Australien schwächt die Verschlüsselung: „Big Brother“ down under
Australien verpflichtet Messaging-Dienste wie Whatsapp oder Telegram, Schwachstellen einzuprogrammieren – damit die Behörden mitlesen können.
Damit ist jetzt Schluss. Am Donnerstagabend, Minuten vor der Sommerpause, verabschiedete Australiens Parlament eine entsprechende Gesetzesvorlage. Geheimdienste und Polizei werden künftig von Soft- und Hardware-Herstellern den Zugang zu verschlüsselten Mitteilungen Verdächtiger verlangen können. Technologie-Anbieter können sogar angewiesen werden, von Geheimdiensten entwickelte Software zu installieren, die Einblick in den Datenverkehr Verdächtiger erlaubt.
Ein Kompromiss der konservativen Regierung mit der oppositionellen Labor-Partei hat zur Folge, dass die weitreichendsten Eingriffe sowohl vom Justizminister als auch vom Kommunikationsminister bewilligt werden müssen. Hersteller sollen nicht verpflichtet werden können, „systemische Schwachstellen“ in ihre Produkte einzubauen.
Bereits am Dienstagabend hatte die sozialdemokratische Opposition dem Gesetz „unter Vorbehalt“ zugestimmt. Man habe sich mit der Regierung geeinigt, die Maßnahmen nur bei „ernsthaften Delikten“ einzusetzen: Terrorismus, sexueller Kindesmissbrauch sowie andere Straftaten, für die eine Haftstrafe von mindestens drei Jahren droht. Laut Regierung könnte es in australischen Städten schon zu Weihnachten zu Terroranschlägen kommen.
„Ein Traum für jeden autoritären Politiker“
„Das Gesetz wird weltweit Konsequenzen haben“, meint ein IT-Experte. „Andere Staaten werden Australien als Vorbild sehen für die Unterminierung der Verschlüsselungsdienste in ihrem Land. ‚Big Brother‘ in WhatsApp zu haben ist ein Traum nicht nur für Internet-Polizisten, sondern für jeden autoritären Politiker“, so der Spezialist.
Lizzie O’Shea von der Verbraucherschutzorganisation Digital Rights Watch spricht von „extrem weitreichenden Befugnissen“ für Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste, um „Verschlüsselung zu unterminieren“. Die diene nicht nur der Kommunikation zwischen Personen: „Unser Bankensystem, unsere Elektrizitätswerke, unser Gesundheitssystem – alle basieren auf Verschlüsselung. Bricht man einmal in ein Verschlüsselungssystem ein oder ist es zur Bekämpfung eines Kriminalfalls geschwächt – so gut gemeint das auch ist –, kann diese Schwächung für jeden Zweck genutzt werden. Sie wird zum Werkzeug für verschiedene Gruppen, inklusive Kriminelle und staatlich gesponserte Terroristen. Man kann diese Schwachstelle nicht mehr kontrollieren“.
Eine Allianz großer Technologie-Konzerne wie Google, Facebook und Twitter nannte das Gesetz eine „reale Gefahr für die australische IT- und Kommunikationsindustrie“, die Exporte von umgerechnet 2,06 Milliarden Euro im Jahr generiere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen