Geisterjäger über Aufklärung: „Den Menschen die Ängste nehmen“

Aufklären und mit alten Mythen und falschen Ansichten aufräumen: Tom Pedall spricht in Stade über seine Arbeit als Geisterjäger.

Ein kleines Gespenst läuft durch den Berliner Tierpark.

Absolut erklärlich: Dieses Gespenst ist gar keins Foto: Maurizio Gambarini/dpa

taz: Tom Pedall, wissen Sie noch, was Sie am 25. Januar 1985 gemacht haben?

Tom Pedall: Da war ich nicht mal 14 Jahre alt …

52, Mitbegründer des Teams „Ghosthunter NRWUP & RLP“, Betreiber des Youtube-Kanals „Toms Talk Mystery“, arbeitet Tagsüber in einer Anwaltskanzlei in Wuppertal.

Dann waren Sie im Prinzip Teil der Zielgruppe: Das war der Tag, an dem „Ghostbusters“ in Deutschland angelaufen ist.

Ach, der erste Teil.

Genau. Worauf ich hinaus will: Wenn Sie sich als Ghost Hunter oder Geisterjäger bezeichnen, müssen Sie dann nicht immer wieder erklären, dass Sie nicht das tun, was die Leute aus den Filmen oder Zeichentrickserien kennen? Welchen Missverständnissen begegnen Sie am häufigsten?

Wahrscheinlich der Annahme, dass wir Geisterjäger alle auf die gleiche Art und Weise agieren und die gleiche Teamphilosophie haben. Eine Erklärung zu den „Ghostbusters“-Filmen brauchen wir aber nicht.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit vielleicht übernatürlichen, jedenfalls nicht ohne Weiteres erklärlichen Phänomenen zu beschäftigen?

Im Haus meiner Großtante in Luxemburg, ich war so 13, 14, also vor knapp 40 Jahren, da gab es Vorkommnisse, die kann ich mir bis heute teils nicht erklären. Ich habe mich seit damals dafür interessiert, auch gelesen, was immer ich an Literatur finden konnte. Das hat sich fortgesetzt, so richtig intensiv dann in den vergangenen 20 Jahren. Denn ich habe auch im Haus meiner Eltern Vorkommnisse erlebt, zu der Zeit, als mein Vater im Sterben lag. Oder noch mal später, 2008 oder 2009 mit meiner Lebensgefährtin.

Was haben Sie erlebt?

Man hörte im Haus meiner Großtante Schritte auf den Holztreppen, die nicht dem Geräusch von arbeitendem Holz entsprachen. Es war auch niemand von uns im Haus unterwegs. Die schwere Zimmertür ging auf und zu, aber auch Schranktüren. Mit meiner Partnerin waren die Erlebnisse beeindruckend: Wir bewohnten eine Altbauwohnung unter dem Speicher. Lagen im Hochbett und gegen ein Uhr nachts hörten wir ein Geräusch, wie wenn jemand mit Wucht einen schweren Schrank über den Dielenboden des Speichers über uns schob. Nur war da niemand.

Gespräch „Auf Geisterjagd“ mit Pastor Thomas Kück und Geisterjäger Tom Pedall: Fr, 8. 3., 19 Uhr, Stade, Schwedenspeicher. Dort läuft noch bis zum 1. April die Ausstellung „Untot. Archäologie BISS Popkultur“

Wie sind Sie selbst dann zu Geisterjägern geworden?

Wir haben in der Zeit eine Fernsehserie gesehen, über amerikanische Ghost Hunters, die sehr seriös vorgegangen sind. Wir haben gesehen: Oh, es gibt Leute, die versuchen, Phänomene aufzuklären. Dann haben wir herausgefunden, dass es auch in Deutschland Teams gibt und haben uns einem angeschlossen. 2010 haben wir aber festgestellt: Die Philosophie-Entwicklung des Teams passt nicht zu unserer Einstellung. 2012 haben wir dann ein eigenes gegründet: Wir sind sehr bodenständig, rational und vernünftig ausgerichtet – und skeptisch.

Wenn Sie sagen, da gibt es unterschiedliche Philosophien: Worin besteht dann die Differenz?

Fangen wir mit dem Equipment an: Es wird viel verwendet, das völlig sinnfrei ist. Es gibt bei einer Spielkonsole, der X-Box, das „Kinect“-System, einen Bewegungssensor. Man spielt zum Beispiel Tennis und auf dem Bildschirm werden den Bewegungen entsprechend Figuren dargestellt. Mit diesem Gerät laufen Teams herum und meinen, wenn sie Strichmännchen finden, dann sind das Repräsentationen von Geistern – völliger Blödsinn. Es glauben auch viele an Dämonen, die es nicht gibt. Wir haben in unserem Team dagegen zum Beispiel einen studierten Archäologen, der sich mit Bestattungsriten auskennt. Ein wichtiger Unterschied zu anderen Teams: Wir wollen keine Geister verkaufen an Youtube-Fans. Wir wollen aufklären, auch mit Mythen aufräumen und mit falschen Ansichten. Und wir wollen den Menschen Ängste nehmen. Vielfach sind teils noch mittelalterliche Ansichten und Auffassungen anzutreffen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Salzkreise ziehen: Das soll Dämonen fernhalten – Blödsinn! Wir versuchen halt Experimente durchzuführen und aufklärend zu wirken, weil im Zusammenspiel mit der Esoterik viel Schindluder getrieben wird.

Wenn es so was gibt: Wie sieht ein typischer Einsatz aus?

Wenn wir von privaten privaten Klienten kontaktiert werden, führen wir erst mal ausführliche Gespräche mit ihnen, geben ihnen auch Hausaufgaben auf: dass sie beispielsweise ein Spuktagebuch führen müssen. Da schreiben sie dann auf, was wann, wo passiert ist, im Beisein welcher Zeugen und so weiter. Anhand dessen kann man manchmal eine Regelmäßigkeit erkennen, was manchmal schon ein Erklärungsansatz ist. Bei vielen dieser Gespräche oder auch Aufträgen, Bild- und Videomaterial zu überprüfen, klärt es sich oft von alleine: Da finden wir eine rationale Erklärung für das Erlebte. Ich würde sagen, bei einem von zehn Fällen, ungefähr, fahren wir dann auch raus zu den Leuten. Wir lassen uns vor Ort nochmal die ganze Geschichte erzählen. Dann machen wir Fotos, Videoaufnahmen in unterschiedlichen Lichtwellenbereichen. Und wir arbeiten mit einem Diktiergerät für Tonaufnahmen: Wir stellen Fragen, wenn wir eine Vermutung haben, wer vielleicht da sein könnte. Und hinterher wird das alles ausgewertet. Was mir ganz wichtig ist: dass wir gratis arbeiten.

Wie oft bleibt es denn dabei, dass es keine rationale Erklärung gibt, Sie also im Prinzip davon ausgehen müssen, dass da was Übernatürliches im Spiel ist?

Also, von „übernatürlich“ reden wir in dem Zusammenhang nicht – wir stufen das ein als „interessant“.

Das ist eine bemerkenswerte Unterscheidung.

Zwischen 95 und 98 Prozent aller Vorkommnisse sind rational erklärbar. Wir haben in all den Jahren ein, vielleicht zwei Fotos auf den Tisch bekommen, die wir als „interessant“ einstufen. Ich würde sogar sagen: ein einziges, das wirklich interessant war. Und zwei oder drei Tonaufnahmen.

Von wie vielen Einsätzen?

Etwa 80 bis 100 Ermittlungen und Vorort-Gespräche und schätzungsweise 300 bis 400 Prüfungsaufträge, Telefonate, Chats waren es in der Zeit schon.

Dann ist es ja wirklich ein bemerkenswert kleiner Rest von nicht erklärbaren Geschehnissen. Wenn Sie üble Geschäftemacher wären, müssten Sie ständig vermeintlich Unerklärliches ausfindig machen – und den Leuten gleich noch irgendein teures Nonsens-Gerät andrehen, als Schutz vor Dämonen …

Sie können aktuell online ein Gerät kaufen, für 299 Euro, da ist eine Datenbank hinterlegt und wohl mit einer kleinen künstlichen Intelligenz, wie es aussieht. Und je nachdem, welche Fragen gestellt werden, wirft die dann etwas vom Text aus, aus der Datenbank. Leider gibt es viele Geräte auf den Markt, die man eher unter „Partygag“ verbuchen kann.

Also nix da mit Stimmen aus anderen Sphären.

Ich habe ja auch noch mein eigenes Projekt, „Toms Talk Mistery“, wo ich konkreten Geschichten auf den Grund gehe und aufkläre über, ich muss das leider so sagen: viel Geschwurbel da draußen.

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