Australien und Google: Medienpolitik für Fortgeschrittene
Australien möchte Tech-Giganten zugunsten der einheimischen Medienhäuser zur Kasse bitten. Wenn das Schule macht, hat Google ein Problem.
N achdem es hier in der vergangenen Woche um Medienpolitik für Anfänger ging, ist jetzt mal die nächste Stufe dran. Dafür lohnt es sich, die Weltkarte auf den Kopf zu stellen und in Australien vorbeizuschauen.
Dort haben sie auch jede Menge Spaß mit Google & Co. Nun will die Politik die Tech-Giganten zugunsten der einheimischen Medienhäuser zur Kasse bitten und den Werbekuchen gerechter verteilen. Denn in Australien bleiben 53 Prozent der digitalen Werbeeinnahmen im Netz-Nachrichtengeschäft bei Google hängen, weitere 28 Prozent gehen an Facebook.
Nur die restlichen 19 Prozent verteilen sich auf alle anderen Player im Markt, von den Zeitungen des internationalen Medienmoguls Rupert Murdoch bis zur öffentlich-rechtlichen Australian Broadcasting Corporation (ABC). In Deutschland kommen Google und Facebook zusammen übrigens auf mindestens 70 Prozent. Jetzt hat das australische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das mal eben eine Lösung schafft. Es geht um so eine Art Leistungsschutzrecht. Aber eines, das funktionieren könnte.
Der „News Media Bargaining Code“ sieht verpflichtende Verhandlungen zwischen Google, Facebook und den anderen Medienunternehmen vor, wie Werbeeinnahmen aufgeteilt werden.
Strafe: zehn Prozent Umsatz weg
Können sich die Beteiligten nicht einigen, folgt ein Schlichtungsprozess. Bei dem spielt letztlich die Kommunikationsbehörde Schiedsrichter und fällt eine verbindliche Entscheidung. Hält sich eine der Seiten nicht daran, sind in einem ersten Schritt zur Strafe schon mal 10 Prozent des Umsatzes weg.
Google und Facebook nehmen das Projekt des liberalen australischen Premierministers Scott Morrison sehr ernst. So ernst, dass sie jetzt damit drohen, ihre Dienste für den fünften Kontinent einfach mal abzuschalten.
Eine Charmeoffensive für Medienhäuser
Das Ganze sei „nicht umsetzbar“, die vorgeschriebene Schlichtung „unfair“. Und aus Googles Sicht ein ganz, ganz schlimmer Präzedenzfall. Denn wenn das Beispiel international Schule macht, bekommt Googles Geschäftsmodell eine fette Delle. Daher läuft gleichzeitig eine Charmeoffensive namens Google News Showcase. Hier bietet Google großen Medienhäusern an, für ihre Inhalte zu bezahlen.
Hört sich irgendwie bekannt an. Auch in Deutschland ist Google seit Oktober 2020 mit solchen News Showcases unterwegs. Und fast alle machen mit – von Spiegel und FAZ bis zu Burda, Funke und Handelsblatt. Von großer Entzückung ist bei den Verlagen allerdings nichts zu spüren. Denn so ein Deal ist kein Deal. Monopole wie Google machen vielleicht ein Angebot, bieten aber keine echten Verhandlungen an. Ein Schiedsrichter ist beim „Showcase“ nirgendwo in Sicht. Es bleibt also beim Friss oder Stirb. Und dagegen hilft, wie in Australien zu sehen, nur Medienpolitik für Fortgeschrittene.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten