Abgang von Verkehrssenatorin Günther: Und wer kommt jetzt?

Regine Günther hatte es als Berlins Verkehrs- und Klimasenatorin nicht leicht. Und die optimale Nachfolgerin steht nicht zur Verfügung.

Zwei Frauen auf Fahrrädern

Wahrscheinlich kein Symbolbild: Regine Günther (im Hintergrund), Monika Herrmann (im Vordergund) Foto: dpa

Leicht hatte sie es nie, die scheidende Verkehrs-, Umwelt- und Klimasenatorin. Als die Grünen Ende 2016 Regine Günther nach Berlin holten, weil sie im eigenen Landesverband niemanden fanden, bei dem Kompetenz und Proporz zusammenpassten, schlug der Pfälzerin fast augenblicklich Häme entgegen. Denn während sie beim Klimaschutz eine ausgewiesene Expertin war, musste sie in Sachen Straße und Schiene erst einmal passen. Stellvertretend für viele war das vergiftete Lob von Mega-Aktivist Heinrich Strößenreuther in einem taz-Interview: „Das Thema Verkehr zu übernehmen, ohne viel Ahnung davon zu haben, da muss ich sagen: Chapeau!“

Zwar ist es der Job von PolitikerInnen, sich Fachkenntnisse schnell zu erarbeiten und vor allem fachliche Entscheidungen klug zu delegieren. Trotzdem wurde Günther bis zu ihrem am Donnerstag verkündeten Rückzug von den meisten Berliner Stakeholdern als Fehlbesetzung kritisiert – mehr oder weniger offen.

Dass sie in der Mitte ihrer Amtszeit ihrem damals schwer erkrankten Staatssekretär Jens-Holger Kirchner kündigte, der gefühlt jede Tramweiche in der Stadt persönlich kennt, war da wahrscheinlich mehr als nur ein Fehler im menschlichen Umgang.

Umgekehrt muss man Regine Günther zugute halten, dass die Erwartungen der Zivilgesellschaft zu ihren Themen bei ihrem Amtsantritt vor fünf Jahren enorm hoch waren – und seitdem kontinuierlich gewachsen sind. So gesehen war es das Schicksal der Senatorin, gefühlt immer zu spät und zu wenig zu liefern, ob beim Radverkehr oder dem Tramnetz.

Sie wird nun auch keine Gelegenheit mehr haben, die Früchte des von ihr geleisteten personellen Aufbaus der Verwaltung für die Verkehrswende und der massiven Investitionen in den ÖPNV zu ernten.

Die Klimanotlage durchgeboxt

Beim Umwelt- und Klimaschutz ging die kritische und aktivistische Öffentlichkeit etwas milder mit der Senatorin ins Gericht, obwohl sich diese Themen von denen der Mobilitätswende immer weniger trennen lassen. Mit CO2-Budgets und Co. kannte Günther sich aus, und sie schaffte es immerhin, gegen massive Widerstände aus der SPD eine „Klimanotlage“ mit dem dazugehörigen Maßnahmenpaket durchzuboxen.

Am Ende wurde sie dann aber doch wieder rasant überholt, zumindest was die Ziele angeht: Das Volksbegehren, das Berlin schon 2030 klimaneutral machen will, nimmt für sich wissenschaftlich belegte Alternativlosigkeit in Anspruch. Wenn Günther dann wie zuletzt gegenüber der taz sagte, echte Radikalität liege nun mal darin, das maximal Machbare umzusetzen und nicht nach Gusto Forderungen aufzustellen, klang das gleichzeitig angenehm nüchtern und – für viele zumindest – unverzeihlich mutlos.

Wer Regine Günther jetzt nachfolgt, ist für die Grünen, aber auch für die Stadt entscheidend – wenn man davon ausgeht, dass es mindestens zwei Legislaturperioden braucht, um die Verkehrs- und Klimawende so sehr voranzubringen, dass sie irreversibel werden.

Dass Monika Herrmann, die scheidende Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, es gemäß mehrfach wiederholtem Bekunden nicht machen will, ist bedauerlich: Die Frau kennt sich aus, weiß was sie will und hat Biss.

Insofern ist folgerichtig, was ADFC-Chef Frank Masurat gerade noch einmal im taz-Interview gesagt hat: In Herrmanns Bezirk herrsche „ein anderes Miteinander, eine andere Führungskultur, ein klares Bekenntnis zur Verkehrswende, das die Menschen, die dort arbeiten, auch begeistert“. Wenn Herrmann das nicht in die gesamte Stadt tragen will (was ihr gutes Recht ist), bleibt die Frage, wer das ebenso kann. Bislang ist noch niemand in Sicht.

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