Außenminister beraten zu Afghanistan: Nato hat keine Lösung parat

Nach der Machtübernahme in Afghanistan spricht der Nato-Generalsekretär von einer „unvorhersehbaren Tragödie“. Einen Plan hat das Bündnis nicht.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg

Ein Plan für Afghanistan fehlt weiterhin: Nato-Generalsekretär Stoltenberg am Freitag in Brüssel Foto: Francisco Seco/reuters

Brüssel taz | Die Nato hat auch fünf Tage nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan keinen Plan für eine Lösung der militärischen und humanitären Krise. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach am Freitag von einer „unvorhersehbaren Tragödie“ und versuchte, den Taliban die alleinige Verantwortung zuzuschieben.

„Wir erwarten von den Taliban, dass sie allen ausländischen Staatsangehörigen und Afghanen, die das Land verlassen wollen, die sichere Ausreise ermöglichen“, sagte Stoltenberg nach einer zweistündigen Krisensitzung der Außenminister der Nato-Staaten. Es habe die „höchste Priorität“, Menschen in Sicherheit zu bringen.

„Die größte Herausforderung ist es, die Menschen in die Flugzeuge zu bringen“, so Stoltenberg. Derzeit stünden am Flughafen von Kabul mehr Flieger zum Abflug bereit als Hilfsbedürftige. Die Türkei, die USA und Großbritannien leisteten hervorragende Arbeit, um den Airport zu sichern. Die Nato sei mit 800 Vertragskräften vor Ort.

Einen Plan für die weitere Evakuierung gibt es jedoch offenbar immer noch nicht. In einer gemeinsamen Erklärung bekennen sich die 30 Außenminister der Allianz zwar zur Hilfe „für unsere Bürger, Staatsangehörige von Partnerstaaten und gefährdete Afghanen“. Von einer gemeinsamen Nato-Operation ist jedoch nicht die Rede.

Klare Warnung an die Taliban

Mehrere Alliierte hätten den Wunsch geäußert, die Rettungsaktion zu verlängern, sagte Stoltenberg. Die USA wollten ihre militärische Hilfsaktion aber nur bis zum 31. August fortsetzen und dann beenden. Ausweichend reagierte er auch auf Fragen nach den Aufnahmekapazitäten für afghanische Hilfskräfte und Schutzbedürftige, etwa Frauen und Kinder.

„Wir arbeiten sehr hart daran, gefährdete Afghanen an Bord der Flugzeug zu bekommen“, sagte Stoltenberg. Wie dies geschehen soll – etwa mithilfe von Hubschraubern, wie sie nun auch die Bundeswehr nutzt – sagte er nicht. Auch zur Frage von Auffanglagern etwa in Polen oder im Kosovo äußerte er sich ausweichend.

Eine klare Warnung ging an die Taliban. Man habe 20 Jahre lang erfolgreich verhindert, dass Afghanistan zu einem sicheren Rückzugsort für die Planung von Terror-Anschlägen werde. Man werde Bedrohungen durch Terroristen auch künftig nicht zulassen und sei entschlossen, den Kampf gegen Terrorismus fortzusetzen.

Aufarbeitung offen

Die Taliban müssten ihre „internationalen Verpflichtungen“ erfüllen, forderte Stoltenberg. Er verwies auf die Verhandlungen, die die afghanischen Islamisten unter Ex-Präsident Donald Trump mit den USA geführt hatten und behauptete, die Ergebnisse dieser Gespräche hätten weiter Gültigkeit.

Auf Kritik, dass die USA den Taliban einen Blankoscheck ausgestellt hätten, um ihre Truppen unbehelligt aus Afghanistan abziehen zu können, ging er nicht ein. Nach dem US-Abkommen vom Februar 2020 habe die Nato keine andere Option gehabt, als abzuziehen, sagte er. Schließlich hätten die Amerikaner den Einsatz ja auch begonnen.

Offen blieb nach der Videokonferenz, ob und wie die Nato ihr eigenes Scheitern aufarbeiten wird. In der Erklärung heißt es lediglich: „Gemeinsam werden wir unser Engagement in Afghanistan umfassend reflektieren und die notwendigen Lehren ziehen.“ Stoltenberg kündigte eine „eingehende Untersuchung“ an – konnte jedoch nicht sagen, wie diese aussehen soll.

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