Australische Visa und Tennisstar Ðoković: Politik der Abschreckung
Der Verbleib des ungeimpften Tennisstars Novak Ðoković in Australien hängt allein vom Minister Alex Hawke ab. Das ist ein grundsätzliches Problem.
Ðoković war in der vergangenen Woche die Einreise ins Land verweigert worden, weil er nicht gegen das Coronavirus geimpft ist und den Behörden die Dokumentation seiner medizinischen Ausnahmegenehmigung nicht ausreichte. Weil die Grenzbeamten ihm nicht die vereinbarte Zeit zur Klärung zugestanden hatten, wurde die Entscheidung von einem Gericht am Montag gekippt. Minister Hawke hat aber noch die Möglichkeit, Ðoković das Visum zu entziehen.
Dass ein Politiker sich beklagt, er habe zu viel Macht, kommt eher selten vor. Doch genau das kritisierte 2008 der ehemalige australische Einwanderungsminister Chris Evans. Das Migrationsgesetz habe ihm als Minister enorme Befugnisse gegeben – buchstäblich über Leben und Tod. „Ich fühlte mich dabei nicht nur unwohl, weil ich Bedenken habe, Gott zu spielen, sondern auch wegen der mangelnden Transparenz und Rechenschaftspflicht für diese ministeriellen Entscheidungen und des Fehlens von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidungen in einigen Fällen“, so der Sozialdemokrat.
Im Fall Ðoković steht viel Geld auf dem Spiel und vielleicht ein Verlust der Ehre. Für andere, deren Akten auf dem Tisch des Ministers zur Beurteilung liegen, geht es um die Existenz. Falls ein zuvor von Bürokraten abgelehnter Antrag auf Asyl durch den Minister in letzter Instanz bestätigt wird, ist das Schicksal des Antragstellers in der Regel besiegelt. Werden sie abgeschoben, droht ihnen in den Herkunftsländern vielleicht Folter und Tod. Können sie aus diesem Grund nicht sofort deportiert werden, müssen sie in schäbigen Hotels ausharren. Im Hotel in Melbourne, in dem Ðoković untergebracht war, warten einige Internierte schon seit neun Jahren auf ihre Abschiebung.
Harte Hand gegen Schutzsuchende
Während die Minister sozialdemokratischer Regierungen das „ministeriale Ermessen“ selten nutzten, entscheiden Amtsträger der Konservativen Partei regelmäßig persönlich über das Schicksal von Antragstellern. Flüchtlingsorganisationen kritisieren, das Gesetz sei gerade unter der Regierung von Premierminister Scott Morrison zu einem wichtigen Instrument der Abschreckung von Asylsuchenden geworden – Teil der sogenannten Politik der Grausamkeit.
Morrison war jahrelang Immigrationsminister, der sich für seine harte Hand gegen Schutzsuchende gerne selbst lobte. Unter Morrison wurde die seit 1994 geltende Politik der Internierung von Bootsflüchtlingen erst in Lagern in Australien, später auf Inseln wie Nauru und Manus in Papua-Neuguinea verschärft. Offiziell war das Ziel, Nachahmer abzuschrecken.
2001 hatte Morrisons politischer Ziehvater und Ex-Premierminister John Howard mit dem Spruch „Wir entscheiden, wer in dieses Land kommt und unter welchen Bedingungen“ die Wahlen gewonnen. Dieser unerwartete Erfolg wurde fortan zum Treiber konservativer Asylpolitik. Vor ein paar Jahren urteilte die Menschenrechts-NGO Amnesty International nach der Inspektion der Pazifikinsel Nauru, man habe nicht mal in Kriegsgebieten in Syrien und Irak derart inhumane Zustände für Flüchtlinge gesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland