Ausstellungsempfehlung für Berlin: Im Glanz geschmolzenen Zuckers
Yana Tsegay hat für die Galerie Mountains ein alternatives Bernsteinzimmer entworfen. Die taz sprach mit dem Galeristen Markus Summerer.
Der Verbleib des Bernsteinzimmers ist eines der großen Rätsel des 20. Jahrhunderts. Die barocke Prachtkammer, entstanden Anfang des 18. Jahrhunderts im Auftrag des Preußenkönigs Friedrichs I., verschenkt 1716 an den russischen Zaren Peter I., wurde 1941 von den Nazis geraubt, 1945 in Kisten verpackt und danach nie wieder gesehen, trotz zahlloser Theorien und Hinweise.
Eine neue Spur hat Yana Tsegay, die ihre Ausstellung bei Mountains nach dieser benannte, nicht aufgetan, vielmehr hat sie in den Räumlichkeiten der Galerie eine ebenso gelb leuchtende, archaisch anmutende Alternative aufgebaut:
Abstrakt-gestische Malerei, lehnt dort auf billigen Vasen vom Flohmarkt, gesäumt von aus Zucker gegossenen „Bernsteinplatten“, abgetrennt mit Fellbändern; aus diversen Objekten, Fotografien, Fensterrahmen und mit Zucker bestrichenen Fliegengittern setzt sich ihre „Bernsteintafel“ zusammen. Es ist ein anziehend-abstoßendes Ensemble, das Fragen nach Wertigkeiten aufwirft, von Materialien wie von der Kunst, die daraus entsteht.
Einblick 803: Markus Summerer, Galerist
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?
Markus Summerer: Mein Anwärter für die Lieblingsausstellung 2019 in Berlin ist „Der Hausfreund“ im Österreichischen Kulturforum, kuratiert von Cosima Rainer und Robert Müller. Sie präsentierte Werke des österreichischen Künstlers Friedrich von Berzeviczy-Pallavicini (1909–989), einst eine schillernde Figur im Umfeld der Wiener Kunstgewerbeschule, als eine hochaktuelle Wiederentdeckung.
Urkomisch z. B. seine Paillettenfiguren Katzendame und Katzenkavaliere in der Opernloge, Versatzstücke einer Schaufensterdekoration für die Konditorei Demel. Berzeviczy wurde als Repräsentant einer „anderen“, exzentrischen Moderne gezeigt, die bis heute politisches Potential bietet.
Im Dialog wurden Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen gezeigt, u. a. Ulrike Müller aus New York, die ich zu diesem Zeitpunkt auch gerade in meiner ersten Show gezeigt habe. Ein schöner Zufall.
Markus Summerer hat im Sommer 2019 Mountains als Galerie für internationale zeitgenössische Kunst gegründet. Unter dem Namen Kunsthalleperleberg kuratierte er in den vergangenen Jahren mehrere Ausstellungen, u. a. „Lies About“ im Mai 2019 in der Gussglashalle Berlin, einem Ausstellungsraum in Kreuzberg. Zuletzt war Summerer Direktor bei einer Berliner Galerie. Neben und nach seinem Studium der Kunstwissenschaft und Neueren deutschen Literatur arbeitete er lange Jahre bei „Texte zur Kunst“, zuerst als Redaktionsassistent in Köln und später in Berlin als Registrar für das Editionsprogramm.
Momentan ist in seiner Galerie Mountains eine Einzelausstellung von Yana Tsegay zu sehen.
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?
Holly Herndons Konzertperformance im Kraftwerk habe ich gerade leider verpasst. Ansonsten habe ich meine Galerie erst Ende August eröffnet und hatte seither keine Zeit, groß auszugehen. In der TV Bar hatte ich einmal eine heiße Nacht.
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?
„On the Museum’s Ruins“ von Douglas Crimp und „Wagfalls Erbe“ von Bettina Wohlfarth.
Online statt Print: Weil die Kulturbeilage taz plan in der gedruckten Ausgabe wegen des Corona-Shutdowns gerade pausiert, erscheint hier nun jeden Donnerstag ein Text vom „taz plan im exil“. Zuletzt: 2. 4. Stephanie Grimm/Musik: „Jeder Tag ist wie Sonntag“ & 9.4. Esther Slevogt/Theater: „Der Bildschirm als Bühne“
Was ist dein nächstes Projekt?
Wir bereiten gerade die beiden nächsten Ausstellungen vor. Anfang Februar eröffnet John Matthew Heard, der 2018 den Absolventenpreis der Städelschule erhalten hat. Im März folgt Laura Schusinski. Darüber hinaus laufen schon die Planungen für unsere erste Messeteilnahme.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?
Cremiger Cappuccino tut mir zu jeder Tages- und Nachtzeit gut. Und natürlich die beiden Setter meines Partners – unglaubliche Energiebündel!
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