Auswirkungen der Coronapandemie: Sinkende Lebenserwartung
Länder wie Dänemark und Norwegen kamen gut durch die ersten Coronajahre. Viel schlechter entwickelte sich die Lage in Osteuropa.
„Die periodische Lebenserwartung ist ein zusammenfassendes Maß für den aktuellen Gesundheitszustand der Bevölkerung; wenn die Sterblichkeit in einer Bevölkerung zunimmt, sinkt die Lebenserwartung“, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Human Behaviour“. Sie untersuchten die Entwicklung in 29 Staaten in den Jahren 2015 bis 2021, mit besonderem Augenmerk auf die beiden Pandemiejahre. Neben vielen europäischen Staaten bezogen Schöley und Kollegen auch die USA und Chile ein.
Belgien, Frankreich, Schweden und die Schweiz konnten das Sinken der Lebenserwartung im Jahr 2020 durch eine Steigerung der Lebenserwartung im folgenden Jahr demnach weitgehend ausgleichen. Auch Italien und Spanien zeigten 2021 eine deutliche Anhebung der Lebenserwartung, haben allerdings beide in der Summe der Pandemiejahre 7,4 Monate eingebüßt. Vor allem osteuropäische Staaten, mit Ausnahme Sloweniens, hatten in beiden Pandemiejahren eine Verringerung der Lebenserwartung zu verbuchen, beispielsweise in der Slowakei um 33,1 Monate. Das trifft zwar auch auf Deutschland zu, aber in erheblich geringerem Ausmaß (5,7 Monate). In den USA sank die Lebenserwartung 2020 und 2021 um 28,2 Monate.
In Dänemark, Finnland und Norwegen nur geringfüge Auswirkung
Während 2020 vor allem Menschen im Alter von 60 oder mehr Jahren starben, erhöhte sich 2021 die Sterberate bei den Unter-60-Jährigen. Das führen die Studienautoren unter anderem auf den besseren Impfstatus der älteren Bevölkerung im zweiten Pandemiejahr zurück. Insgesamt fanden sie einen deutlichen Zusammenhang zu den Impfungen: Je geringer der Anteil der vollständig Geimpften in einer Bevölkerung war, desto stärker sank auch die Lebenserwartung. In den meisten Staaten vergrößerte sich zudem der Unterschied zwischen den Lebenserwartungen von Frauen und Männern, besonders in den USA: Hatten Frauen vor der Pandemie eine um 5,72 Jahre höhere Lebenserwartung als Männer, so waren es 2021 nun 6,69 Jahre.
In Dänemark, Finnland und Norwegen änderte sich die Lebenserwartung während der Pandemie nur geringfügig. „Hier können wir die Kombination von Kampagnen sehen, die Impfstoffe schneller an mehr Menschen als im Durchschnitt der Europäischen Union lieferten, mit wirksamen nicht pharmazeutischen Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und hohen Basiskapazitäten der Gesundheitssysteme.“ In den USA hingegen verstärkte sich ein Trend, der sich schon vor der Pandemie abzeichnete: ein Sinken der Lebenserwartung im Erwerbsalter. Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes könnten mit Gründe dafür sein.
Durch statistische Analysen ermittelten die Forscher, dass das Sinken der Lebenserwartung überwiegend auf Covid-19 als Todesursache zurückzuführen war. Eine Ausnahme bilden demnach die Niederlande, wo die Verringerung der Lebenserwartung 2021 zu 51,7 Prozent auf andere Ursachen als Covid-19 zurückging.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die periodische Lebenserwartung in anderen Ländern als den untersuchten noch stärker zurückgegangen sein könnte. „Im Jahr 2020 überstiegen die in Brasilien und Mexiko erlittenen Verluste der Lebenserwartung die in den USA erlittenen Verluste, so dass es wahrscheinlich ist, dass diese Länder im Jahr 2021 weiterhin unter den Auswirkungen der Sterblichkeit gelitten haben – möglicherweise sogar über die von uns für Bulgarien geschätzten 43 Monate hinaus“, erklärt José Manuel Aburto von der University of Oxford (Großbritannien), einer der Koautoren der Studie.
Das Team um Schöley verglich den Rückgang der Lebenserwartung mit anderen Ereignissen in den vergangenen 120 Jahren. Demnach sorgten nur die beiden Weltkriege und die Spanische Grippe 1918 für einen stärkeren Verlust bei der Lebenserwartung in Europa. „Die Covid-19-Pandemie führte zu einem weltweiten Anstieg der Sterblichkeit und einem Rückgang der periodischen Lebenserwartung, die in den letzten 70 Jahren beispiellos waren“, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
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