn wirklich existiert.



    Bei einer Vollförderung mit BaföG erhält man ca 50.000 Euro (800 x 5 Jahre x 12 Monate), von der Summe müssen maximal 10.000 Euro über 20 Jahre zinsfrei zurückgezahlt werden. Wenn man einen Job hat, sollte das machbar sein.

    Andersherum, ein Vollzuschuss, ohne das man das Studium auch für die Ausbildung nutzen müsste, käme einem temporären BGE ziemlich nahe. Zumindest 2-3 Jahre käme man ohne jedliche Kontrolle an 800 Euro Monat. Das ist in einem H4 System doch kaum vermittelbar.

    • @fly:

      und vergessen Sie bitte nicht, dass oben drauf auch noch 219 € Kindergeld kommen! (bis zum 25. Lebensjahr )



      Das wird zwar den Eltern ausgezahlt aber naja, wenn das Kind eben am Studieren ist kann man das ja mal weitergeben.

      Im übrigen wurde mir damals als ich "Ausbildungsbeihilfe" (Bafög gibt es ja nicht für Handwerker) beantragt habe gesagt meine 400 € Ausbildungsvergütung im 1. Lehrjahr wären jawohl ausreichend.



      Ich kam dann mit Kindergeld auf rund 620 € im Monat. War nicht viel aber hat auch gereicht.



      (zugegeben war die Miete mit 200€ warm in der WG damals wohl etwas günstiger als heute & versichert war ich über den Arbeitgeber, habe dafür aber auch 42,5 Stunden die Woche malocht)

      • @Teleshopper:

        Lehrjahre sind keine Herrenjahre - oder was wollen sie uns mitteilen?



        Wir leben aber heute und die Anforderungen an die jungen Leute haben sich grundlegend geändert.



        Studium ist auch nicht Lehre! Mit 20 wollen viele von zuhause ausziehen! Bei den horrenden Mieten geht das nicht oder nur sehr schwer.



        Arbeiten neben dem Studium ist die "Lösung", aber dafür dauert das Studium dann deutlich länger. Bafög läuft nach x Semestern aber aus.

        Das wäre alles vielleicht irgendwie noch zu ertragen, aber nach dem erfolgreichen Abschluss eines Studiums folgt sehr oft Harzt-IV - wenn man nicht gerade Informatik oder Elektrotechnik studiert hat. Auch Juristen bekommen i.d.R. einen Job. Käme für mich nie in Frage.

        • @cuba libre:

          Ich stimme Ihrem letzen Absatz besonders zu aber was folgt daraus? Mehr Bafög, damit wir in 5 Jahren noch mehr arbeitslose Akademiker haben? Wir brauchen mehr Menschen in den Ausbildungsberufen. Wer nach seinem Studium keine Aussicht auf einen Job hat, der sollte während seines Studiums auch nicht auf Kosten der Allgemeinheit gefördert werden. Studieren nur aufgrund der eigenen Interessen ist privater Luxus.

          • @seihellwach:

            Privater Luxus ist, wenn ich mir den 3. Rolls Royce kaufe (wie der symphatische Charles Aznavour).

            Akademiker, z.B. Germanisten, Romanisten, Naturwissenschaftler, auch der Schmetterlingsexperte, Theater- und Filmleute, um nur ein paar zu nennen, bereichern diese Gesellschaft. Ansonsten haben wir grauen Einheitsbrei.

            Wenn wir nur danach gehen, wer später auch sicher einen Job bekommt, dann gute Nacht.



            Ich will nicht nur noch von Zombies umgeben sein - also Informatiker und Juristen (sorry für den ernstgemeinten Scherz).



            Die ganze Kette - von der Schule, über das Uni-Studium (FH-Studium) bis hin zum Beruf ist doch reformbedürftig. Der Merkel-Stillstand muss endlich beendet werden. Das kann man wirklich besser machen.

            "....sollte während seines Studiums auch nicht auf Kosten der Allgemeinheit gefördert werden."



            Wie mein Vollkredit damals?

            Wo ich mit Ihnen halbwegs übereinstimme ist, dass man in soliden Handwerksberufen auch seine Erfüllung finden kann und man vor allem deutlich mehr Geld verdient!!!!!!!



            Habe auch nichts dagegen, die Eingangsvoraussetzungen für ein Uni-Studium neu zu denken.



            Wer nichts kann, sollte nicht auf eine Uni gehen. Ein paar von diesen Gesellen gibt es tatsächlich, aber eher eine Minderheit. Dass jemand 20 Semester studiert ist allein das Versagen der Politik geschuldet. Gibt`s sowas überhaupt noch?

            Dann diese Wahnsinnsprojekte wie Iter bzw. die Kernfusion. Da werden Milliarden verballert. Wo ist da die Sicherheit, dass was dabei rauskommt? Ein Projekt der Zukunft und wird es auch immer bleiben".

            Vom 100 Mrd. "Sondervermögen" ganz zu schweigen.

            Vielleicht sollten wir ein paar Milliarden in die Hand nehmen und russische Informatiker einkaufen?

            Geldprobleme? Wie wäre es mit einer Verdopplung der Steuerfahnder für die größeren Unternehmen? Wie wäre es, wenn die großen US-Unternehmen endlich ihre Steuern in Europa bezahlen?