Ausstellung in Halle über Magie: Den Teufel an die Wand malen
Das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale zeigt eine Ausstellung zu den Geheimnissen der Magie. Warum sich ein Besuch lohnt.
Magie machen immer die anderen, man selbst ist religiös oder spirituell, oder so aufgeklärt, dass der Blick ins Horoskop nur ganz selten gegönnt und das Hals-und-Beinbruch-Wünschen nicht mehr als Zauberspruch wahrgenommen wird.
Wenn im 16. Jahrhundert im katholischen Deutschland aufwendig gefasste Madonnentaler als Amulett insbesondere von Schwangeren getragen werden, dann ist die Kirche damit okay; dass solche in der Ausstellung gezeigten Münzen allerdings Kratzspuren aufweisen, weil die so gewonnenen Silberspäne eingenommen und bei der Wundbehandlung eingesetzt wurden – tatsächlich ist die keimtötende, wenn auch zellschädigende Wirkung von Silber belegt –, dann strahlt das in alle Richtungen des Themas.
Religiöser Glaube, protowissenschaftliche Erfahrungswerte und Inkorporation des Abriebs, die schon auf den für Magie wesentlichen Drogengebrauch verweist. Auch altägyptische Augenschminke wie bei Nofretete hat magische wie medizinische Funktion.
Magie als Schutz und Angriff
Die Alraune, die mit ihrem gefächerten Blütenkopf gut Vorbild hätte sein können für das Monster aus der Serie „Stranger Things“, ist das vielleicht eindrücklichste Beispiel für die mit magischen Substanzen verbundenen Ängste und Hoffnungen. Die Wurzel der Pflanze mit dem hübsch-raunenden lateinischen Namen Mandragora enthält psyochaktive Substanzen, zudem lässt sie sich menschengestaltig lesen.
Das Herausziehen der ausgegrabenen Pflanze überließ man Hunden, denn wer die Alraune ausreißt, muss mit Fluch und Verdammnis rechnen. Die Wirkung der Substanzen wird oft als Flugerfahrung geschildert, was schon auf die Hexen verweist, die sich auf dem Blocksberg zusammenfinden, um den Teufel zu umschwirren.
Magie ist Schutz und Angriff, Abwehr und Rache. Gedacht wird in Analogie, Gleiches soll Gleiches abwehren beziehungsweise vergelten. Dem bösen Blick wird mit Augen begegnet, die zurückstarren. „Alles Herausragende“, heißt es in einem Aufsatz dazu, „zieht die neidischen Blicke der Gottheiten auf sich und diese zerstören das von ihnen Beneidete.“
Ab dem späten Mittelalter werden die bösen Blicke von Göttern, ethnischen Minderheiten oder sonst wie von der Norm abweichenden Personen dann der „kumulativen Figur“ der Hexe zugeschrieben, die es damit ein weiteres Mal wirklich nicht leicht hat. Kein Wunder, dass in dieser frauenfeindlichen Linie insbesondere Phallusobjekte als Abwehrzauber eine wesentliche Rolle spielen und in der griechisch-römischen Antike als Amulett, Kerzenhalter, Öllämpchen in jeder nur erdenklichen Form auftauchen.
Plazenta als Verbindungsglied
Ein anderes wesentliches Zauberkörperteil sind die Hände, die heilen, in Metallform bis in die Gegenwart an Ställen und auf Dachböden hängen, um zu schützen, oder die klatschend böse Geister vertreiben.
Die besondere Sorge um die Plazenta als Verbindungsglied zwischen Mutter und Neugeborenem – die immer als besonders gefährdet und jeglichem bösen Zauber ausgesetzt galten – hat sich bis heute erhalten, sie wird tatsächlich noch immer gegessen oder ein Bäumchen aus ihr gezogen, jedenfalls dem Licht und den Blicken entzogen. In der Ausstellung ist ein spezieller Nachgeburtstopf mit Deckel zu sehen, der in einer mittelalterlichen Kellernische vergraben war.
Aber es gibt nicht nur die gerade ins Leben getretenen, die geschützt, es gibt auch die Gestorbenen, die daran gehindert werden müssen, ihre Rolle als Tote nicht zu akzeptieren. Skelette werden mit Felsbrocken beschwert oder gleich mit Ketten fixiert. Bei der Verwesung entstehende Geräusche wurden als Schmatzen von grauslichen „Wiedergängern“ interpretiert, das durch einen Stein im Schlund unterbunden werden sollte.
Mit den sogenannten Bezoaren – eigroßen Verkrustungen nicht verdauter Materialien in Tiermägen, die in Apotheken verkauft wurden – nähern wir uns der Gegenwart, in der die „positive Kraft“ von „Wasserkristallen“ ja immer noch Eingang in so manche Karaffe findet.
Faust hat keinen Fun
Und dann die Liebe, die herbeibeschworen werden soll! „Wenn ihr mich aber nicht erhört und nicht ausführt, was ich euch sage, so wird die Sonne nicht mehr unter die Erde hinabsinken und weder der Hades noch der Kosmos mehr bestehen.“ Wie aus dem altägyptischen Papyrus abgeschrieben heißt es in der Schnulze „The end of the world“: „Why does the sun go on shining? Why does the sea rush to shore? Don’t they know it’s the end of the world, 'Cause you don’t love me any more?“
Brachiale Aktualisierung ist die Sache der Ausstellung aber nicht. Aktuelle Themen wie Pandemie und Homöopathie bleiben unberührt, stattdessen kommen Ausstellung und auch wir am Schluss zurück zu Goethe und seinem urdeutschen Alchemisten und Magier Dr. Faust, in dessen schwäbischem Geburtshaus man Zaubersprüche im Türrahmen deponiert gefunden hat. Faust plagen bekanntlich weder Skrupel noch Zweifel, er fürchtet weder Hölle noch Teufel, hat aber halt keinen Fun am Leben.
Zu Geld oder Immobilien hat er es nicht gebracht, ein Promi ist er schon gar nicht. Und weil er so nicht länger leben will, wirft er sich schließlich auf die schwarze Magie. Und das ist auch als Ausblick auf zeitgenössische Frustrationen und der aus ihnen folgenden Verwirrung ja aktuell genug.
„Magie – Das Schicksal zwingen.“ Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle. 1. März bis 13. Oktober 2024. Das empfehlenswerte Begleitheft kostet 15 Euro, der Tagungsband „Aspekte magischen Denkens. Internationale Tagung vom 12.–13. November 2021 in Halle (Saale)“ 69 Euro.
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