Ausstellung im Schwulen Museum Berlin: Sexuelle Melancholie
„Klappen“ sind verschwunden, Männertoiletten, die auch schwule Kontaktorte waren. Trauer lohnt jedoch nicht: Heute gibt es andere Orte.
Diese Ausstellung im Schwulen Museum* ist ja leider von einigen aus dieser Institution selbst moralisch in Misskredit gebracht worden: Über Klappen, also öffentliche Toiletten der Männer, die früher sexuelle, aber auch soziale Anbahnungsorte waren, geht diese Exposition, so richtig mit nachgebautem Gruppenpissoir. Sehr eindrücklich, sehr erhellend, sehr nachfühlbar.
In einem Infobrief der von schwulen Männern tapfer und hartnäckig aufgebauten Institution hieß es nur wegwerfend, entwertend, das sei ein Ding von cis-weißen Männern. Schwule Männer also, musste man diese Invektive verstehen, zählen nicht mehr als Überlebende von Homophobie, nicht mehr als in den meisten Jahren ihrer Leben Benachteiligte, Kleingehaltene, Diskriminierte.
Tatsächlich umweht diese museale Intervention über eine „Geheime Topografie der Lust“, wie hier in der taz gestern Tilman Baumgärtel sehr schön beschrieb, eine gewisse Sehnsucht, eine inzwischen ja ortlose Melancholie: Klappen zum Wichsen, gemeinsamem Schwänzeangucken, zum Begehren und zur visuellen wie haptischen Befriedigung von vielerlei Appetitformen gibt es nicht mehr.
Wer unbedingt pullern muss, geht einfach ins nächste Café oder hat sowieso keine Notdurft zu verrichten (was zwar merkwürdig anmutet, da doch in den vergangenen Jahren kein Mann mehr ohne Stilles-Wasser-Flasche aus dem Haus ging, als sei die Metropole eine Wüste, in der das Verdursten droht, sei’s drum …).
„Fenster zum Klo“ ist bis zum 25. Februar 2018 im Schwulen Museum Berlin zu sehen.
Eine Nebenstelle der Ausstellung wird am Samstag, 19 Uhr, von Marc Marin, in der Bar Die Klappe in der Yorkstraße eröffnet, auf der Mittelinsel Ecke Mehringdamm.
Neue Orte der Spontananbahnung
Nun gab es immer Theorien im schwulen Wissenschaftsbereich, in denen behauptet wurde, existiere dereinst die Verfolgung homosexueller Männer nur noch in geringer Weise, verschwänden auch die Orte des Sexuellen, die für Unterdrückung stünden. Klappen beispielsweise. So wie so viele Theorien waren auch diese irrig: Die Welt ist insgesamt sauberer, hygienischer und vielleicht auch steriler geworden – da war für Klappen als gleichgeschlechtliche Erotikhäuser kein Platz mehr.
Dass es aber eine Topografie der sexuellen Spontananbahnung nicht mehr gäbe, ist falsch. Nur sind es der digitalen Zeit angemessen andere Plätze: Sie wechseln – denn sie stiften sich über Grindr oder andere Dating-Apps.
Die akute sexuelle Hingabe nach dem Aktualortsprinzip: Man guckt, wer gerade in der Nähe ist. Der Rest ist oft eine Frage von örtlichen Gegebenheiten, ein Zimmer zu Hause oder gar manchmal ein Stundenhotel.
Das hat natürlich nicht mehr den Charme, das Verlockend-Gefahrvolle, wie Klappen eben einst waren – es war ja auch eine Topografie der Gefahren, homophober Schläger oder Erpressungsopfersucher: Aber die Klage über den Verlust der sexuellen Stand-Up-Plätze lohnt keine Kulturkritik. Denn, nicht wahr, durch die Liberalisierungen seit Anfang der Siebziger ist der testosterone Druck interessanterweise auch gesunken.
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