BSW und AfD in Thüringen: Kritik am „Kuscheltalk“
Nach der Landtagswahl grenzte das BSW sich klar von der AfD ab. Doch zwei aktuelle Fälle werfen die Frage auf, ob die Grenze sich nicht verschoben hat.

Im Gespräch mit Stefan Möller, dem Co-Vorsitzenden der AfD Thüringen, betonte Quasebarth unter anderem, es sei wichtig miteinander zu reden, auch wenn er viele Ziele der AfD „im Grunde meines Herzens ablehne“. Doch für den Auftritt steht Quasebarth nun in der Kritik – auch durch Partei-Kollegen. Und es ist nicht der einzige aktuelle Fall, in dem die Distanz von BSW zur AfD in Thüringen schrumpft. Mittlerweile stellt sich doch die Frage: Wie steht das Bündnis zur AfD?
Jens-Christian Wagner, der Historiker und Direktor der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, besorgt der Auftritt von Quasebarth beim Podcast. Bürger:innen vermittle Quasebarth so das Gefühl, „es sei normal, bei und mit Rechtsextremen aufzutreten.“ Der BSW-Landtagsabgeordnete mache damit die AfD „gesellschaftsfähig“.
Auch Georg Maier, Innenminister und Landesvorsitzender der SPD, kritisiert den Auftritt Quasebarths. „Der Kuscheltalk zeugt vor allem von politischer Naivität gegenüber den demokratiefeindlichen Einstellungen der AfD. Ich bin entsetzt über die Instinktlosigkeit“, erklärte er der auf Social Media.
Eine AfDlerin im Ministerium
Nach der Thüringer Landtagswahl im September gingen CDU, BSW und SPD eine Koalition ein. Die drei Parteien im Parlament keine Mehrheit, sondern kommen gemeinsam auf 44 Stimmen, ebenso wie die Parteien der Opposition: AfD und Linke. Bei Abstimmungen ist die Regierung auf eine Stimme von ihnen angewiesen.
Die AfD stuft der Verfassungsschutz in Thüringen als rechtsextrem ein. Damit sie nicht zu politischen Entscheidungen beiträgt, vereinbarten die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD“ – zumindest, wenn es nicht notwendig ist. Immerhin verfügt die AfD in Thüringen über mehr als ein Drittel der Sitzplätze und kann so bestimmte Beschlüsse sperren.
Ähnlich wie Georg Maier zeigte sich der Co-Vorsitzende des Thüringer BSW und Minister für Digitales und Infrastruktur, Steffen Schütz, entsetzt über Quasebarths Auftritt im AfD-Podcast. „Es ist naiv zu glauben, dass man so die Welt verändert. Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die verändert man nicht mit einem Podcast“, sagte Schütz der Thüringer Allgemeinen. Man rede mit den Wähler:innen der AfD, aber stärke keine rechtsextremen Funktionäre, erklärte der BSW-Politiker.
Zu einem anderen Fall äußerte sich Schütz allerdings auf Anfrage der taz nicht. Am Freitag wurde öffentlich, dass das Thüringer Umweltministerium Lydia Funke eingestellt hat. Geführt wird das Ministerium von Tilo Kummer, ein weiterer BSW-Minister. Funke saß in der letzten Legislaturperiode als Abgeordnete für die AfD im Landtag Sachsen-Anhalt. Bis heute sitzt die 42-Jährige noch für die AfD im Kreistag Burgenlandkreis, wo sie zuletzt auch fünf Jahre lang Fraktionschefin war. Zudem ist sie eine der Erstunterzeichnerinnen der „Erfurter Resolution“, dem damaligen Gründungsmanifest des „Flügels“, einem Sammelbecken von Parteiradikalen in der AfD um Björn Höcke.
Ein Sprecher des Umweltministeriums wollte sich „aus Datenschutzgründen“ nicht zu der Personalie äußern. Vom Thüringer Ministerpräsidenten Mario Voigt (CDU) hieß es auf Anfrage der taz, er äußere sich nicht „zu Personalangelegenheiten des Umweltministeriums“. Innenminister und SPD-Landesvorsitzender Georg Maier ließ ausrichten, dass er sich zum Sachverhalt nicht äußere, anders als zum Auftritt von Steffen Quasebarth im AfD-Podcast. Ein großer Unterschied zwischen beiden Fällen: Im Gegensatz zum Podcast geht es bei Lydia Funke um arbeitsrechtliche Fragen.
Darauf geht auch die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss ein. Sie kritisiert, die Personalentscheidung stelle die Glaubwürdigkeit der Landesregierung infrage. „Wer eine aktive AfD-Funktionärin in ein Ministerium holt, zeigt, dass es keine klare Abgrenzung nach rechts gibt“, findet König-Preuss. Das BSW versuche, die Stimmen rechter Wähler:innen zu bekommen.
In einer Kleinen Anfrage, die der taz vorliegt, weist König-Preuss auf mehrere Punkte hin: Zum einen, dass die AfD in Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft wird. Zum anderen, dass Mitarbeiter:innen in Ministerien eine Erklärung unterzeichnen, keine Bestrebungen zu unterstützen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden. Außerdem möchte König-Preuss in der Anfrage von der Regierung wissen, ob bei Funke im Einstellungsprozess eine Internetrecherche durchgeführt wurde.
Nach der Kritik an seinem Podcast-Auftitt meldete sich Steffen Quasebarth auch selbst zu Wort. „Ich spreche nicht für die AfD Funktionäre, sondern mit ihren Wählern“, erklärte der frühere Moderator. Es brauche Dialog. „Sicher lässt sich darüber diskutieren, ob ein Gastauftritt in einem Parteipodcast dafür ein sinnvoller Weg ist. Meine Intention ist dennoch, um diejenigen zu kämpfen, die aus Frust bei der AfD gelandet sind.“
Ob das so klappt, daran zweifelt zumindest der Historiker Jens-Christian Wagner. „Die werden sich aber bestimmt nicht den AfD-Podcast anhören“, antwortet er auf X. „Statt Frustrierte zurückzuholen, machen sie Rechtsextreme hoffähig.“
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