BGH verhandelt über NSU-Urteil: „Widersprüchlich und lückenhaft“
Der BGH verhandelt über das milde Urteil gegen NSU-Unterstützer André Eminger. Die Bundesanwaltschaft will es kippen, aber die Hürden sind hoch.
Die rechtsextreme Terrorgruppe NSU hatte ab 2000 neun Migranten und eine Polizistin ermordet, wozu sich die Gruppe aber erst 2011 bekannte. 2018 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) München Beate Zschäpe zu lebenslanger Haft. Die anderen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sind schon seit 2011 tot. Mit Zschäpe standen daher nur Helfer wie Eminger vor Gericht.
Überraschend niedriges Strafmaß
Eminger hatte zwischen 2000 und 2003 drei Mal ein Wohnmobil für das NSU-Trio gemietet. Die Terroristen nutzten die Fahrzeuge für zwei Raubüberfälle in Chemnitz und einen Sprengstoffanschlag in Köln. Außerdem unterstützte er den NSU, indem er Zschäpe 2007 bei der Polizei als seine Ehefrau Susan ausgab und indem er 2009 für Zschäpe und Böhnhardt Bahncards besorgte. Die Bundesanwaltschaft hatte vor dem OLG eine 12-jährige Freiheitsstrafe für Eminger gefordert.
Das OLG verurteilte den überzeugten Nazi Eminger aber überraschend nur zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. In die NSU-Morde sei er erst 2007 eingeweiht worden, so das Gericht. Deshalb habe Eminger nur wegen der Bahncard-Beschaffung 2009 verurteilt werden können. Bis 2006 habe Eminger wohl geglaubt, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nur deshalb im Untergrund lebten, weil sie wegen Sprengstoffbesitzes von der Polizei gesucht wurden.
Gegen dieses Urteil hatte nicht nur Eminger Revision eingelegt, sondern auch die Bundesanwaltschaft. Deshalb wurde hierzu mündlich verhandelt, während der BGH die Revision von Zschäpe schon im August per Beschluss als offensichtlich unbegründet verwarf.
Eminger war am Donnerstag nicht nach Karlsruhe gekommen. Auch seine Revision hat keinerlei Aussicht auf Erfolg. Im Prozess ging es fast nur um die Revision der Bundesanwaltschaft, die indes auch einen schweren Stand hatte. Denn vor dem BGH können nur Rechtsfehler gerügt werden – die Beweiswürdigung des OLG ist grundsätzlich zu akzeptieren.
Das OLG-Urteil sei „widersprüchlich und lückenhaft“, argumentierte Bundesanwalt Jochen Weingarten. So habe das OLG die engen Kontakte des Trios zu Eminger in der frühen Untergrundphase bis 2002 als „sporadisch“ bezeichnet und daraus geschlossen, dass Eminger keinen Einblick in die Lebensverhältnisse des Trios hatte. Dagegen wertete das OLG eine ab 2006 bestehende ähnlich enge Konstellation ganz anders: Nun habe sich für Eminger der Gedanke aufdrängen müssen, dass die Untergetauchten ihren Lebensunterhalt mit Überfällen finanzieren.
Nebenklage kritisiert Urteil als „weltfremd“
Außerdem hätte Eminger durchaus auch auf die Idee kommen können, dass seine Freunde Sprengstoffanschläge begehen, so Weingarten. Schließlich sei seit 1998 in der rechten Szene bekannt gewesen, dass das untergetauchte Trio in der Lage war, Sprengstoff zu beschaffen. Doch auch damit habe sich das OLG nicht auseinandergesetzt.
Auch Nebenkläger-Anwältin Edith Lunnebach kritisierte das OLG-Urteil als „weltfremd“. Das Münchener Gericht habe sich zu sehr auf die Schilderungen von Zschäpe verlassen, die aber offensichtlich Eminger in Schutz nehmen wollte. Lunnebach vertrat die deutsch-iranische Familie, der der Kölner Sprengstoffanschlag galt. Andere Nebenkläger waren nicht zugelassen.
Nur Emingers Anwalt Herbert Hedrich verteidigte das OLG-Urteil als plausibel. Da Eminger – anders als das NSU-Trio – nicht aus Jena stammte, sei er anfangs für die Untergetauchten nicht so vertrauenswürdig gewesen. Der 3. BGH-Strafsenat wird sein Urteil am 15. Dezember verkünden. Der Vorsitzende BGH-Richter Jürgen Schäfer betonte mehrfach, sein Senat sei noch nicht festgelegt.
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