Bürgerrechte in Australien: Vorwärts in den Überwachungsstaat

Die konservative Regierung will per Gesetz die Meinungs- und Medienfreiheit weiter einschränken. Die Labor-Opposition macht gerne dabei mit.

Der australische Regierungschef Scott Morrison

Alles unter Kontrolle? Der australische Regierungschef Scott Morrison Foto: ap

CANBERRA taz | Der australische Generalstaatsanwalt hat alle dortigen Auslandskorrespondenten „eingeladen“, sich in ein Register „von Personen einzutragen, die auf Geheiß eines ausländischen Auftraggebers“ tätig sind. So solle der Einfluss fremder Staaten auf Australiens Politik offengelegt werden.

Das Bedürfnis nach mehr Klarheit ist legitim: unlängst waren mehrere Fälle von Spionage und der Beeinflussung australischer Politiker durch ausländische Kräfte bekannt geworden. So musste ein Senator zurücktreten, weil er Geld von einem Geschäftsmann mit engen Kontakten zu Chinas Kommunistischer Partei angenommen hatte.

Deshalb seien jetzt Aktivitäten wie das Lobbying und die Finanzierung von Politikern zu registrieren, aber auch „Kommunikation“, wenn sie der „Beeinflussung von Politik und Regierung diene“, so der Generalstaatsanwalt.

Ausländische Korrespondenten in Australien überlegen nun, ob sie sich registrieren sollen, selbst wenn sie nach journalistischen Regeln und unabhängig von ihrem Heimatmedium arbeiten. Bisher brauchten sie keine amtliche Registrierung.

Vor 9/11 undenkbar

Die Aufforderung aus Canberra gehört zu einer Reihe von Gesetzen und Maßnahmen, mit denen in Australien demokratische Rechte abgebaut werden. Es sei in den letzten Jahren „eine massive Zahl von Gesetzen verabschiedet worden, die vor ‚9/11‘ undenkbar gewesen wären“, sagt Pauline Wright vom Konzil für Bürgerrechte in Sydney.

Die Terrorangriffe in New York von 2001 hätten in Australien eine Flut neuer Gesetze ausgelöst. „Es hat Beschränkungen der Meinungsfreiheit gegeben, der Pressefreiheit, der Bewegungsfreiheit und des Demonstrationsrechts“, so Wright. Kein westlich-orientiertes Land habe unter dem Vorwand „na­tio­naler Sicherheit“ so viele einschneidende Gesetze erlassen wie Australien.

Laut der Aktivistengruppe ­GetUp droht australischen Reportern den neuen Gesetzen zufolge lebenslange Haft, wenn sie die „nationale Sicherheit“ gefährdende Informationen veröffentlichen. Dies gelte bereits, wenn ein Drittland „den Glauben und das Vertrauen in Australien“ verliere, schreibt das Fachmagazin Sydney Criminal Lawyers (SCL).

Das könne über „das Veröffentlichen von Nachrichten“ geschehen, warnt der Generalstaatsanwalt. Laut ­GetUp droht Journalisten Gefängnis, wenn sie über Menschenrechtsverletzungen in von Australien betriebenen Flüchtlingslagern berichteten.

Definition ausgeweitet

Besonders besorgniserregend ist die Ausweitung der gesetzlichen Definition von „nationaler Sicherheit“ auf Wirtschaftsgüter und Handel. „Es ist nun ein Vergehen, etwas zu berichten, das dem Ruf Australiens international schaden könnte – politisch oder wirtschaftlich“, so SCL.

Ein Reporter, der über das unter Korallenbleiche leidende Große Barriere-Riff schreibt, macht sich theoretisch strafbar, weil er potenziell den wirtschaftlich wichtigen Tourismus gefährdet. Journalisten drohten selbst dann Strafen, wenn ihnen Informanten Material zuspielen und sie es auf seine Richtigkeit prüfen, so der Justizkommentator Richard Ackland.

Laut der juristischen Fakultät der University of New South Wales in Sydney wurden in Australien seit 2001 über 50 sogenannte Antiterrorgesetze verabschiedet. Bereits in einer Umfrage von 2016 kam das Institut zum Schluss, dass 350 nationale und regionale Gesetze die demokratischen Rechte und Freiheiten potenziell einschränken.

Amnesty International sieht in den Gesetzen gegen „Fremdeinfluss“ ein „gefährliches Taumeln der Regierung in Richtung Autoritarismus“ und eine Abschottung der Politik von einer Prüfung durch die Zivilgesellschaft.

Klammergriff des Rechtsstaates

Im Parlament hält sich die Kritik in Grenzen: Alle Gesetzesvorschläge der konservativen Regierung wurden auch von der sozialdemokratischen Opposition durchgewunken. Die Laborpartei will sich nicht vorwerfen lassen, im Kampf gegen Terrorismus „weich“ zu sein. Der Klammergriff des Rechtsstaates wird auch auf der Straße immer stärker. Die Regierungen der Bundesstaaten können künftig viel einfacher die Armee bei Demonstrationen einsetzen.

Die Labor-Partei will sich nicht vorwerfen lassen, im Kampf gegen Terrorismus „weich“ zu sein

Ein anderes Gesetz hat im Bundesstaat New South Wales zur Verdoppelung der Zahl der Leibesvisitationen durch die Polizei geführt. Auf Verabschiedung warten Gesetze, die es dem Immigrationsminister erlauben, Australiern die Staatsbürgerschaft zu entziehen, solange der Minister „halbwegs sicher“ sei, dass sie eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen.

Um laut Regierung „Terroristen und Pädophile besser zu verfolgen“, können Software­anbieter, Messaging-Dienstleister und Gerätehersteller seit Dezember von Geheimdienst und Polizei gezwungen werden, ihr den Zugang zu verschlüsselten Mitteilungen Verdächtiger zu verschaffen. IT-Dienstleister können sogar angewiesen werden, vom Geheimdienst entwickelte Software zu installieren.

Derart weitgehende Eingriffe müssen vom Justiz- sowie Kommunikationsminister bewilligt werden. Doch fürchtet die Industrie eine „Schädigung des Rufes australischer Softwareentwickler und Hardware-Hersteller auf internationalen Märkten“, so ein Sprecher. „Das Gesetz wird weltweit Konsequenzen haben“, meinte ein IT-Experte. „Andere Staaten werden Australien als Vorbild sehen für die Unterminierung der Verschlüsselungsdienste in ihrem Land.“

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