BER: Tödliches Großprojekt
Auf der Flughafenbaustelle in Schönefeld kamen seit 2009 vier Arbeiter ums Leben. Vermeidbar, so die Kritiker. Vom BER heißt es jedoch, die Baustelle sei "sehr sicher".
Nach dem Bekanntwerden von vier Todesfällen in den vergangenen Jahren auf der BER-Baustelle geraten die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Flughafengelände in die Kritik. Es sei eine „viel zu hohe Zahl“ von Toten, heißt es von Gewerkschaften und Politik.
Die Todesfälle wurden am Wochenende nach einer kleinen Anfrage der Piraten durch das Brandenburger Landesamt für Arbeitsschutz veröffentlicht. Die Vorfälle ereigneten sich zwischen 2009 und 2011. In allen Fällen wird den Opfern Fehlverhalten vorgehalten. So wurde im Juli 2009 ein Mann von einer Gummiradwalze überrollt, die ein Kollege im Rückwärtsgang steuerte. Der Getötete, heißt es, habe sich „unnötig“ und ohne sich beim Walzenfahrer zu melden auf dem Baufeld aufgehalten.
Im zweiten Fall wurde ein Beschäftigter im Juni 2010 von einer Greiferschaufel erschlagen, die von einem Bagger abfiel. Hier habe sich der Mann „ohne Schutzhelm im Schwenkbereich des Baggers“ bewegt. Schuld treffe auch den unaufmerksamen Fahrer und den Arbeitgeber, der weder den geliehenen Bagger richtig überprüft noch die Arbeiter eingewiesen habe.
Zudem ereigneten sich zwei tödliche Stürze auf der Baustelle: Ein Mann stürzte beim Fugenschneiden sieben Meter tief auf eine Betondecke; er soll keine Schutzausrüstung getragen haben. Ein zweiter fiel bei Ausschalarbeiten acht Meter tief durch eine „ungesicherte Bodenöffnung“; auch er trug keinen Sicherheitsgurt. Der Unfall sei aber, so das Landesamt, durch „ungenügende Bauüberwachung“ und „fehlerhafte Rückbauplanung“ mitverschuldet worden.
Bastian Kaiser von der Gewerkschaft IG Bau kritisierte die „unnötig hohe Zahl“ von Todesfällen. Auf der Baustelle hätte ein „koordiniertes Kontrollsystem“ möglich sein müssen. Die Gewerkschaft fordert nun mehr Sicherheitskontrollen auf der Baustelle. „Ich bin mir sicher, jeder der Todesfälle wäre vermeidbar gewesen“, so Kaiser.
Auch Jutta Vestring von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft sagte, jeder Tote auf der Baustelle sei „einer zu viel“. Die Genossenschaft veranstaltete nach den Unfällen Präventionsseminare auf dem Flughafen, etwa zum Thema „Sehen und gesehen werden“. Vom Arbeitsschutzamt wurde als Reaktion ein täglich anwesender Bauleiter eingesetzt. Kontrollen wurden verstärkt.
Flughafensprecher Ralf Kunkel nannte die vier Todesfälle „mehr als bedauerlich“. Dennoch liege die Zahl unter dem Durchschnitt aller anderen Großprojekte: „Die Baustelle ist einer der sichersten der letzten Jahre.“ Diese Aussage bezeichneten Gewerkschafter als „zynisch“.
Kritik kommt auch aus der Politik. Kein Großprojekt sei es wert, dass dafür ein Mensch sterbe, sagte Pirat Oliver Höfinghoff. „Der Flughafen muss Sicherheitsstandards schaffen, mit denen es nicht zu Schwerverletzten oder gar Toten kommt.“ Höfinghoff warf dem Flughafen vor, die Vorfälle verschwiegen zu haben. „Es ärgert mich, dass über Negativnachrichten ein Mantel des Schweigens gehängt wird.“ Sprecher Kunkel nannte das „Quatsch und Wichtigtuerei“: Alle Todesfälle seien per Pressemitteilung öffentlich gemacht worden.
Laut IG Bau-Vertreter Kaiser sind Baustellen eine "der gefährlichsten Arbeitsorte überhaupt". In Berlin starben dort in diesem Jahr bereits fünf Arbeiter: Ver kamen bei Abstürzen um, einer wurde verschüttet. Um Umfälle zu verhindern, kontrolliert das Landesamt für Arbeitsschutz jährlich etwa 700 Baustellen. 2010 wurden dabei 38 Bußgeldverfahren gegen Bauunternehmen wegen Arbeitsschutz-Verstößen eingeleitet.
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