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Baden in der Seine nach 102 Jahren„Wenn nötig, warte ich den ganzen Tag!“

Jacques Chirac hatte es 1988 versprochen. Dank enormer Investitionen in die Wasserhygiene und der Olympischen Spiele kann man nun in der Seine baden.

Die gelben Plastiksäckchen sind Pflicht beim Baden in der Seine Foto: Thomas Padilla/AP/dpa

Paris taz | Am Samstag 5. Juli war es soweit: Zum ersten Mal seit mehr als hundert Jahren durfte man wieder in der Seine schwimmen. Grundsätzlich bleibt in Paris das Baden in der Seine, abseits der dazu ausgestatteten und überwachten Orten, weiterhin verboten. Beim Canal Saint-Martin und in der Seine an drei Orten wurden Badestellen eingerichtet, damit in den heißen Sommertagen bis Ende August Einheimische und Besucher im Flusswasser baden können – sofern das Wetter, die Strömung und vor allem die bakteriellen Kontrollen der Wasserqualität es wie jetzt erlauben.

Das Baden in der Seine war 1923 behördlich verboten worden, noch bis in die 60er-Jahre aber gab es immer Unentwegte, die mangels Alternativen in der Seine Abkühlung und Badevergnügen suchten.

Neu ist eigentlich, dass dies nun offiziell erlaubt ist, wie dies der damalige Pariser Bürgermeister und Staatspräsident Jacques Chirac 1988 etwas voreilig angekündigt hatte. Er konnte sein Wahlversprechen nicht halten. Vorher benötigte es eine umfangreiche Sanierung samt einem gigantischen Auffangbecken für Regenwassermengen bei Unwetter.

Gekostet hat das runde 1,4 Milliarden Euro, damit dieses Prestigevorhaben bis zum Beginn der Olympischen Sommerspiele von 2024 gerade noch einigermaßen genügend ausgeführt war. Ein Jahr danach ist also das Baden nicht nur für Offizielle und olympische Sportler, sondern für die Bevölkerung möglich.

Großer Andrang

Vorab für Interessierte: Die drei Flussbäder, deren Benutzung kostenlos ist, liegen gegenüber vom Finanzministerium bei der Bibliothek François Mitterrand, dann weiter flussabwärts im Zentrum gegenüber der Insel Île Saint-Louis und das dritte unweit des Eiffelturms bei der Brücke von Bir-Hakeim und dem Port de Grenelle. Eine vierte Gelegenheit bietet der Kanal Saint-Martin nördlich des Stadtkerns.

Ein erster und halbwegs befriedigender Test hatte vor einem Jahr mit Schwimmwettkämpfen bei den Olympischen Sommerspielen stattgefunden. Das verbreitete Misstrauen bezüglich der Hygiene war damals noch nicht völlig ausgeräumt, da diese Vorpremiere wegen mangelnder Wasserhygiene um ein paar Tage verschoben werden musste.

Jetzt aber standen die Leute schon am Vormittag Schlange, sie wollten unter den Ersten sein, die diese historische Gelegenheit nutzen wollten, um dann eines Tages vielleicht ihren Kindern oder Enkeln sagen zu können „Ich war damals dabei!“.

Sie mussten dafür eine Wartezeit von 30 Minuten oder mehr in Kauf nehmen, denn die Zahl der gleichzeitig im relativ kleinen und mit Bojen umrandeten Becken unter der Aufsicht von „Sauveteurs – Lifeguards“ (so die Aufschrift auf den gelben T-Shirts) schwimmen dürfen, ist begrenzt.

Noch werden die Regeln kaum durchgesetzt

Beim untersten Freibad beim Port de Grenelle dürfen sich maximal 200 Menschen gleichzeitig im Wasser vergnügen. Sie müssen mindestens 1,40 Meter groß sein, so steht es am Eingang, und das Aufsichtspersonal soll ihre Schwimmtauglichkeit kontrollieren. An diesem ersten Tag aber wird noch improvisiert, von den Befragten wurde niemand auf physische oder sportliche Kondition angesprochen.

Ohnehin geht an diesen Samstagvormittag eine Zeitlang alles drunter und drüber, weil die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo mit anderen Offiziellen erscheint, um die Strände in Augenschein zu nehmen. Anders als vor den Olympischen Spielen springt Hidalgo nicht selbst ins Wasser. Die offizielle Einweihung am Beckenrand aber will sie nicht anderen überlassen.

„Wenn nötig warte ich den ganzen Tag“, scherzt die Neuseeländerin Frances, die bei ihrem Besuch in Paris zusammen mit ihren australischen Freunden Adam und Will diese historische Premiere nicht verpassen wollte.

Cécile, die in Paris wohnt, wartet nach eigenen Angaben schon seit Wochen auf die Eröffnung. Falls es die Wasserqualität und das Wetter erlaubt, wolle sie hier regelmäßig schwimmen.

Wasserqualität: gut

Guilhem aus dem Vorort Gennevilliers hat mit seinen 6- und 4-jährigen Söhnen das Baden in der Seine genossen. Er sei bestens informiert gewesen, denn seine Frau arbeite im Pariser Rathaus.

Seine Erfahrung ist durchwegs positiv: „Ich konnte schwimmen, auch die Buben haben sich im überwachten Kinderbecken gut amüsiert. Das Wasser ist übrigens recht warm, ich würde sagen 26 Grad.“ Auf dem Schild beim Eingang stehen als Angaben des Tages: teilweise sonnig, 25 Grad, Wasserqualität gut, Strömung 91 Kubikmeter pro Sekunde.

Die Badesaison konnte beginnen: Von einem Floß im Becken springen einige Badende frohgemut ins Seine-Wasser, alle Schwimmenden haben einen gut erkennbaren gelben mit Luft gefüllten Plastikbeutel, das sie mit einer Schnur an der Hüfte befestigen mussten.

Rund um das Planschbecken werden auf dem leicht schwankenden Holzrostboden Liegestühle installiert. Vom Ufer aus fotografieren und filmen Medienleute aus aller Welt das historische Geschehen. Dass in den letzten Jahren jeweils die Freizeitaktion Paris-Plage ein virtueller Strand ohne Wasser war, ist bereits Vergangenheit.

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1 Kommentar

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  • Historisch daran ist doch auch, dass ein Versprechen eines Politikers jetzt eingelöst wurde.



    Nur 30 Jahre später, aber das ist man bei anderen Themen (Bahnprojekte usw) doch gewohnt. Bravo!