Autofahren mit Handys und Tablets: „Eine SMS, 100 Meter Blindflug“
Wer telefoniert und dabei Auto fährt, zahlt bald mehr. Auch Bußgelder für Tablets findet Tobias König vom Club Mobil in Deutschland richtig.
taz: Bundesverkehrsminister Dobrindt will jetzt auch den Gebrauch von Tablets am Steuer unter Strafe stellen. Was halten Sie davon?
Tobias König: Es ist wichtig, dass gesetzliche Lücken, die durch technische Neuerungen auftreten, geschlossen werden. Tablet-PCs bedeuten wie Smartphones eine extreme Ablenkung im Straßenverkehr. Auch die Erhöhung der Geldbußen von 60 auf 100 Euro ist für uns absolut nachvollziehbar – solange es zu mehr Sicherheit beiträgt. Allerdings brauchen wir dafür nicht nur höhere Strafen. Mindestens genauso wichtig ist es, ein Bewusstsein für die Gefahr zu schaffen.
Wie gefährlich ist es, im Auto auf das Handy zu schauen?
Wenn Sie bei Tempo 50 ihr Handy für zwei Sekunden benutzen, bedeutet das 30 Meter Blindflug. Sie sind so stark abgelenkt, dass Sie auch einfach die Augen schließen könnten. Bei 120 Stundenkilometer führt das Lesen einer SMS für drei Sekunden zu 100 Metern Blindflug. Häufig sind es nur Sekundenbruchteile, die darüber entscheiden, ob Sie auf eine plötzliche Gefahr reagieren können. Wir gehen von mindestens 500 Verkehrstoten im Jahr durch Ablenkung am Steuer aus.
SMS am Steuer schreiben halten viele für ihre leichteste Übung. Was sagen Sie dazu?
Ich denke, dass das Unterbewusstsein und die Wahrnehmung vielen Menschen einen Streich spielt. Sie meinen, sie können SMS lesen und fahren, da es ja schon so oft gut gegangen ist. Aber setzen Sie diese Person mal in einen Fahrsimulator und erzeugen eine Gefahrensituation mit gleichzeitiger Bedienung des Handys am Steuer. Diese Person hat keine Chance.
Macht es rechtlich einen Unterschied, ob ich das Handy in einer Halterung befestige?
In der aktuellen Straßenverkehrsordnung geht es nur um das Mobiltelefon in der Hand. Das heißt, es ist beispielsweise verboten, mit dem Mobiltelefon zu schreiben oder auch einfach nur auf die Uhr zu schauen – solange Sie es in der Hand halten. Wenn Sie das Smartphone allerdings in einer Halterung befestigen, gibt es kein konkretes Gesetz, das eine Bedienung verbietet. Grundsätzlich erlaubt sind Sprach- oder Gestensteuerung.
Darf ich an einer roten Ampel meine Emails checken?
Das Kriterium ist nicht, ob wir uns im Stand befinden oder während der Fahrt, sondern ob der Motor läuft. Das heißt, wenn Sie den Motor ausschalten oder Ihr Auto über eine Start-Stop-Automatik verfügt, ist das Handy an der roten Ampel erlaubt – obwohl das natürlich auch eine Ablenkung ist.
Tobias König (29) ist Projektmanager beim Automobilclub Mobil in Deutschland e. V. und leitet die Verkehrssicherheitskampagne „Be smart! Hände ans Steuer – Augen auf die Straße“
Haben Sie den Eindruck, dass mittlerweile ein Bewusstsein für diese Gefahr besteht?
Viele Leute sind sich der Gefahr bewusst und es gibt nur wenige, die mit dem Thema nichts anfangen können – eher im Gegenteil. Aber auch wenn ich immer wieder höre „Ja, es ist gefährlich“ – die Menschen tun es dann trotzdem. Sie benutzen ihr Handy automatisch, weil sie es aus dem Alltag so gewohnt sind. Für sie es ist zu verführerisch während der Fahrt mal eben schnell eine Nachricht zu beantworten.
Wie erreicht man, dass diese Menschen umdenken?
Wir versuchen ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen und die Menschen zu sensibilisieren. Das ist ein langer Weg und dafür sind sicher auch Kontrollen wichtig. Aber man muss unterscheiden zwischen einem Bewusstsein für die Gefahr und einer Abschreckung durch Strafe. Wenn Sie ausschließlich mit Strafen vorgehen, wird es immer Leute geben, die versuchen zu tricksen, um nicht erwischt zu werden. Aber sie haben die Gefahr nicht verinnerlicht. Das ist eine ganz andere Motivation und Intention. Letztendlich brauchen wir eine Bewusstseinsänderung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Autounfälle
Das Tötungsprivileg