Corona-Infektionsschutz und Studium: Hochschulen wollen mehr Ausnahmen

Die Hochschulen sehen keine Chance, die Bundesnotbremse so anzuwenden wie gefordert. Viele Studis würden sonst Semester verlieren.

Eine Frau schaut durch ein Mikroskop

Praxisleistungen z.B. in Uni-Laboren können aufgrund der Notbremse derzeit nicht voll erbracht werden Foto: Ralph Lueger/imago

BERLIN taz | Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, fordert Ausnahmen im Infektionsschutzgesetz für die Hochschulen. „Wenn wir das so umsetzen wie derzeit vorgesehen, müssten viele Hochschulen ihre Labore, Übungsräume und Werkstätten dicht machen“, sagte Alt am Mittwoch in einem Pressegespräch. Studierende würden Studiensemester verlieren, weil sie studiennotwendige Praxisleistungen nicht erbringen könnten. Damit bekräftigte Alt die Kritik der HRK an dem Gesetz.

Nach Auskunft der HRK finden derzeit noch etwa 10 Prozent der Veranstaltungen in Präsenz statt. Der Anteil ist von Hochschule zu Hochschule aber höchst unterschiedlich. An künstlerischen Hochschulen liegt der Präsenzanteil bei etwa 30 Prozent, während er an Universitäten sehr viel niedriger ist. Dort sitzen Studierende fast ausschließlich in virtuellen Vorlesungen und Seminaren.

Die Hochschulen brauchten die Freiheit, selbst festzulegen, welche Mischung aus Präsenz- und Onlineveranstaltungen sie anbieten, sagte Alt. „Eine Gleichsetzung von Hochschulen und Schulen, wie derzeit im Gesetz vorgesehen, ist gerade in den künstlerischen Fächern sachfremd.“

Unterstützung erhält die Hochschulrektorenkonferenz von den Wissenschaftsminister:innen. Die hatten sich parteiübergreifend bereits am Freitag, als das Gesetz in Kraft trat, in einem Brief an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gewandt. „Ohne Dif­ferenzierung zwischen Schulbetrieb und Hochschulbetrieb droht in vielen Studiengängen eine eingeschränkte Studierbarkeit des Semesters“, begründete die Initiatorin, die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) den Appell.

Grundlegende Bafög-Reform nötig

Das betreffe gerade die zur Pandemiebewältigung bedeutsamen Studiengänge wie Medizin und Pharmazie mit notwendigem Praxisbezug und Prä­senznotwendigkeiten in der Lehre, heißt es im Schreiben der 16 Länder. Außerdem bedeute ein Verbot jeglicher praktischer Ausbildungsbestandteile zum Beispiel an den Kunst- und Musikhochschulen faktisch einen Ausschluss vom Studium.

Auf Anfrage der taz stellt das Bundesbildungsministerium klar, dass Prüfungen, Forschungstätigkeiten, Tätigkeiten in Laboren und ähnlichen Einrichtungen – ebenso wie (Hochschul-)Bibliotheken – ausdrücklich nicht von der Untersagung von Präsenzunterricht erfasst seien. „Inwiefern darüber hinaus gesetzlicher Regelungsbedarf besteht, wird derzeit geprüft“, teilt ein Sprecher mit.

Ebenfalls an die Adresse der Bundesbildungsministerin richten die Hoch­schul­rek­to­r:in­nen den Appell, das Bafög grundlegend zu reformieren. Die heutige Förderung werde der Lebensrealität vieler Studierender nicht mehr gerecht. Die HRK fordert die elternabhängige Förderung so anzupassen, dass mehr Studierende Anspruch darauf haben. Derzeit beziehen 12 Prozent der Studierenden Bafög, bei Einführung vor knapp 50 Jahren waren es noch knapp 45 Prozent.

Die Altersgrenze beim Bafög – sie liegt derzeit bei 34 Jahren – sollte fallen und auch Teilzeitstudierende sollten künftig Bafög beziehen. Das Kriterium „Regelstudienzeit“, in der die Studierenden Bafög beziehen dürfen, müsse um zwei Semester erweitert werden. Außerdem müsse das Bafög künftig um eine Nothilfe-Komponente für bundesweite Notsituationen ergänzt werden, damit in Einzelfällen pragmatisch und schnell auch den Studierenden geholfen werden könne, die kein Bafög erhalten.

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