piwik no script img

Außenminister Maas' FlüchtlingspolitikEin „Bündnis der Hilfsbereiten“

Irrfahrten von Seenotrettern auf der Suche nach sicheren Häfen sollten künftig der Vergangenheit angehören. Heiko Maas fordert einen verbindlichen Verteilmechanismus.

Das Boot der Hilfsorganisation Mediterranea Saving Humans fährt in den Hafen auf Lampedusa ein Foto: dpa

Berlin/Hannover/Madrid dpa/epd/afp | Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat eine Vorreiter-Initiative Deutschlands bei der Verteilung von Flüchtlingen angekündigt, die im Mittelmeer gerettet wurden. „Wir brauchen ein Bündnis der Hilfsbereiten für einen verbindlichen Verteilmechanismus“, sagte Maas. „Unser Angebot steht: Deutschland ist bereit, einen substanziellen Beitrag zu leisten und zu garantieren, immer ein festes Kontingent an Geretteten zu übernehmen. so Maas gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ am Sonnabend.

Er schlug vor, dass jene europäischen Staaten vorangehen, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen. Alle anderen blieben eingeladen, sich zu beteiligen. Tagelange Irrfahrten privater Seenotretter auf der Suche nach sicheren Häfen sollten der Vergangenheit angehören, sagte Maas.

„Bei jedem Boot wieder in ein unwürdiges Geschachere um Menschenleben zu beginnen, kann nicht die Lösung sein. Weder die Retter noch die Geretteten können länger warten, bis sich auch der letzte Mitgliedsstaat in der EU bereiterklärt, Gerettete zu übernehmen“, betonte der Minister.

Er erwarte, dass die EU-Partner im Umgang mit aus Seenot Geretteten „in der kommenden Woche einen entscheidenden Schritt vorankommen“, sagte Maas. Am Donnerstag beraten die Justiz- und Innenminister der EU bei einem Treffen in Helsinki.

Verteilmechanismus reicht nicht

In der Diskussion über die Verteilung von im Mittelmeer geretteten Migranten in der EU hat der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, einen möglichen verbindlichen Mechanismus begrüßt. Der CDU-Politiker dringt zugleich aber auf weitere Maßnahmen. „Ein stetiger Verteilmechanismus wäre sehr hilfreich, bringt allein aber keine nachhaltige Lösung“, sagte Middelberg am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

„Mittelfristig brauchen wir die Umsetzung der Beschlüsse des EU-Rats vom Juni 2018 – eine noch intensivere Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern zur Reduzierung der Migration und Ausschiffungsplattformen an den Mittelmeerküsten, in denen die Migranten menschenwürdig untergebracht wären, ihre Asylverfahren bearbeitet würden und von wo aus auch Rückführungen organisiert werden könnten.“

Der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Rekowski, sagte dem Deutschlandfunk am Sonnabend, wenn Gerettete nicht an Land kommen können, sei das ein „Stück Fortsetzung des Elends“. „Da muss es Lösungen geben“, forderte er.

Evangelische Kirche ist keine Reederei

Zu den EKD-Überlegungen, ein eigenes Rettungsschiff auf dem Mittelmeer zu betreiben, äußerte sich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland zurückhaltend. Nach dem jetzigen Diskussionsstand gehe er nicht davon aus, dass die EKD allein ein Schiff tragen wird. „Die Evangelische Kirche in Deutschland ist ja keine Reederei“, sagte er.

Derweil hat der spanische Seerettungsdienst nach eigenen Angaben an einem Tag mehr als 140 Flüchtlinge von verschiedenen Booten aus dem Mittelmeer geborgen. Eines der Boote habe auf dem Weg von Marokko nach Spanien bereits zu sinken begonnen, doch konnten alle Insassen gerettet werden, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP. In der Straße von Gibraltar holten die Retter 52 Menschen aus einem überfüllten Schlauchboot.

Die insgesamt 141 Flüchtlinge, darunter auch 28 Frauen und drei Kinder, stammten laut der Sprecherin aus den Ländern südlich der Sahara. Sie seien in die Häfen von Almería und Algeciras gebracht worden.

Seit Januar sind 11.000 Flüchtlinge über das Meer nach Spanien gekommen. Über 200 sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bei der Überfahrt umgekommen. Insgesamt haben demnach 31.600 Migranten bis Juli Europa über das Mittelmeer erreicht, 682 sind dabei ertrunken oder werden vermisst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Respekt der spanischen Küstenwache! Die Bewegung des Herrn Maas ist ja faktisch ein "JA" zur "SEEBRÜCKE" .. und mag Wege öffnen um die NGO Seenotrettung zu verbessern ? ..und die als `inhuman´bedrängte Handelsschiffahrt , die den Routen der Fluchtboote der Flüchtlinge ausweicht ( um Verzögerungen in ihrer Arbeit zu vermeiden..) , könnte mit den NGO Lebensrettern kooperieren ? Ich stehe den Angaben der IOM kritisch gegenüber , es bleibt die Vermutung , dass die Anzahl der in Seenot ertrunkenen Menschen weit höher ist !



    Das nun "JA" zu den Ideen der "SEEBRÜCKE" entspricht, m.E. dem Erfordernis der Zeit ! Die Anzahl afrikanischer Klimaflüchtlinge , die aus Verzweiflung den gefährlichen Weg nach Europa wagen , dürfte in der kommenden Zeit drastisch zunehmen ! Die EU, als "Friedensprojekt" im Stil der U.N.O. bleibt herausgefordert ...

  • Reden Sie Herr Maas mit ihrem Kollegen Seehofer um die Aufnahme von Flüchtenden in 60 Städte in Dt. nicht weiter zu blockieren!

  • Ich bin gespannt, wer sich ebenfalls als "willig" outen wird und wie sich die politische Landschaft in den jeweiligen Ländern in den kommenden fünf Jahren ändern wird.

    Wenn es den so viele Willige gibt, wo waren diese in den letzten paar Jahren. Herr Maas wärmt hier doch nur eine Diskussion auf, die bereits unter seinen Vorgängern beerdigt worden ist.

  • Ach, Herr Maas. Es würde genügen, wenn Deutschland - mehr Willige wird es ja nicht geben - eine Garantie für alle im Mittelmeer geretteten Menschen abgeben würde.



    Welche politischen Folgen das hätte, sei mal dahingestellt.

  • Der frühere (und später) österreichische Bundeskanzler Kurz sagte gestern zum Vorschlag von Maas:

    "Die Verteilung von Migranten in Europa ist gescheitert. [...] Wir diskutieren erneut über Ideen aus 2015, die sich hinlänglich als nicht umsetzbar erwiesen haben. [...] Es ist vielmehr das Gebot der Stunde, den skrupellosen Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen, Menschen nach der Seenotrettung zurück in ihre Herkunfts- oder Transitländer zu bringen sowie Initiativen für Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung in Afrika zu setzen. Wir dürfen keine falschen Signale aussenden und müssen es unbedingt verhindern, dass weitere Menschen ihr Leben bei der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer aufs Spiel setzen."



    www.welt.de/politi...Fluechtlingen.html

    • @Elroy Banks:

      Das ist von dem früheren Bundeskanzler Kurz auf jeden Fall zu kurz gedacht.

      • @Gast1 :

        Schlauchboote für Kurz!