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Ausstellung von Ari Benjamin MeyersAus dem Äther in den Takt

Ari Benjamin Meyers ist Komponist und Künstler. In der Kunsthalle Mainz verwandelt er Elemente klassischer Musik in Momente sozialer Zeichen.

Ein von Ari Benjamin Meyers manipulierter Flügel „The New Empirical“, 2013. Installa­tionsansicht Kunsthalle Mainz Foto: Kunst­halle Mainz/Norbert Miguletz

Anfassen darf man die Metallplatten zwar, doch folgt rasch der Warnhinweis einer Aufsicht: „Sie müssen sich danach aber die Hände waschen!“ Ari Benjamin Meyers ist in der Kunsthalle Mainz zu Gast und hat ihr vorübergehend eine Bleiwüste in den Boden gesetzt.

Tonnenschwer erscheint die Musikgeschichte dem Komponisten und Künstler bisweilen, hier liegt sie dem Ausstellungspublikum zu Füßen – in Gestalt von 2.500 Metallgravurplatten aus dem Archiv von Schott Music, dem berühmten Musikverlag, der seit 1770 im rheinland-pfälzischen Mainz angesiedelt ist.

Generationen an Klavierschülerinnen oder Gesangsstudenten sind mit den gedruckten Partituren von Schott sozialisiert. Auch Meyers, 1972 in New York geboren und seit Langem in Berlin zu Hause. Ab seinem vierten Lebensjahr lernte er Klavier, später studierte er Komposition und arbeitete als Operndirigent. Irgendwann kam die bildende Kunst hinzu. Seitdem arbeitet Ari Benjamin Meyers zwischen oder eher mit beiden Systemen, die keineswegs so ohne Weiteres kompatibel sind.

Meyers Soloschau „Always Rehearsing Never Performing“ umfasst nun zum einen Gelegenheiten, mit anderen gemeinsam zu singen oder zuzuhören – zum Beispiel in einem eigens initiierten Chor, der über die gesamte Ausstellungsdauer regelmäßig proben wird. Zum anderen zeigt die Schau Versuchsanordnungen, die skulpturalen, grafischen oder installativen Spezifika des Komponierens, Probens und Musikmachens begreiflich zu machen.

Metallplatten als Partituren

Um Elemente der Musik, die entgegen landläufiger Vorstellung überhaupt nicht ephemer sind, geht es Meyers in seiner Installation „Heavy Metal“. Dem Bleiplattenboden gegenübergestellt ist eine aktualisierte Partitur des Künstlers: Metallplatten, die Meyers mit allerlei Werkzeug „wie beim Zahnarzt“ grob durchlöchert und malträtiert hat.

Die Ausstellung

„Ari Benjamin Meyers. Always Rehearsing Never Performing“: Kunsthalle Mainz, bis 20. Oktober

Schon ergeben sich ganz unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie diese Kompositionen wohl klingen mögen – die tatsächliche musikalische Interpretation, doch auch das Herstellern jener metallenen Notenblätter. Damit ist man schon bei einer Kernfrage angelangt, um die der Künstler, Musiker, Dirigent kreist: Welche Partituren, welche Lieder denn überhaupt möglich sind. Und hiervon hinausgehend wohl, wie die Ideen überhaupt in die materielle Welt kommen.

Nur auf den oberflächlichen Blick erscheinen Ari Benjamin Meyers Ausstellungen wie kühle White-Cube-Ware. Tatsächlich versteckt sich in jedem Werk mindestens ein Scharnier, das direkt ans menschliche Publikum anknüpft – gedanklich allemal, oft aber auch ganz praktisch.

Meyers Arbeiten werden auf der ganzen Welt aufgeführt, wodurch sie aus den sozial angelegten Interaktionen oder „Aktivierungen“, wie der Künstler sie nennt, höchst orts- wie zugleich zeitgeistspezifische Situationen ergeben. Wie das Duett, eine Anleitung zum gemeinsamen Singen, die hier im White Cube und sonst auch schon auf der Straße aufgeführt wird.

Fast gewaltvolle Reaktionen

In Kairo, erzählt Meyers, wurde die Arbeit plötzlich sehr politisch: „Kann ein Mann mit einer Frau singen? Kann eine verschleierte mit einer unverschleierten Frau singen?“ Fast gewaltvoll seien manche Reaktionen ausgefallen. Im Kosovo, dem letzten europäischen Land unter internationaler Polizeimission, trug das Werk indes kurzzeitig zur Verständigung bei: „Weil das Stück keine Sprache hat, können Menschen miteinander singen, ohne sich zu erschießen.“

Ob wir uns aus diesem Schlamassel herausproben können, eher singend denn sprechend? Eine utopische Frage, die der Künstler später gar nicht naiv gemeint stellt.

Ari Benjamin Meyers hat die Systeme, in denen er arbeitet, gedanklich durchdrungen. Und trotzdem kommt seine Arbeit leicht und zugänglich daher. Im schönsten Falle sogar geradeheraus albern, wie in „Requiem (Ouija)“: An einem kleinen Tischchen kann, wer mag, eine eigene Partitur komponieren.

Freilich vorausgesetzt, man mag sich auf den Schaffensprozess einlassen. Hilfe leistet ein Ouija-Bord, bekannt aus US-Horrorstreifen, in denen Teenager damit gern vermeintliche Geister beschwören. Statt Fragen beantworten die hier alles, was man für eine eigene Komposition benötigt – nicht nur Dur und Moll, auch Tempi, Takt und ganze Melodielinien werden aus dem Äther in den Ausstellungsraum gechannelt.

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