piwik no script img

Außeruniversitäre ForschungBefristete Jobs, wenige Frauen

Eine Anfrage der Linkspartei zeigt: Sichere Jobs und Gleichstellung sind bei der Leibniz-Gemeinschaft & Co ausbaufähig – trotz Milliarden vom Bund.

Arbeit im Labor Foto: Imago

Berlin taz | Sie stehen für Spitzenforschung made in Germany, beschäftigen gemeinsam fast 50.000 Wis­sen­schaft­le­r:in­nen und bekommen dafür vom Deutschen Staat Gelder in Milliardenhöhe: Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft.

Nicht so spitze ist allerdings die Arbeitssituation für viele wissenschaftliche Mit­ar­bei­te­r:in­nen in diesen vier außeruniversitären Organisationen. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag, die der taz vorliegt.

Zwar bezahlen alle vier ihre For­sche­r:in­nen nach Tarif. Doch die überwiegende Mehrheit von ihnen ist nur befristet angestellt. Die beste Aussicht auf einen sicheren Job haben noch die Helmholtz- und Fraunhofer-Forscher:innen, von denen im vergangenen Jahr 45 Prozent beziehungsweise 42 Prozent unbefristet angestellt waren.

Bei der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft bekommt nicht mal je­de:r vierte wissenschaftliche Mit­ar­bei­te­r:in einen unbefristeten Vertrag. Die Zahlen der Bundesregierung zeigen zudem, dass der Trend – wie auch an den Universitäten – in Richtung befristete Projektstellen geht.

Anteil befristeter Jobs steigt

Bei zwei Organisationen, für die Daten aus früheren Jahren vorgelegt werden konnten, sieht man: Der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse ist im Laufe der vergangenen Jahre sogar noch weiter gestiegen.

„Im Sinne der Beschäftigten, die die Forschungsleistungen hervorbringen, sollte hier viel getan werden, um verlässliche Karrierewege zu eröffnen und das Hopping von einem befristeten Projektvertrag zum nächsten zu überwinden“, fordert die forschungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Petra Sitte.

Handlungsbedarf sieht Sitte auch bei der Förderung von Frauen in der Forschung. Zwar ist der Frauenanteil beim wissenschaftlichen Personal in allen vier Forschungsorganisationen in den vergangenen Jahren leicht gestiegen und liegt aktuell zwischen 22 Prozent (Fraunhofer-Gesellschaft) und 47 Prozent (Leibniz-Gemeinschaft).

Auf der Führungsebene sind Frauen jedoch nach wie vor stark unterrepräsentiert. Nur jedes fünfte Leibniz-Institut wird von einer Frau geleitet, bei der Fraunhofer-Gesellschaft sind in der obersten Führungsebene sogar nur sieben Prozent Frauen. Auch in diesem Punkt ist eine Parallele zu den Hochschulen erkennbar: Nur jede vierte Professur ist mit einer Frau besetzt.

Bund zahlt mehr als die Hälfte

Petra Sitte sieht hier den Bund in der Pflicht, der seinen Anteil bei der Finanzierung seit Jahren gesteigert hat. „Es wird Zeit, dass er seinen gewachsenen Einfluss im Forschungsbereich geltend macht, um mehr unbefristete Stellen und bessere Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen zu schaffen“, so die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei.

Der Bund trägt bei allen vier Forschungsorganisationen mittlerweile den Großteil der Etats. Im Jahr 2020 beliefen sich die Zuwendungen vom Bund auf rund 7,7 Milliarden Euro, ein Großteil davon (3,9 Milliarden Euro) entfiel auf die Helmholtz-Gemeinschaft.

Auf eine stärkere Finanzierung außeruniversitärer Forschung haben sich Bund und Länder 2005 mit dem Pakt für Forschung und Innovation (PFI) geeinigt. Zwischen 2021 und 2030 sieht er eine jährliche Steigerung der Zuwendungen um drei Prozent vor. Im Gegenzug haben sich Leibniz & Co zu bestimmten Zielen verpflichtet, darunter: attraktive Bedingungen über die gesamte wissenschaftliche Laufbahn zu schaffen.

Wörtlich heißt es in den Zielvorgaben des Pakts: „Die Erhöhung der Repräsentanz von Frauen im Wissenschaftssystem, insbesondere in Führungspositionen, ist eine Daueraufgabe.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Im Artikel bzw. der Anfrage(?) fehlen die Akademien der Wissenschaften, die ebenfalls zum überwiegenden Teil befristete Beschäftigungen vergeben. Dabei wird immer häufiger auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zurückgegriffen, was dessen mißbräuchliche Verwendung ziemlich eindrucksvoll belegt und ein weiteres Argument für dessen Abschaffung liefert. Zum erwähnten Trend: An den Universitäten liegt der Anteil der befristet Beschäftigten bei über 90 Prozent, was vermutlich in keinem anderen Beschäftigungsumfeld der Fall sein dürfte. De facto gibt es außer den Professuren und den wenigen Funktionsstellen in der Wissenschaft unbefristete Stellen nur noch in der Verwaltung, die immer weiter aufgebläht wird. Von seiten des Professorats wird diese prekäre Position, die eine Ausbeutung der befristet Beschäftigten gestattet (was z. T. auch so formuliert wird), mit den irrwitzigsten Argumenten verteidigt und das dürfte auch an den außeruniversitären Einrichtungen nicht anders sein. Fazit: Das Universitätssystem bedarf einer grundlegenden Reform.