Auto-Kommentar: Öko darf kein Luxus sein
BMW, Daimler und VW haben eingesehen, dass Klimaschutz eine Chance für Absatzsteigerungen bieten. Warum muss es wieder teure Hightech sein?
D ie deutsche Automobilindustrie ist anscheinend doch lernfähig. Auch BMW, Daimler und VW haben endlich eingesehen, dass Umwelt- und Klimaschutz die Geschäfte nicht behindern, sondern eine große Chance für Absatzsteigerungen bieten. Wer die wachsende Sensibilität der Kunden für sparsame Motoren und bessere Filtertechnik bedient, kann das als Marketingargument nutzen. Japanische und französische Hersteller haben das mit Hybridantrieb und Rußpartikelfilter vorgemacht. Jetzt ziehen die Deutschen nach und präsentieren auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt allerlei Hightech, um ihr Klimaschweine-Image abzulegen.
Stephan Kosch ist stellvertretender Ressortleiter des Wirtschaftsressorts der taz.
Zwei Fragen müssen sich die Vorstände von Daimler und Co allerdings gefallen lassen. Die erste: Warum erst jetzt? Dass Öl teuer wird und der Ausstoß von Kohlendioxid begrenzt werden muss, ist seit Jahren bekannt. Auch in den Chefetagen der Konzerne, denn sonst hätte zum Beispiel VW nicht bereits auf der IAA 1992 den Stadtwagen Chicco, ein Leichtgewicht von 830 Kilogramm mit Hybridmotor, vorgestellt. Doch das zukunftsträchtige Konzept wanderte ins Werksmuseum. VW muss nun mit einem sparsamen Dieselmotor verlorenes Ökoterrain zurückerobern.
Die zweite Frage: Warum muss es wieder teure Hightech sein? Daimler erhöht seinen Forschungsetat, Audi verkündet stolz die Einstellung von 600 Akademikern zur "Steigerung der Innovationskraft". Deren erster Job war zwar die Enthüllung des Audi RS 6 mit 580 PS und einem Verbrauch von knapp 14 Litern auf 100 Kilometer. Aber vielleicht arbeiten die Nachwuchsingenieure demnächst an spritsparenderen Modellen, die Audi ja auch im Programm hat.
Niemand hat etwas gegen einen Vorsprung durch Technik, bei welchem Hersteller auch immer. Aber er darf das Ökoauto nicht zum Luxusgut werden lassen. Das ging schon beim 3-Liter-Lupo schief. Es geht ja auch anders. Die Uni Aachen hat einen Golf mit Teilen umgerüstet, die bereits auf dem Markt sind. Der Kohlendioxidausstoß liegt nun unter dem geplanten Grenzwert der EU. Die Mehrkosten für den Kunden sollen bei gerade mal 500 Euro liegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut