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Bachblüten gegen schlechte LaunePositivität aus der Apotheke

Gibt es einen Aberglauben, der okay ist? Das fragt sich unsere Autorin und entscheidet: Solange er keinem wehtut, vielleicht ja.

Tabletten mit Bachblütenessenz Foto: imago

I ch habe mitunter so Tiefs und neulich in der Apotheke fiel mein Blick auf die gelben Dosen in einem Ständer an der Kasse. „Rescura“-Pastillen, mit der Original-Bachblüten-Mischung. Wenn man die Pastillen lutscht, soll man gelassener und fröhlicher werden, verspricht die Werbung. Rescura, das klingt wie Rettung, Trost für meine Seele und das alles für unter zehn Euro. Hm.

Ich müsste nur dran glauben. Womit ich beim Thema bin: Warum kann man nicht beschließen, an was Positives zu glauben, auch wenn es keine medizinischen Studien, keine Beweise dafür gibt? Ich habe gelesen, dass Placebos auch dann wirken, wenn die Probandin weiß, dass es Placebos sind, sofern sie trotzdem daran glaubt. Ich könnte beschließen, dass die Bachblüten-Pastillen mich nervenstärker und optimistischer machen, als Gegenmittel gegen meine schlechte Stimmung. Ich neige ja öfter zum Negativen. Allerdings nicht so wie meine Langzeitbekannte G.

G. glaubt, dass alles immer schlimmer wird, dass Kondensstreifen der Flugzeuge die Umwelt verseuchen, dass Corona-Impfungen schaden, dass Migranten den Sozialstaat kaputtmachen und die AfD die Wahrheit sagt und dass Arnika-Globuli und Retterspitz-Tinktur fast immer helfen, egal was die Schulmedizin behauptet.

Ich habe den Kontakt zu G. nicht abgebrochen, weil wir uns seit der Kindheit kennen. Ich habe aber auch noch keinen Weg gefunden, mit ihr wirklich über ihren Glauben diskutieren zu können. G. will ihr Zeugs glauben, weil sie und ihre Welt dann eine Besondere ist, so mein Eindruck. Manchmal macht sie mir mit ihrem Glauben auch Angst, weil ich so wenig dagegen unternehmen kann.

Mondwasser und Hirsesäckchen

Die Apothekerin hat meine Medikamente auf den Tresen gepackt. Bachblütenpastillen dazu, ja oder nein? Ich habe hier schon mal Gummibärchen mit Melatonin gekauft, weil man damit besser schlafen soll. Einen Roll-on-Stift mit Pfefferminzöl habe ich erworben, gegen Kopfschmerzen. Einen Stoffbär habe ich gekauft, mit einem Hirsesäckchen gefüllt. Den Sack kann man aus dem Bär herausnehmen und in der Mikrowelle erwärmen und dann wieder in den Bären hineinstopfen und sich das warme Tier auf den Bauch legen. Hab ich probiert, gegen die Schlaflosigkeit. Na ja. „Ich nehme noch eine Dose mit Bachblüten-Pastillen“, sage ich zur Apothekerin. Sie packt die Dose zusammen mit den Medikamenten in eine Papiertüte. Vielleicht ist ja jeder Aberglaube okay, solange man deswegen nicht zum asozialen Deppen wird. Solange die Sache nicht ausufert in Verschwörungstheorien, Minderheitenbashing oder ein generelles Misstrauen gegen die Welt. Vielleicht braucht es nur ein paar zivile Regeln, um den kleinen, persönlichen Aberglauben einzuhegen.

Na ja, was soll ich sagen, ich habe zwei der Pastillen gelutscht. „Das hättest Du billiger haben können“, sagt Freundin Hille, „umarme einfach jeden Tag einen Baum und trinke am Abend eine heiße Milch mit Muskat. Das hilft auch bei Tiefs.“

Bei G. werde ich demnächst einen neuen Anlauf starten. Ich bringe Ginkgo-Extrakt mit, der soll gut sein fürs Hirn. Dann noch eine Flasche Mineralwasser, abgefüllt bei Vollmond, die kommt auch mit, soll die Seele kräftigen. Ich werde G. erzählen, dass ich fest daran glaube, dass wir froh sein können um die meisten, die nach Deutschland kommen, hier arbeiten und Kinder aufziehen wollen. Dass alles gut wird. Darauf trinken wir Vollmondwasser. Vielleicht kann ich sie so erreichen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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3 Kommentare

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  • Mal eine Baum-Meditation probiert?

    Manchmal spürt man nichts, manchmal kann man auch seine Überraschungen erleben. Ohne Offenheit geht natürlich nichts. Eien gewisse Mediationserfahrung kann definitiv hilfreich sein. So Sensitivität.

    Bachblüten? Ein hübsches Spielzeug, kann wohltun, oder man spürt nichts. Nicht so ernst nehmen. Kosten ja auch nicht die Welt, und wenn, dann eher die Originalfläschchen.

    In meinem Bekanntenkreis gibt gibt es reihenweise Esoteriker*innen. Und es geht mir so wie Ihnen, Frau Dribbusch, manche kenne ich schon lange, viele liebenswerte Menschen dabei, mit denen man Spaß haben kann.

    Leider sind in den letzten Jahren so einige abgedreht. Tatsächlich bietet die Welt jede Menge Argumente um äußerst pessimistisch zu werden.

    Ist ja nun sehr real.

    Und ich bin viel zu gut informiert und zu sachlich um nicht pessimistisch zu sein.

    Wie entscheidet man sich?

    Ganz entspannt oder ganz entsetzt im Hier und Jetzt?

    Manchmal bedarf es schon einer ganzen Menge von dem wie Gurdjeff es ausdrückte, "a solid block of consciousness" oder gewisse Erfahrungen um zum "watcher on the hills" zu werden. Zum distanzierten Beobachter seiner Gedanken, Gefühle, seines Körpers.

    Was ist der Unterschied von Esoteriker*innen oder Menschen, die spirituell an sich arbeiten?

    Esoterik geht eher in Richtung Flucht vor der Welt, Spiritualität macht das Gegenteil, arbeitet vertikal, ist tief in der Erde verwurzelt, gegroundet, schaut aber auch nach oben. Und immer ins eigene Herz.

    Meistens bleibe ich meinen alten Freund*innen treu. Ausschlaggebend ist weiterhin ob ich sie mag.

    Ein wirkliches Problem ist, wenn sich die Leute im Internet verlieren. Zu viel social media, und irgendwann kriegen alle einen an der Klatsche.

    Seriöse Medien zwischen FAZ, NZZ, Spiegel, taz und unbedingt ein paar Wirtschaftszeitungen, helfen.

    Bei aller Esoterik: It's the economy, stupid.

  • Aberglauben ist bei einigen Berufen Bestandteil der Professions-DNA, man glaubt es kaum:



    "Fußballer gelten als extrem abergläubisch: Manager wechseln den Pullover nicht, Kicker schwören auf das Einmassieren mit Olivenöl, und manch einer baut auf die Kraft heißer Wannenbäder."



    /



    www.spiegel.de/spo...ssen-a-434765.html



    /



    "Warum sind Theaterleute abergläubisch?



    Trage auf der Bühne niemals deinen eigenen Mantel oder Hut. Iss niemals auf der Bühne, es sei denn es gehört zur Szene. Nenne niemals in Bühnennähe den Namen „Macbeth“. Der durchaus weit verbreitete Aberglaube in Theaterhäusern findet in solchen Regeln Ausdruck, doch woher stammt er eigentlich?"



    /



    www.deutschlandfun...laeubisch-100.html

    • @Martin Rees:

      Aberglaube.

      Ist nun auch nicht so viel anders wie Religionen, in denen man an einen Gott glauben muss.

      Beim Check des hiesigen Universums, der zumindest zu 94 Prozent abgeschlossen ist, wurde er/sie noch nicht gesichtet. Dürfte schwierig sein, denn allein unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße ist eine einfache durchschnittliche Spiralgalaxie mit 250 Milliarden Sternen (wie beispielsweise die Sonne) und Billionen Planeten. Von der Erde aus lassen sich mit aktueller Technik mehr als 50 Milliarden Galaxien beobachten. Seit ein paar Jahren geht die Forschung davon aus, dass sich im beobachtbaren Universum circa 1,5 Billionen Galaxien befinden. Der Radius dieses beobachtbaren Universums geht über 90 Milliarden Lichtjahre. Ein paar Billionen Lichtjahre weiter haben wir vielleicht Billionen von Universen, vielleicht billionenfach größer. Und wie viele Universen mag es in den Äonen schon gegeben haben? Und wie viele werden es noch werden?

      Das hiesige Universum wird auf ein Alter von 13,7 Milliarden Jahre geschätzt. Gott müsste also mindestens 13,7 Milliarden Jahre und einen Tag alt sein, wenn er gleich losgelegt hätte.

      Vermutlich eher Billionen Jahre.

      Christen und Muslime glauben, Gott sieht alles.

      Wenn auch vielleicht ein paar Milliarden Jahre später.

      Na ja, da sind atheistische Religionen wie der Buddhismus oder Taoismus, realistischer.

      Wissenschaftlicher.

      Dort beschäftigst du dich eine Weile mit dem theoretischen Überbau, dann setzt du dich hin und meditierst, überprüfst ganz subjektiv was dir die Theorie erzählt. Die Zukunft ist Wissenschaft.

      Du erkennst Fortschritte auf dem Weg zur Essenz deines Seines: Bewusstheit.

      Beruhen Bachblüten, Aura Soma oder auch Homöopathie auf Aberglauben?

      Persönlich gehe ich davon aus, dass bestimmte Essenzen mit Schwingungsfrequenzen des Menschen korrelieren.

      Nicht für jeden geeignet, für manche wird es stimmen und hilfreich sein.

      Ausprobieren und damit spielen.

      Kosten, Risiken und Nebenwirkungen sind gering.