Autofreie Friedrichstraße: Senator teilt Anrainer-Kritik
Stephan Schwarz fordert, auch wirtschaftliche Auswirkungen zu berücksichtigen. Der Abschlussbericht zum Projekt „Flaniermeile“ soll Montag vorliegen.
Berlin taz | Wirtschaftssenator Stephan Schwarz hat sich im Streit über die Zukunft der derzeit teilweise autofreien Friedrichstraße im Bezirk Mitte auf die Seite protestierender Anlieger gestellt. „Ich teile die Einschätzung, dass auch die wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden müssen“, sagte der von der SPD gestellte Senator am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. „Autofreie Verkehrslösungen können nur gemeinsam mit den Anrainern umgesetzt werden.“ Die Einzelhändler, mit denen er im Gespräch sei, würden sich wünschen, mehr eingebunden zu werden.
Im Parlament hatte ihn nicht etwa die Opposition, sondern die SPD-Fraktion nach seiner Haltung zu dem Projekt gefragt, das auf Drängen des grünen Koalitionspartners im August 2020 unter dem Titel „Flaniermeile“ begann.
Am Montag hatte ein Bündnis „Rettet die Friedrichstraße“ Daten vorgestellt, denen zufolge die Friedrichstraße seit Versuchsbeginn Besucher verloren hat. Der Rückgang soll nicht an der Coronapandemie liegen, die zum Start schon bestand. Bei einer Befragung hätten von 46 Geschäftsbetreibern nur zwei den Versuch positiv bewertet, 34 hingegen negativ. Das Bündnis bilden der Verein DIE MITTE, der Wirtschaftskreis Mitte und drei Bündnisse zum Gendarmenmarkt.
FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sprach im Ausschuss von 15 Händlern, die schließen würden. Das Bündnis schreibt auf seiner Internetseite: „Was von der Politik als Erfolg verbucht wird und noch ausgeweitet werden soll, erklären hier ansässige mittelständische Unternehmen, Gewerbetreibende, Hotellerie, Gastronomen sowie Anrainer für gescheitert.“
Auf den Weg gebracht hatten das Projekt der Bezirk Mitte und die Senatsverwaltung für Verkehr, beide grün geführt, damals noch mit Regine Günther als Senatorin. Wiederholt war in der Folgezeit auch bei der SPD Kritik an zu schnell fahrenden Radlern zu hören – offiziell gilt ein Höchsttempo von 20 km/h.
Günthers Nachfolgerin Bettina Jarasch bewertet das Projekt zwar als gut, hat aber ein „Gesamtkonzept“ ankündigt, das weitere Straßen und den Gendarmenmarkt einbeziehen soll. Schwarz’ Staatssekretär Michael Biel verwies auf den Abschlussbericht des Projekts: „Am 2. Mai wird dazu etwas vorgestellt.“
Leser*innenkommentare
cuba libre
„Ich teile die Einschätzung, dass auch die wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden müssen“,
Mit anderen Worten, eine Schnapsidee!
rero
Bei dem Artikel musste ich Schmunzeln, weil ich genau das erwartet habe.
Fußgängerzonen zum Einkaufen sind 70er.
Sie liefen oft nicht.
Die Fußgängerzone wurde eingerichtet auf Wunsch der anliegenden Geschäfte, und aus dem gleichen Grund wird sie auch wieder abgeschafft werden.
Das Foto zeigt gut, was das Problem ist.
Die Straße ist einfach unfreundlich und überwiegend hässlich.
Ein Fahrradweg, der die Straße durchschneidet und auf dem sich natürlich die wenigsten an die vorgeschriebenen 20 km/h halten.
Der freigewordene Platz wurde zugepflastert mit Werbeträgern und Gastronomiebereichen.
Wer dort wirklich schlendern will, hat eigentlich genauso wenig Platz wie vorher.
Schöner ist dort auch nichts geworden.
Mit Autoverkehr war die Friedrichstraße dort weder für Radfahrer noch für Fußgänger wirklich schlimm.
Die U-Bahneingänge auf der Fahrbahnmitte verhinderten, dass dort schnell gefahren wurde.
Ich bin dort mehrere Jahre lang jeden Morgen mit dem Fahrrad durchgekommen und fand es mit Autos recht entspannt.