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BSW und AfD in ThüringenKritik am „Kuscheltalk“

Nach der Landtagswahl grenzte das BSW sich klar von der AfD ab. Doch zwei aktuelle Fälle werfen die Frage auf, ob die Grenze sich nicht verschoben hat.

Steffen Quasebarth sitzt für den BSW im Thüringer Landtag und hat sich an einem Podcast der AfD Landtagsfraktion beteiligt Foto: Michael Reichel/dpa

Berlin taz | Mehr als 30 Jahre lang moderierte Steffen Quasebarth die regionale Nachrichtensendung Thüringen Journal des MDR. Dann verabschiedete er sich 2024 aus dem Mediengeschäft und zog für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Landtagswahl ins Parlament. In Thüringen ist Quasebarth bekannt. Noch im Dezember wählte ihn die Mehrheit der Abgeordneten zum Vizepräsidenten des Landtags. Am vergangenen Freitag war seine geschulte Stimme mal wieder in einem Podcast zu hören – allerdings in keinem des MDR, sondern im Podcast der AfD-Landtagsfraktion.

Im Gespräch mit Stefan Möller, dem Co-Vorsitzenden der AfD Thüringen, betonte Quasebarth unter anderem, es sei wichtig miteinander zu reden, auch wenn er viele Ziele der AfD „im Grunde meines Herzens ablehne“. Doch für den Auftritt steht Quasebarth nun in der Kritik – auch durch Partei-Kollegen. Und es ist nicht der einzige aktuelle Fall, in dem die Distanz von BSW zur AfD in Thüringen schrumpft. Mittlerweile stellt sich doch die Frage: Wie steht das Bündnis zur AfD?

Jens-Christian Wagner, der Historiker und Direktor der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, besorgt der Auftritt von Quasebarth beim Podcast. Bür­ge­r:in­nen vermittle Quasebarth so das Gefühl, „es sei normal, bei und mit Rechtsextremen aufzutreten.“ Der BSW-Landtagsabgeordnete mache damit die AfD „gesellschaftsfähig“.

Auch Georg Maier, Innenminister und Landesvorsitzender der SPD, kritisiert den Auftritt Quasebarths. „Der Kuscheltalk zeugt vor allem von politischer Naivität gegenüber den demokratiefeindlichen Einstellungen der AfD. Ich bin entsetzt über die Instinktlosigkeit“, erklärte er der auf Social Media.

Eine AfDlerin im Ministerium

Nach der Thüringer Landtagswahl im September gingen CDU, BSW und SPD eine Koalition ein. Die drei Parteien im Parlament keine Mehrheit, sondern kommen gemeinsam auf 44 Stimmen, ebenso wie die Parteien der Opposition: AfD und Linke. Bei Abstimmungen ist die Regierung auf eine Stimme von ihnen angewiesen.

Die AfD stuft der Verfassungsschutz in Thüringen als rechtsextrem ein. Damit sie nicht zu politischen Entscheidungen beiträgt, vereinbarten die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD“ – zumindest, wenn es nicht notwendig ist. Immerhin verfügt die AfD in Thüringen über mehr als ein Drittel der Sitzplätze und kann so bestimmte Beschlüsse sperren.

Ähnlich wie Georg Maier zeigte sich der Co-Vorsitzende des Thüringer BSW und Minister für Digitales und Infrastruktur, Steffen Schütz, entsetzt über Quasebarths Auftritt im AfD-Podcast. „Es ist naiv zu glauben, dass man so die Welt verändert. Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die verändert man nicht mit einem Podcast“, sagte Schütz der Thüringer Allgemeinen. Man rede mit den Wäh­le­r:in­nen der AfD, aber stärke keine rechtsextremen Funktionäre, erklärte der BSW-Politiker.

Zu einem anderen Fall äußerte sich Schütz allerdings auf Anfrage der taz nicht. Am Freitag wurde öffentlich, dass das Thüringer Umweltministerium Lydia Funke eingestellt hat. Geführt wird das Ministerium von Tilo Kummer, ein weiterer BSW-Minister. Funke saß in der letzten Legislaturperiode als Abgeordnete für die AfD im Landtag Sachsen-Anhalt. Bis heute sitzt die 42-Jährige noch für die AfD im Kreistag Burgenlandkreis, wo sie zuletzt auch fünf Jahre lang Fraktionschefin war. Zudem ist sie eine der Erstunterzeichnerinnen der „Erfurter Resolution“, dem damaligen Gründungsmanifest des „Flügels“, einem Sammelbecken von Parteiradikalen in der AfD um Björn Höcke.

Ein Sprecher des Umweltministeriums wollte sich „aus Datenschutzgründen“ nicht zu der Personalie äußern. Vom Thüringer Ministerpräsidenten Mario Voigt (CDU) hieß es auf Anfrage der taz, er äußere sich nicht „zu Personalangelegenheiten des Umweltministeriums“. Innenminister und SPD-Landesvorsitzender Georg Maier ließ ausrichten, dass er sich zum Sachverhalt nicht äußere, anders als zum Auftritt von Steffen Quasebarth im AfD-Podcast. Ein großer Unterschied zwischen beiden Fällen: Im Gegensatz zum Podcast geht es bei Lydia Funke um arbeitsrechtliche Fragen.

Darauf geht auch die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss ein. Sie kritisiert, die Personalentscheidung stelle die Glaubwürdigkeit der Landesregierung infrage. „Wer eine aktive AfD-Funktionärin in ein Ministerium holt, zeigt, dass es keine klare Abgrenzung nach rechts gibt“, findet König-Preuss. Das BSW versuche, die Stimmen rechter Wäh­le­r:in­nen zu bekommen.

In einer Kleinen Anfrage, die der taz vorliegt, weist König-Preuss auf mehrere Punkte hin: Zum einen, dass die AfD in Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft wird. Zum anderen, dass Mit­ar­bei­te­r:in­nen in Ministerien eine Erklärung unterzeichnen, keine Bestrebungen zu unterstützen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden. Außerdem möchte König-Preuss in der Anfrage von der Regierung wissen, ob bei Funke im Einstellungsprozess eine Internetrecherche durchgeführt wurde.

Nach der Kritik an seinem Podcast-Auftitt meldete sich Steffen Quasebarth auch selbst zu Wort. „Ich spreche nicht für die AfD Funktionäre, sondern mit ihren Wählern“, erklärte der frühere Moderator. Es brauche Dialog. „Sicher lässt sich darüber diskutieren, ob ein Gastauftritt in einem Parteipodcast dafür ein sinnvoller Weg ist. Meine Intention ist dennoch, um diejenigen zu kämpfen, die aus Frust bei der AfD gelandet sind.“

Ob das so klappt, daran zweifelt zumindest der Historiker Jens-Christian Wagner. „Die werden sich aber bestimmt nicht den AfD-Podcast anhören“, antwortet er auf X. „Statt Frustrierte zurückzuholen, machen sie Rechtsextreme hoffähig.“

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3 Kommentare

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  • Fakt ist :



    - in Thürigen kommt man um die AFD nicht drum herum, sie ist überall stärkste Kraft, ausgrenzen ist fast unmöglich



    - ein gemeinsamer Podcast ist nicht gleich eine gemeinsame Politik, eine Abgrenzung zu den Positionen der AFD hat es laut Artikel in diesem Podcast klar gegeben



    - tatsächlich bekommt man ADFler nur zum Umdenken, indem man mit ihnen redet und nicht indem man sie ausgrenzt und sie noch mehr ihrer eigenen Bubble überlässt (ich spreche aus Erfahrungen im eignenen Freundeskreis)

    Einen Mann zu verurteilen, der offensichtlich versucht Brücken anstatt Mauern zu bauen (da das mit den Mauern bisher nicht so gut funktioniert hat, eher im Gegenteil) halte ich hier für absolut unangebracht und kontraproduktiv

    • @PartyChampignons:

      Rechtsextremen Brücken zu bauen, hat noch nie funktioniert.

      Es gibt kein Beispiel dafür, dass Rechtsextremisten durch Gespräche oder gar Kooperation wieder zu Demokraten wurden.

      • @Suryo:

        Beispiele dazu habe ich aus meinem näheren Umfeld, viele AFD-Wähler sind nämlich eben nicht stramm rechtsextrem sondern frustriert und unzufrieden mit den etablierten Parteien. Wenn man mit diesen Menschen redet und zwar auf Augenhöhe, ohne sie abzuwerten, dann kann man sie auch umstimmen, ja ich meine sogar das eine oder andere mal erkannt zu haben, dass sie sich geradezu danach sehnen umgestimmt zu werden und eine Alternative zur Alternative zu finden. Viele befinden sich im Zwiespalt: eigentlich ist die AFD zu extrem, den anderen Parteien wird aber null Vertrauen entgegen gebracht (teilweise auch zurecht möchte ich sagen) und so nimmt man extreme Positionen in Kauf in der Hoffnung den Altparteien einen Denkzettel zu verpassen.....Es gibt tatsächlich aber kein Beispiel, dass Ausgrenzung besser funktioniert. Das wird seid Jahren versucht, hat aber nichts bewirkt, ganz im Gegenteil, die AFD bekommt stetig mehr Zulauf und bessere Wahlergebnisse

        Die Annahme alle AFD-Wähler wären rechtsextremisten ist schon von grundauf falsch und behindert eine vernünftige Auseinandersetzung und Problemlösung