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Ausschreitungen in MoskauRussische Polizei fasst Orhan S.

Nach den fremdenfeindlichen Krawallen hat die Polizei den mutmaßlichen Mörder eines jungen Russen verhaftet. Weitere Zusammenstöße will sie verhindern.

Betende Muslime in Moskau. Ein großes Polizeiaufgebot soll am Tag des Opferfestes für Ruhe sorgen Bild: dpa

MOSKAU dpa | Der Mord eines Migranten an einem jungen Russen hatte in Moskau fremdenfeindliche Ausschreitungen ausgelöst - nun hat die Polizei den flüchtigen Tatverdächtigen gefasst.

Spezialeinheiten haben den 30-Jährigen Orhan S. etwa 100 Kilometer südlich von Moskau aufgegriffen. Dies teilten die Behörden der Nachrichtenagentur Interfax mit. S. habe seit rund zehn Jahren in der russischen Hauptstadt gelebt und zuletzt als Obst- und Gemüseverkäufer gearbeitet. Die Behörden hatten die muslimische Gemeinde in Moskau zu Hinweisen aufgerufen.

Orhan S. soll in der Nacht zum vergangenen Donnerstag einen 25-jährigen Moskauer erstochen haben, der seine Freundin vor Belästigungen schützen wollte. Nachdem Anwohner der Polizei Untätigkeit vorgeworfen hatten, stürmte ein Mob aus Hooligans und Rechtsextremen am Sonntag unter anderem einen von Migranten betriebenen Großmarkt. Am Montag nahmen Sicherheitskräfte bei einer Großrazzia gegen illegale Einwanderer 1200 Gastarbeiter fest. Dadurch sollten die Ultranationalisten beruhigt werden.

Die Moskauer Muslime feiern unterdessen am Dienstag das Opferfest, einen wichtigen religiösen Feiertag. Mehr als 100 000 Menschen beten auf eigens abgesperrten Straßen. Für die große muslimische Gemeinde in der Metropole gibt es nur wenige Moscheen. Ein Sicherheitsaufgebot soll neue Gewaltexzesse unterbinden.

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5 Kommentare

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  • T
    Tolokno

    @Benz

    Es gibt Alltagsgewalt, und es gibt rassistische Gewalt. Ich hoffe, Sie kennen den Unterschied. Es gibt keine marodierenden kaukasischen oder zentralasiatischen Neonazi-Banden, aber es gibt sehr wohl russische Neonazi-Banden, die mordend und auf der Jagd nach allem Nicht-Slawischem durch die Straßen der Städte ziehen. Und die Kirche ist dabei Teil des Problems, wenn der Patriarch von "Selbstverteidigung" über die Ausschreitungen schwafelt. Und auch wenn man von rassistischer Gewalt spricht, so spricht man im modernen Teil der Welt nicht mehr von "Rassenkonflikten", weil es schlicht keine menschlichen Rassen gibt so wie es Tierrassen gibt. Das nur so nebenbei für einen gelernten Russen wie Sie.

  • D
    Denis

    Die russische Politik erntet jetzt, was sie gesät hat. Wenn ständig Stimmung gegen alles Nichtrussische gemacht wird, ist es kein Wunder, dass etliche Gewaltbereite auch irgendwann zuschlagen. Bei den künftigen Sportgroßereignissen werden alle Ausländer, die nicht Nordeuropäisch wirken, ungemütliche Tage erleben. Die Polizei kan nicht jedem Ausländer Personenschutz geben.

  • Sehr gut, dass dieser Verbrecher gefasst wurde. Die russ. Polizei hat sehr effizient gearbeitet und den Mordverdächtigen nach nicht mal 48h gefasst.

     

    @Tolokno

    Ja, leider vergeht in RU kein Monat ohne rassistische Morde. Es ist in der Tat sehr häufig, dass Migranten Morde verüben, über die Bewohner der Gaststädte herfallen. In jeder grösseren russischen Stadt gibt es kaukasische und mittelasiatische Mafiaclans.

     

    Auch muss ich Ihnen Recht geben, dass die russ. Regierung kein Konzept gegen den Rassismus hat, der im ideologischen Vakuum gedeiht. Abhilfe schaffen kann hier nur die Stärkung und Betonung der orthodoxen Identität: Wer sich seiner eigenen Identität sicher ist und diese nicht mehr bedroht ist, ist so gut wie immun gegen Rassismus. Zudem würde die von der orthodoxen Kirche favorisierte Anhebung der Geburtenrate den Bedarf an Arbeitsmigranten senken und so den Rassenkonflikten den Nährboden entziehen.

    • G
      gast
      @Benz:

      das war ironie, oder?

  • T
    Tolokno

    Progrome wie das vom vergangenen Samstag im Süden Moskaus sind mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr in Russland. Es vergeht kein Monat ohne rassistische Morde. Erst im Sommer war eine ganze Stadt auf den Beinen und forderte die "Deportation der Tschetschenen aus der Stadt". Der Regierung fehlen die Konzepte, den epidemischen Fremdenhass in der Gesellschaft einzudämmen. Vielmehr wird die Xenophobie von der Politik noch befeuert, z.B. beim Wahlkampf um das Bürgermeisteramt in Moskau. Selbst die liberalen Parteien bedienten die fremdenfeindlichen Ressentiments. Und so taumelt Russland geradewegs in die erneute Katastrophe des Staatszerfalls.