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Bäuerliche Landwirtschaft in DeutschlandBiobauern reden von Verrat

Bioland öffnet sich zu sehr der Agrarindustrie. Das behauptet zumindest die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland.

Teil des Verrats: ein Kälbchen der Rasse Holstein-Friesian, das auf der Agrofarm Eichigt lebt Foto: dpa

Berlin taz | Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL) wirft dem größten deutschen Ökobauernverband, Bioland, vor, sich für die Agrarindustrie zu öffnen. „Die Aufnahme der Agrofarm Eichigt in Sachsen mit rund 4.000 Hektar und 1.400 Kühen in den Verband ist Verrat am Bioland-Prinzip, sich für den Erhalt bäuerlicher Landwirtschaft einzusetzen“, sagte Michael Grolm, der Vorsitzende der AbL in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, der taz.

Die Agrofarm gehört mehrheitlich Deutschlands größtem Biofachhändler, dennree, der auch die Supermarktkette denn’s betreibt. Grolm, selbst Bioland-Imker, ist einer der einflussreichsten Aktivisten in der alternativen Agrarszene.

Bioland wirbt damit, dass seine Mitglieder Bauern und nicht agrarindustrielle Unternehmen seien. Agrarindustrie ist eine Form der Landwirtschaft, die Eigenschaften der klassischen Industrie übernommen hat. Dazu zählen auch sehr große Betriebe.

„Bei solchen großen Konstrukten wie der Firma in Sachsen ist die Verantwortung für den Boden und die nächste Generation nicht gegeben. Wenn dann die nächsten das irgendwann erben oder aufkaufen, könnten auf einen Schlag 4.000 Hektar wieder auf konventionell umgestellt werden“, warnt Grolm.

Geringere Artenvielfalt

Für ihn ist auch klar, dass der dennree-Betrieb wegen seiner Größenvorteile letztlich Biolandprodukte billiger produzieren kann. „Das führt bei den anderen, bäuerlichen Betrieben dazu, dass sie rationalisieren müssen – oder dass sie auf­geben“, sagt Grolm. Diese Kostenvorteile würden noch dadurch verstärkt, dass Bioland die Mitgliedsbeiträge gedeckelt hat: „Auch ein 4.000-Hektar-Betrieb zahlt maximal 8.900 Euro Beitrag, während ein 50-Hektar Familienbetrieb zum Beispiel 1.000 Euro berappen muss.“

Der AbL-Landesvorsitzende kritisiert zudem, dass der Großbetrieb Felder von 50 oder mehr Hektar habe. Dadurch gebe es weniger Hecken oder Bäume pro Hektar, die die Bodenerosion reduzieren. Die Artenvielfalt sei geringer. Außerdem böten Großbetriebe pro Hektar weniger Arbeitsplätze.

Einen wirklich bäuerlichen Verband gründen

Auch Regionalität kommt für Grolm bei Bioland mittlerweile zu kurz. Er findet es skandalös, dass manche Bioland-Bauern mit dem Segen der Verbandsspitze Futtermittel aus Osteuropa kaufen – obwohl der Satzung zufolge nur Bauern in Deutschland und Südtirol Mitglied werden dürfen. „Bioland schreibt sich Regionalität auf die Fahnen, und dann wird in Rumänien Futter in Großkolchosen produziert, wo die Arbeiter extrem wenig verdienen“, schimpft er. Das halte heimische Bauern davon ab, etwa mehr Soja anzubauen.

Er fordert, dass Bioland seine Richtlinien so ändert, dass industrielle Betriebe nicht Mitglied werden können. Etwa durch Obergrenzen für die Zahl der Tiere. Oder die Einschränkung der Feldgrößen auf höchstens 20 Hektar. Andere Bioverbände wie Naturland achteten im Übrigen noch weniger auf Bäuerlichkeit. „Deshalb sollten wir auch mal darüber diskutieren, ob wir nicht einen wirklich bäuerlichen Bioanbauverband gründen wollen.“

Bei der Beitragshöhe kommt Plagge entgegen

Bioland-Präsident Jan Plagge sagte der taz, über die Aufnahme der Agrofarm sei durch die Bundesdelegiertenversammlung von Bioland demokratisch entschieden worden. Größere Betriebe böten auch Vorteile für umliegende kleinere Höfe. „Die Agrofarm hat beispielsweise einen hohen Futterbedarf und ist so auch potenzieller Abnehmer für kleinere Futtermengen von regionalen Betrieben, die sich sonst schwer vermarkten lassen würden.“ Der Großbetrieb plane für die Umstellung auf Bio Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe. „Eine Rückumstellung ist daher abwegig.“

Zudem habe immer das Futter von Betrieben des Verbands Vorrang. „Wenn es nicht ausreichend verfügbar ist, wie beim Soja, beziehen die Bioland-Futtermittelhersteller Rohware auch von Betrieben im Ausland, die nach unseren Vorgaben kontrolliert werden. Wir haben es mit diesem System in den letzten fünf Jahren geschafft, unseren heimischen Sojaanteil von 0 auf über 30 Prozent zu steigern. Und er wird weiter zunehmen.“

Bei der Beitragshöhe kommt Plagge Grolm allerdings ent­gegen. „Die Deckelung ist aktuell in der Diskussion, eben auch durch den Fall.“ Bei der nächsten Bundesdelegiertenversammlung solle ein Änderungsantrag vorliegen. Auch eine Begrenzung der Schlaggröße sei ein „diskussionswürdiger Vorschlag“.

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5 Kommentare

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  • Es gibt eine Schnittmenge von AbL- und Bio-Bauern, die wollen halt Beides: Bio-Sein und Klein-Bleiben und alle anderen sollen bitteschön auch klein bleiben und bloß nicht mehr - besser eher weniger - produzieren, damit dieses Geschäftsmodell auch funktioniert. Am besten ist, der Staat regelt das: mehr Subventionen für Kleine und für Bio und mehr Auflagen für Große und Nicht-Bio und Milchmengenbegrenzung für alle. Denn dann kann ich so bleiben, wie ich bin, und muss mich nicht verändern. Und wenn das nicht funktioniert, sind die anderen schuld: Der Bauernverband, der Bundeslandwirtschaftsminister, die EU, der konventionelle Nachbar mit den 500 Kühen oder eben der Bio-Nachbar, dem 200 Kühe nicht reichen und der daher aufstocken will. Nur eins kann nicht sein: Dass ich mit meinem Betriebskonzept einfach nicht mehr in die Zeit passe.

    • @Susanne Günther:

      In D ist es doch völlig normal daß z. B. Gewerkschaften dafür sorgen .daß jeder einen auskömmlichen Lohn hat und Schutz von billigen Importen und Arbeitskräfte gibt es auch .Wenn sich jetzt Gruppen wehren gegen extrem arbeitsteilige Betriebe vom Schlage eines Denree. dann ist das doch völlig normal.Wenn Dennree hier einen Vorzeigebetrieb aufbaut ,der noch nicht einmal eine eigene regionale Futtergrundlage hat, dann läßt das darauf schließen ,daß hier ein Gewinnmaximierungbetrieb mit enormer Marktmacht installiert wird in dem jeder Betriebszweig nach Kosten und Nutzeneffizienz ausgerichtet ist. Da ist kein Platz mehr für Rücksichtnahme auf Mensch und Natur außerhalb ihrer eigenen Vermarktungsscheinwelt. Ich bin auch der Meinung das der Widerstand enorm zeitgemäß ist ,weil sich ja gerade jetzt die gesellschaftlichen Bedingungen und Parameter hin zu einer humanen und tiergerechten Lebensmittelproduktion mit einem ethischen Leitbild ändern. Unsere Gesellschaft ist reich und kann ruhigmal einen Gang zurückschalten als internationales Vorbild in der humanistischen Tradition unseres Landes. Wer das nicht will ,soll so weitermachen ,aber ohne den Schutz und die Förderung dieser Gesellschaft. Geld und Wachstum ist ihre Religion , aber es gibt noch mehr zu erleben und niemand will den Fortschritt aufhalten im Sinne einer Museumslandwirtschaft.

      Ich wünsche Ihnen von Herzen ,daß Sie auch dem gleichen mörderischen Verdrängungswettbewerb in Ihrer eigenen Berufwelt ausgesetzt werden.

  • Nunja, man möge auch den Aspekt der Agrarstruktur in Ostdeutschland betrachten! Bedingt durch die Agrarreformen in der DDR gibt es dort nunmal bis heute große Agrarbetriebe. Wenn jetzt ein großer Betrieb die Umstellung so bewerkstelligt hat, dass die Bioland-Richtlinien eingehalten werden, dann mag das doch auch Vorbild sein für die agro-industrieellen Betriebe in den Neuen Bundesländern, welche noch weit davon entfernt sind, überhaupt daran zu denken, statt auf Masse mit Kunstdünger und konventionellen Subventionstöpfen Rendite zu erzielen, die Bio-Kurve zu kriegen. Bedenklicher wäre für mich, wenn auf der Schwäbischen Alp, in der Südpfalz, in der Rhön und in anderen kleinräumlichen Agrarstrukturen solche Entwicklungen auf den Weg kämen. Die Software AG in Darmstadt z.B. fördert derzeit mit einem ihrer größten Projektvolumen die bio-dynamische Landwirtschaft sowie die Umstellung großer Betriebe in diese Wirtschaftsform in Russland. Auch dort handelt sich um Hofgrößen, deren Ackerflächen je Betrieb hier so gut wie gar nicht existieren. Soll man das folglich auch als negative Entwicklung einstufen?! Die ökologisch bewirtschaftete "Duchy Home Farm") (Vgl. http://www.krone.at/.../prinz-charles-ist-ein-echter...) von Prinz Charles im Süden Englands bewirtschaftet mittlerweile über 760 Hektar in biologischer Wirtschaftsweise. Ist auch das abzulehnen?!

  • Wenn Büsche am Feldrand und der niedrigere -Kampf-Preis die einzigen Unterschiede zwischen "Kleinbauern" und "Großbauern" sind, frage ich mich was das für die Art der Tierhaltung und die Qualität des Fleisches bedeutet und für den Naturschutz bedeutet.

    • @Enam:

      Geht es den Tieren und der Natur bei beiden "gleich gut" ?

       

      Dann ist es das, was die Bioland Regeln bewirken.