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Aydan Özoğuz antwortet auf offenen BriefSehr geehrte Frau Schick!

Kommentar von Aydan Özoguz

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung antwortet auf den kürzlich erschienenen offenen Brief der taz-Autorin Sibel Schick.

Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz Foto: dpa

S ehr geehrte Frau Schick,

haben Sie Dank für Ihren offenen Brief in der taz, in dem Sie politische Themen ansprechen, für die ich mich schon seit Jahren stark mache. Deshalb bin ich etwas verwundert, dass Sie ausgerechnet mir vorwerfen, Ihnen „Steine in den Weg“ zu legen. Denn ich bearbeite Ihre Anliegen ja schon seit einigen Jahren.

So setze ich mich bereits sehr lange und engagiert dafür ein, dass mehr Menschen in unserem Land die deutsche Staatsbürgerschaft mit allen Rechten und Pflichten erlangen können. In einem harten Kampf hat die SPD zusammen mit den Grünen im Jahr 2000 den Einstieg in ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht mit dem Geburtsortprinzip geschaffen. Seitdem können in Deutschland geborene Kinder mit ausländischen Eltern unter bestimmten Voraussetzungen deutsche Staatsbürger werden.

Sie mögen es mir nachsehen, wenn ich als Reaktion auf Ihren offenen Brief die Verantwortlichkeiten etwas gerade rücken möchte: Denn es war die CDU, die einer modernen Regelung jahrzehntelang nicht nur Steine, sondern geradezu Felsbrocken in den Weg gelegt hatte. Ohne die SPD gäbe es auch heute noch für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder die sogenannte Optionspflicht. Ich habe in der großen Koalition mit meinen Kolleginnen und Kollegen erreicht, dass sich diese Kinder heute nicht mehr gegen eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen.

Politische und rechtliche Teilhabe nur durch Einbürgerung

Sie haben recht, dass wir hier nicht stehen bleiben dürfen. Denn natürlich müssen auch Hürden für die Einbürgerung weiter abgebaut werden. Wenn Sie Ihre Kritik an hierfür Verantwortliche richten wollen, müssten Sie sich an den Bundesinnenminister und auch an die zuständigen Landesbehörden wenden. Ich teile Ihre Überzeugung, dass wir wirkliche politische Teilhabe und rechtliche Zugehörigkeit in unserer Gesellschaft nur durch Einbürgerung erreichen können. Deshalb kämpfe ich in meiner politischen Arbeit dafür, dass Menschen, die wie Sie bereits lange in Deutschland leben, nicht in unsicheren oder über lange Jahre in befristeten Aufenthaltstiteln verharren müssen, die ihre Rechte und Teilhabechancen begrenzen.

Keine demokratische Gesellschaft kann es sich auf Dauer leisten, wenn ein großer Teil der dauerhaft in ihr lebenden und integrierten Bevölkerung von der politischen Partizipation ausgeschlossen ist.

Unser Land braucht junge und engagierte Menschen wie Sie, die den Dialog mit der Politik suchen

Als Integrationsbeauftragte erreichen mich immer wieder ähnliche Briefe von Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, die hier studieren oder arbeiten, manche von ihnen haben Familie und Kinder, die hier zur Schule gehen. Viele verzweifeln wie Sie an Auflagen oder bürokratischen Hürden für eine Einbürgerung und suchen im Bürgerservice meines Arbeitsstabs Rat. Manchmal hilft bereits Aufklärung oder eine Kontaktaufnahme mit den zuständigen Stellen vor Ort, manchmal muss man auch hart intervenieren. Vielleicht lässt sich auch für Sie eine Lösung finden. Dafür müssten wir erst einmal prüfen, woran es konkret scheitert.

Sehr geehrte Frau Schick, ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren Weg hier erfolgreich weiter gehen können. Unser Land braucht junge und engagierte Menschen wie Sie, die den Dialog mit der Politik suchen und unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten wollen.

Ihre Aydan Özoğuz

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20 Kommentare

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  • "Deshalb bin ich etwas verwundert, dass Sie ausgerechnet mir vorwerfen, Ihnen „Steine in den Weg“ zu legen."

     

    Hahaha.

    Für mich ein erschreckend schönes Beispiel für eine Fakekontroverse.

  • Ab morgen Geschichte.

  • Es ist sehr gut und wichtig für Menschen in unserem Land, dass Journalistinnen und Journalisten wie Frau Sibel Schick sich für Menschen einsetzen und Politiker direkt ansprechen! Und es ist sehr gut und wichtig für unser Land, dass Politikerinnen und Politiker wie Frau Aydan Özoğuz für ein Dialog offen sind!

     

    Das schafft Vertrauen, Beliebtheit allgemein in der Bevölkerung und gibt Hoffnung Menschen, die Hilfe brauchen! Und außerdem ist das von Politikerinnen und Politikern ausdrücklich erwünscht!

     

    Zitat der Worte eines früheren Bundespräsidenten, die an alle Menschen in unserem Land gerichtet sind:

     

    „Gustav Heinemann hat einmal vom Grundgesetz als einem großen Angebot gesprochen. Damit meinte er nicht, dass der Staat und seine Ordnung ein Supermarkt sei, aus dem sich jeder nach seinen Bedürfnissen – oder sogar darüber hinaus – bedienen solle. Im Gegenteil: Das Angebot, das uns das Grundgesetz macht, ist eine Aufforderung, das Gemeinwesen aktiv mitzugestalten. Möglichst viele sollen sich in die öffentlichen Angelegenheiten einmischen, weil es um ihre Lebensbedingungen geht und um ihre Zukunftschancen.

     

    Das große Angebot, das uns das Grundgesetz macht, ist ein Aufruf zu aktiver Teilhabe. Das gilt für die Mitarbeit in Parteien und Vereinen, in Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen. Das gilt für das Engagement in Kirchen, in Verbänden und in Stiftungen.

     

    Das Grundgesetz ist nicht der Staat. Aber mit unserem Grundgesetz können wir gut Staat machen. Dazu brauchen wir Bürgerinnen und Bürger, die nicht darauf warten, dass die anderen etwas machen, sondern die begreifen, dass der Staat die Sache aller ist.“

  • Wir sind seit dem Endsieg 1945 eigentlich Experten. 1933 wurde der Führer in Deutschland vom "Volk der Dichter und Denker" demokratisch gewählt. Daraus können wir auch heute noch lernen.

    Berthold Brecht hat das Problem nach dem Krieg unter dem deutschen Text "Flüchtlingsgespräche aufgeschrieben:

    Über Pässe

     

    Der Große

    Das Bier ist kein Bier, was dadurch ausgeglichen wird, daß die Zigarren keine Zigarren sind, aber der Paß muß ein Paß sein, damit sie einen in das Land hereinlassen.

    Der Untersetzte

    Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen.

    Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch.

    Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.

    Der Große

    Man kann sagen, der Mensch ist nur der mechanische Halter eines Passes. Der Paß wird ihm in die Brusttasche gesteckt wie die Aktienpakete in das Safe gesteckt werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertgegenstände enthält.

    Der Untersetzte

    Und doch könnt man behaupten, daß der Mensch in gewisser Hinsicht für den Paß notwendig ist. Der Paß ist die Hauptsach, Hut ab vor ihm, aber ohne dazugehörigen Menschen wär er nicht möglich oder mindestens nicht ganz voll. Es ist wie mit dem Chirurg, er braucht den Kranken, damit er operieren kann, insofern ist er unselbstständig, eine halbe Sach mit seiner Studiertheit, und in einem modernen Staat ist es ebenso; die Hauptsach ist der Führer oder Duce, aber sie brauchen auch Leu zum Führen. Sie sind groß aber irgend jemand muß dafür aufkommen, sonst geht's nicht.

     

    Bertold Brecht

    Flüchtlingsgespräche

    SUHRKAMP VERLAG Berlin und Frankfurt am Main 1961

     

    Ich selbst bin anerkannter Flüchtling aus dem Land, aus dem auch unsere aktuelle Kanzlerin ist.

    • @Peter Meisel:

      Also, Sie stehen im Gegensatz zu 80 % der ostdeutschen Arbeiterklasse, die für die Wende zum westdeutschen Konsumparadies die Füße in die Hände nahm und nicht schnell genug bei Familie Quandt und Siemens sein konnte! (?)

  • Man kann sich auch selbst von der politischen Partizipation ausschließen.

     

    Wenn sich eine Mehrheit der Wahlbeteiligten mit türkischen Hintergrund für ein Ende von bürgerlicher Demokratie und für eine Diktatur in der Türkei entscheidet, dann gab es auch keine gesellschaftliche und politische Integration in Deutschland. Damit ist deren Integration in die bürgerliche Demokratie der Bundesrepublik gescheitert.

     

    Diese Menschen erhalten in ihrer großen Mehrheit alle sozialen und bürgerlichen Rechte in Deutschland. Zugleich verweigern sie mit ihrer Wahlentscheidung den türkischen Staatsbürgern eine entsprechende politische Beteiligung und Gestaltung der Gesellschaft. Hier ist nachweislich seit den 1960er Jahren, seit zwei Generationen, heute in der dritten Generation, jede bürgerlich-ideologische und gesellschaftspolitische Integration gescheitert.

     

    So zeigt es sich auch im Rechtsverständnis, wenn eine Mehrzahl von (religiösen) Muslimen die bürgerliche Rechtsprechung missachtet und islamisches Recht bevorzugt. Gleiches gilt auch für weit verbreitete antisemitische Einstellungen und eine patriarchale Frauenfeindlichkeit.

     

    In einer Diskussion über die Gleichstellung der Frau, behauptete mein damaliger (muslimischer) Kollege, er sei auch 'für die Gleichstellung'. Aber 'der Mann' steht immer noch (etwas) 'über der Frau'. Diese Vorstellung, auch unter den Bürgern türkischer Herkunft und deren in Deutschland geborenen Kindern, gilt es mit weltlicher Bildung und Aufklärung zu durchbrechen.

     

    Dazu gehört auch die Beseitigung der Eigengerichtsbarkeit, außerhalb der bürgerlichen Rechtsprechung, so wie sie aus einer feudal-archaischen Kultur und Familienprägung transformiert und beibehalten wurde. Im Zusammenhang mit der real existierenden Integrationsproblematik von Flüchtlingen, Kriegs- und wirtschaftlichen Krisenopfern, stellen sich hier verstärkt entsprechende Integrationsaufgaben erneut, die es auch im Interesse der ganzen Gesellschaft in Deutschland zu lösen gilt.

    • 8G
      82278 (Profil gelöscht)
      @Reinhold Schramm:

      Ihren Optimismus möchte ich haben.

       

      Aber in der Tat hochinteressant welche Aufgaben uns in Deutschland bevorstehen. Wir hatten früher auch einfach zuviel freie Zeit.

  • Um ehrlich zu sein verstehe ich nicht, was die Staatsbürgerschaft an mangelnder oder gelingender Integration bewirken soll. Ich hatte in der Schule einige Mitschüler, die griechische, türkische oder damals noch jugoslawische Staatsbürgerschaft hatten und top integriert waren. Genauso scheint es andersrum auch Beispiele zu geben wo es genau andersrum ist. Ich bin zwar dafür, mehr Flüchtlinge auszunehmen und im Prinzip jeden herkommen zu lassen der möchte. Aber ich denke es ist nicht sinnvoll, wenn all jene zu Deutschen werden. Warum denn?

    • @Nobodys Hero:

      Frankreich beweist, dass Sie recht haben. Frankreich verteilt großzügig Staatsbürgerschaften, hat aber eher mehr Probleme als Deutschland. Die Schweiz ist total restriktiv, hat aber tendenziell weniger Probleme. Offenbar gibt es für die Integration relevantere Sachen.

    • @Nobodys Hero:

      Ganz aktuell: Wahlrecht?

      • @lions:

        Ok, klar das Wahlrecht, ist eigentlich das einzige Argument. Aber das kann doch nicht das einzige sein.

         

        Ich meine es wirkt auf mich immer so, als wäre es ein Manko Ausländer zu sein und jeder müsse nur schnellstmöglich Deutscher werden, als wäre das die Höchste Ehrung überhaupt.

         

        Dieses Erhöhen des Deutschen stört mich einfach. Ein Kameruner ist doch nicht schlechter als ein Deutscher.

    • @Nobodys Hero:

      *aufzunehmen!!!

      Sollte es heißen!! Nicht "auszunehmen"

       

      Ich bitte mein Faux Pas zu entschuldigen! :)

      • @Nobodys Hero:

        Ihr "Faux Pass" ;-) Beispiel: Die Eltern Jahrzehnte in Deutschland, aber ohne Staatsbürgerschaft & ohne Wahlrecht; ihre Mitschüler mit gleicher Perspektive. Aber dolle integriert? Krass.

      • @Nobodys Hero:

        Natürlich werden sie als Arbeitskraft bevorzugt gerne 'ausgenommen'! So meine Erfahrung seit fünfzig Jahren mit migrantischen Arbeitskräften und "Gastarbeitern". Die härtesten körperlichen Arbeiten und die schlechteste Bezahlung! Analog auf dem Wohnungsmarkt!

        • @Reinhold Schramm:

          Das kommt drauf an, in welcher Branche Sie arbeiten. In manchen Branchen bekommen migrantische Arbeitskräfte die beste Bezahlung, nur deshalb kommen sie. Die Unternehmen konkurrieren dort international um die besten Köpfe.

  • ...was will man mir eigentlich mit dem ganzen Geschreibe hier sagen?

    Außer, dass auch eine SPD nie ein Einwanderungsgeetz geschaffen hat!?

    Das hätten wir schon in den 60igern ge braucht

    • @Klaus W. Knabenschuh:

      Man will Ihnen nichts sagen, diese Zeilen richteten sich an Frau Schick.