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Ausstieg aus fossiler StromerzeugungIns Stromnetz müssen 650 Milliarden Euro fließen

Deutschland muss bis 2045 doppelt so viel wie geplant ins Stromnetz investieren – sonst könne es seine Klimaziele nicht erreichen, so eine neue Studie.

Monteure errichten einen Strommast Foto: Jan Woitas/dpa

Berlin taz | Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, muss es massiv in sein Stromnetz investieren. Das ist das Ergebnis einer Studie die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag veröffentlichte. „Die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft erfordert bis 2045 einen massiven Aus- und Umbau der Stromnetzinfrastruktur, um unter anderem die Elektrifizierung von Verkehr, Industrie und Gebäuden zu bewältigen“, heißt es darin. Die Kosten dafür taxieren die Autoren auf gut 650 Milliarden Euro. Das ist rund doppelt so viel wie derzeit geplant.

Erstellt haben die Studie Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk von der Uni Mannheim sowie Tom Bauermann vom IMK. Die drei Ökonomen berechneten den Finanzbedarf auf Grundlage des Entwicklungsplans für das Übertragungsnetz, in dem der Strom quer durch Deutschland fließt, sowie die Pläne für die Verteilnetze, in denen der Strom an die Verbraucher weitergeleitet wird.

So beinhaltet der aktuelle Netzentwicklungsplan der vier privaten Übertragungsnetz-Betreiber die Vorgaben des Klimaneutralitätsgesetzes sowie das Ziel der Klimaneutralität für den Stromsektor bis 2035. Je nach Szenario steigt demnach zudem der Bruttostromverbrauch zwischen 2023 und 2045 von 525 auf 1.080 bis 1.300 Terawattstunden.

Damit das Übertragungsnetz diese Mehrbelastung bewältigen kann, müssen die Investitio­nen für das Netz schnell und massiv steigen. Laut Studie bedarf es bis 2037 eines Volumens von 19,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr beliefen sich die Investitionen auf rund 8 Milliarden Euro.

Gesamtkosten könnten noch höher sein

Auch in die Verteilnetze müsste deutlich mehr investiert werden. Den Schätzungen zufolge sind bis 2045 gut 323 Milliarden Euro nötig. Jährlich wären das 14,4 Milliarden Euro und damit ungefähr doppelt so viel, wie 2023 in die Verteilnetze floss.

Allerdings warnen die Autoren, dass ihre Schätzung mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. Insbesondere steigende Rohstoffpreise, Liefer­engpässe sowie Verzögerungen bei Genehmigungen könnten die Gesamtkosten noch höher ausfallen lassen.

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14 Kommentare

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  • Hm. Leider wurde auf die Notwendigkeiten dieses Ausbaus hier nur unzureichend und am Rande hingewiesen. Wir sparen uns auf lange Sicht die jährlichen Überweisungen an die Öl und Gas Schurkenstaaten, brauchen aber massive Kupferquantitäten um diesen Netzausbau zu stemmen. Dieses Kupfer kommt entweder aus indigenen Gebieten aus Südamerika oder aus dem Kongo unter massiven Umweltfolgen.

    Wäre Zeit, wieder in Deutschland / EU metallische Rohstoffe zu fördern. Aber dann kommt der BUND und wir können es knicken, dass wir unsere Rohstoffe unter sicheren und fairen Bedingungen gewinnen.

  • Das wäre beherrschbar und besser als dubiosen Scheichs und Kriegszaren Öl und Gas zu bezahlen. Zumal aus Klimaschutzgründen sehr geldsparend.



    Was begleitend u.a. hilft:



    - Autos ganz abschaffen, wo immer möglich, das entlastet die Leitungen



    - generell auf weniger Energieeinsatz, also bessere Effizienz gehen



    - sobald gut profitabel: Batterien zum Puffern



    - dezentralere Lösungen testen.



    Ansonsten ist die Herausforderung bekannt, auch wenn etwa die CSU schleppte, dann los!

    • @Janix:

      Grundsätzlich gute Ideen, nur leider einfach nicht realistisch und von der Politik, egal welcher Couleur, nicht gewollt.

      Die individuelle Mobilität wird in den nächsten Dekaden nicht abnehmen, eher zunehmen. Zunehmen wird auch der Energieverbrauch, trotz vielleicht teilweise besserer Effizienz.



      Grosse Speicherbatterien und dezentrale Produktion von Stom entlasten die Netze und das werden die einzigen Punkte sein, wie man die Probleme in den Griff bekommt.

      Teuer wird es aber allemal und das bemerken die Leute am Meisten, die so schon jeden Cent zwei mal umdrehen müssen.

      • @Micha.Khn:

        Diese "Mobilität" zeigt schmerzhaft an, dass man nicht mehr alles in der Nähe hat.



        Würden da endlich die Vollkosten erhoben statt indirekter teurer Bezuschussung, gäbe es wieder Mitfahrgelegenheiten, ÖPNV-Renaissance, Radeln und Videokonferenz.



        Doch ist ein "rebound"-Effekt auch hier zu befürchten, wenn eben externe Effekte auch auf die Zukunft aus Angst vor dem Wähler oder dem Großspender "übersehen" werden.

        Und so teuer es zunächst scheint, denken Sie mal an die berüchtigte Bankenrettung, die m.E. deutlich weniger an Investitionswirkung hatte.

  • 650 Milliarden in 20 Jahren? Das sind etwa 33 Milliarden pro jahr. Und die Investition bleibt uns als Wert erhalten.

    Zum Vergleich: Etwas die vierfache Summer verschwindet jährlich im Austausch gegen fossile Brennstoffe im Ausland. Oft auch in einem nicht gerade freundlichen Ausland...

    • @Jörg Schubert:

      Ein Windkraft hat eine Lebensdauer von 20-25 Jahren. PV-Anlagen maximal 40 Jahre. Und zu Großbatterien gibt es noch keine Langzeitstudien. Aber mehr als 20 Jahre werden diese auch nicht halten. Die Investitionen sind also alle auch nur auf Zeit.

      • @Mopsfidel:

        Mir ging es um die Volkswirtschaft. Die Frage, ob das Geld in Europa bleibt, oder in irgendeinen fernen Ölstaat fließt, mach schon einen Unterschied.



        Soweit mir bekannt, hat sich ein großes Windrad schon nach spätestens 5 Jahren amortisiert. Dann ist alles bezahlt: Erschließung, Anschluss, Aufbau, Wartung und Entsorgung. Das bedeutet, es erzeugt noch mindestens weitere 15 Jahre kostenlos Strom. Und die CO2-Bilanz ist schon nach 6 Monaten im grünen Bereich.



        Dagegen: Wenn man Öl verfeuert, ist es weg. Und das Geld dafür auch. Leider ist es nicht ganz weg, sondern schädigt Umwelt und Klima. Das kostet dann irgendwann noch mal extra.

  • Ich glaub das und das ist schön und gut. Und andere Projekte wie die Fernwärme, der Nahverkehr, die Infrastruktur, die Schulen etc. brauchen ebenso viel Geld und noch mehr. Aber: Woher soll das Geld denn bitte kommen?



    Selbst wenn wir die Schuldenbremse los werden - so viele neue Schulden kann doch keiner aufnehmen..



    Also was sollen solche Studien, wenn eh klar ist, dass das Geld niemals aufgebracht werden wird? Und kommt mir nicht mit einer Reichensteuer, da müsste man ja alle Milliardäre des Landes 10 mal enteignen für die ganzen Projekte ...

    • @Petzi Worpelt:

      "so viele neue Schulden kann doch keiner aufnehmen.."



      650 Milliarden sind ein Viertel von dem, was jetzt schon an Schulden da ist.



      Die privaten Geldvermögen lagen Ende 2023 bei 7716 Milliarden Euro.



      Noch Fragen?

    • @Petzi Worpelt:

      a) Sie werden sich wundern, wie die Vermögensverteilung hierzulande ist, da waren wir früher schon mal deutlich chancengleicher unterwegs. Schon aus sozialen und Gerechtigkeits-Gründen müssen wir da wieder dran.



      b) Die Investitionen amortisieren sich durch niedrige Gestehungskosten Erneuerbarer und durch Vermeiden von Klimaschäden (ohne eigenes Anpacken zieht kein anderer mit).



      Schlagen Sie die Zahl nach, was Öl und Gas uns kosten und was kosten werden.

  • Die Gesamtkosten können aber auch niedriger ausfallen, wenn das Ausstiegsdatum stabil bleibt, wenn den Bürgern der Weg zur eigenen Stromerzeugung vereinfacht wird. Dann nämlich ist der Netzausbau in der Fläche nicht vollumfänglich notwendig, da der dezentral erzeugte Strom an Ort und Stelle bleibt und weniger in das Netz eingespeist wird. Dazu wäre es aber auch von Vorteil, wenn Batteriefirmen, ähnlich wie in China zum Bau ihrer Fertigungen hier in unserem Land massiv unterstützt würden. Aber das ist eben nicht im Interesse der Netzbetreiber, denn dann geht der Steuerkuchen an die Konkurrenz, wer will das schon. Dabei wäre es so einfach, wie schon Tausende es umgesetzt haben.

    • @Sonnenhaus:

      und was passiert wenn die Sonne nicht scheint?? Dann brauchen wir Gaskraftwerke und das Netz um alle zu versorgen. Und um die E-Autos nachts zu laden damit die Leute morgens zur Arbeit kommen. Das alles mit Gewinnsucht erklären zu wolen greift viel zu kurz, das ist Argumentation auf dem Niveau von Robert H. Batteriefirmen brauchen Lithium, wo soll das herkommen? Wieviel Umwelt wird dadurch zerstört? Und, um Strom in den erforderlichen Mengen zu speichern wären Billionen notwendig. Wenn es die Tehcnologui denn gäbe.



      Alles nicht soo einfach das würde eine Menge Fachwissen und Forschung brauchen. Da hat die derzeitige Regierung allerdings ein Vakuum das sie mit Forderungen und Wunschdenken (ich wollte eigentlich "Märchen" schreiben) füllen wollte hinterlassen.

      • @Gerald Müller:

        Stromspeicher wurden bisher nicht gerne gebaut, weil beim Ein- und Ausspeichern Netzumlagen fällig wurden. So rechnen sie sich nicht. Das ist allein schon technisch Unfug, weil Speicher in Summe das Netz nicht be- sondern entlasten.



        Soweit mir bekannt, hat ein gewisser Robert H. bessere Bedingungen für Speicher geschaffen.



        Das wird sicher wieder abgeschafft, sobald Sie jemanden wählen, der nur der Energielobby hinterherläuft und von Fusionskraft phantasiert.