Auswirkungen der Hitzewelle auf Städte: Heißes Eisen
Bis zu 15 Grad kann der Temperaturunterschied zwischen Städten und Umland betragen. Expert*innen fordern einen nationalen Hitzeschutzplan.
Am gefährlichsten ist die Hitze, wenn sie am wenigsten offensichtlich ist: nachts, wenn von der Sonne nichts zu sehen ist. Wenn die Thermometer dann immer noch mehr als 20 Grad messen, ist die Rede von einer Tropennacht. Für den Körper ist das besonders belastend. Er braucht die nächtliche Kühle zwischen zwei Hitzetagen.
Beides, also Tropennächte und Hitzetage, erlebt auch Deutschland durch den Klimawandel immer häufiger. Das Land hat sich laut dem Deutschen Wetterdienst insgesamt schon um 1,6 Grad erwärmt, also noch mehr als der globale Durchschnitt von etwa 1,2 Grad. Besonders trifft die Hitze aber Städte. Beton, Glas, Asphalt und Stahl saugen die Hitze auf und geben sie auch nachts nur schlecht wieder ab.
Bis zu 15 Grad kann der Temperaturunterschied zwischen den urbanen Hotspots und dem Umland betragen, hat kürzlich die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission ermittelt. In einer Studie haben die Wissenschaftler:innen weltweit Satellitendaten zur Temperatur ausgewertet.
Das Phänomen hat einen Namen: urbaner Hitzeinseleffekt. Damit zufriedengeben, dass Städte im Sommer nun mal zu Todesfallen werden, muss man sich aber nicht. „Wir sind dem Hitzeinseleffekt nicht schutzlos ausgeliefert“, sagt etwa Dirk Messner, Chef des Umweltbundesamts. „Mit deutlich mehr Grün, vor allem neuen Bäumen und mehr Verschattung durch außenliegenden Sonnenschutz sowie Dach- und Fassadenbegrünung lässt sich der Aufenthalt im Freien und die Temperaturen in den Wohnungen wesentlich angenehmer gestalten.“
Auch einfache Maßnahmen in Städten können helfen
Grünflächen machen die Stadt also nicht nur hübscher – sondern auch gesünder. „Neben neuen Bäumen müssen wir vor allem den alten Baumbestand in den Städten schützen“, meint der Experte.
Die Hitze belaste insbesondere „vulnerable Gruppen in stark verdichteten Innenstädten“, heißt es bei seiner Behörde, die im Juni eine Studie dazu veröffentlicht hat, wie die Städte sich an die zunehmende Hitze anpassen können. Gemeint sind diejenigen, die eben in den besonders grauen Gegenden wohnen. Das ist die soziale Komponente der Hitze: Sie trifft arme Menschen besonders, die nicht einfach in die teuren, grüneren Kieze oder ins Villenviertel ziehen können.
Auch sonstige Maßnahmen können laut der Studie die Temperatur in der Stadt senken. Dazu gehören schon vergleichsweise einfache Maßnahmen wie helle Fassadenfarben. Außerdem wirkt sich natürlich auch eine bessere Dämmung positiv aus. Was im Winter beim Heizenergiesparen hilft, macht also im Sommer auch die Hitzewelle etwas harmloser.
Für manche Gegenden, allerdings eher im subtropischen Raum, attestiert die Studie auch, dass es wohl ohne Klimaanlage nicht geht. Der Nachteil: Die Geräte fressen viel Strom und sind deshalb kein Allheilmittel. Für Deutschland kommt das Umweltbundesamt deshalb zu dem Schluss, dass sie höchstens etwa in Dachgeschosswohnungen zum Einsatz kommen sollten.
Dass Deutschland sich dringend auf die Hitze einstellen muss, sieht auch eine Gruppe so, die qua Beruf nicht an den starken Auswirkungen auf die Gesundheit vorbeikommt: Ärzt:innen. „Hitzewellen werden immer häufiger und extremer“, warnt etwa Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Neben baulichen Maßnahmen wünscht er sich, dass die Bundesregierung besser plant, was im Akutfall einer Hitzewelle zu tun ist. „Wir brauchen dringend einen nationalen Hitzeschutzplan auf Bundesebene.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen