BRICS-Gipfel in Johannesburg: Neuer Bund mit alten Feinden

Der BRICS-Gipfel in Johannesburg ist zu Ende. Der Staatenbund hat neue Mitglieder aufgenommen und will wachsen. Doch das birgt Probleme.

Personen bei einem Treffen in einer Halle.

Be­su­che­r:in­nen des Brics-Gipfels in Johannesburg am 24. August Foto: Sergei Bobylev/SNA/imago

JOHANNESBURG taz | Die Erweiterung des Staatenblocks BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) ist ein ökonomischer Glücksgriff, der zugleich alte Feinde zusammenbringt. Zum Abschluss des 15. BRICS-Gipfels in Südafrika wurde verkündet, dass Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ab 1. Januar 2024 als vollwertige Mitglieder BRICS beitreten. Es sind die ersten von rund 20 Beitrittskandidaten.

Manche dieser Länder sind seit langem verfeindet, und es muss sich noch zeigen, wie sich das auf einen Block auswirkt, der sich rühmt, Frieden und Entwicklung zu fördern. Dies klang auch in der Schlusserklärung des BRICS-Gipfels durch, als die Staatschefs sich besorgt über die Konflikte in vielen Teilen der Welt äußerten. Manche dieser Konflikte liegen jetzt direkt bei ihnen auf dem Tisch.

Der komplexeste Konflikt ist wohl der zwischen Iran und den Arabischen Emiraten, zwei Nachbarn im Mittleren Osten, die sich am Persischen Golf feindselig gegenüberstehen. Als 2020 die Emirate ihre Beziehungen zu Israel normalisierten, nannte Iran das eine Schande und eine strategische Dummheit. Daraufhin bestellten die Emirate den iranischen Botschafter ein und verurteilten seine „inakzeptable und hetzerische“ Stellungnahme.

Zwischen beiden Ländern herrscht nicht nur ein Krieg der Worte. Es gab zuletzt Spannungen über die Zugehörigkeit einiger Inseln im Golf sowie über die Erlaubnis der Emirate an Frankreich, seine erste Militärbasis in der Region einzurichten, und einen Atomdeal zwischen den Emiraten und Frankreich. Iran steht selbst wegen seines Atomprogramms unter westlichen Sanktionen. Und Iran wirft den Emiraten und Saudi-Arabien vor, gemeinsam an der Destabilisierung Irans zu arbeiten.

Streit ums Wasser: Ägypten und Äthiopien

Noch tiefer liegen die Wurzeln des Konflikts zwischen Ägypten und Äthiopien. Ihre seit 1927 bestehenden diplomatischen Beziehungen zueinander sind die ältesten in ganz Afrika. Aber ihr Streit miteinander ist genau so alt wie diese Beziehungen. Dabei geht es vor allem um Wasserressourcen, genauer um den Nil, Afrikas längster Fluss, dessen wichtigster Arm in Äthiopien entspringt und in Ägypten ins Meer mündet.

Äthiopien hat am Oberlauf des Blauen Nils Afrikas größten Staudamm errichtet, den Grand Ethiopian Renaissance Dam. Ägypten lehnt die Inbetriebnahme des Dammes ab, weil es eine Verringerung des Wasserzustroms vom Nil fürchtet. Äthiopien macht unbeirrt weiter und sagt, das Projekt werde seinen rasch wachsenden Energiebedarf decken.

Verhandlungen, die zunächst vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump und später von Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa geleitet wurden, brachten keinen Durchbruch. Aber momentan geben sich beide Länder zuversichtlich, noch dieses Jahr eine Einigung erzielen zu können. Es war Ramaphosa, der am Donnerstag die BRICS-Erweiterung einschließlich Ägypten und Äthiopien verkündete.

Zwischen Brasilien und dem Neuzugang Argentinien wiederum sind die Beziehungen immer wieder angespannt gewesen. Der rechte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro und die linke Kirchner-Regierung in Argentinien konnten sich nicht leiden. Seit der Machtübernahme des Linken Luiz Inácio Lula da Silva in Brasilien hat sich das verbessert und das könnte für BRICS nun eine gute Nachricht sein. Aber die politische Konstellation kann sich auch wieder ändern.

Geteilte Reaktionen in Südafrika

In Südafrika selbst führt die BRICS-Erweiterung zu unterschiedlichen Reaktionen. Die wichtigste Oppositionspartei DA (Democratic Alliance) macht sich Sorgen. „Während nur drei der fünf BRICS-Mitglieder derzeit als freie Demokratien bezeichnet werden können, nämlich Südafrika, Indien und Brasilien, könnte die Hinzunahme autoritärer Staaten mit totalitären Tendenzen die Waagschale zugunsten eines illiberalen, oppressiven und autoritären Umgangs mit Außenbeziehungen und Handel kippen lassen“, sagte DA-Schattenministerin Emma Louise Powell.

Auch ohne Erweiterung gibt es bereits jetzt Spannungen zwischen den BRICS-Mitgliedern China und Indien. Beide Länder streiten sich um ihren Grenzverlauf in den Bergen und werfen einander Besetzung ihres Staatsgebiets vor. Zusammenstöße zwischen chinesischen und indischen Truppen forderten im Jahr 2020 eine unbekannte Anzahl von Toten. Beide Länder beharren darauf, ihren Grenzstreit bilateral diplomatisch zu lösen.

Aus Sicht der bestehenden BRICS-Mitglieder ist die Erweiterung gut. „Dies wird den Glauben vieler Länder der Welt an eine multipolare Weltordnung stärken“, sagte Indiens Premierminister Narendra Modi. Brasiliens Präsident Lula da Silva hob hervor, dass die erweiterte BRICS-Runde 47 Prozent der Weltbevölkerung und 37 Prozent ihrer Kaufkraft vereine und offen für weitere Mitglieder sei. Chinas Präsident Xi Jinping sagte: „Solange wir mit einer gemeinsamen Zielsetzung arbeiten, kann die BRICS-Kooperation viel erreichen, und für die BRICS-Länder wird es eine leuchtende Zukunft geben.“

Aus dem Englischen Dominic Johnson

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