Ausschreitungen beim G20-Gipfel: Beamte wollten nicht auf die Schanze
Polizeikräfte sollen den Einsatz im Schanzenviertel zunächst aus Gründen der Lebensgefahr verweigert haben. De Maizière will erweiterte Meldeauflagen.
![ein Trupp uniformierter Polizisten und ein Wasserwerfer ein Trupp uniformierter Polizisten und ein Wasserwerfer](https://taz.de/picture/2134865/14/PolizistenimSchanzenviertel.jpeg)
Es sei natürlich ein Konflikt, „wenn der Einsatzführer sagt, wir müssen da jetzt rein. Und die Einheiten sagen: Ja, aber nicht wir“, erklärte Meyer. Die Gefahren für die Polizeibeamten wie für alle Menschen im Viertel seien aber nicht zu kalkulieren gewesen, ohne dass die Angreifer von den Dächern geholt werden. „Dieses Ausmaß an Gewalt haben wir alle noch nicht erlebt.“
Das Vorrücken ins Viertel von einer anderen Seite sei ohne Erfolg probiert worden. „Es ging nicht, die Einheit wurde massiv, auch von erhöhten Positionen aus, angegriffen und musste sich zurückziehen“, sagte Meyer. Bis die Spezialeineinheiten am Ort gewesen seien, habe es so lange gedauert, weil sie nicht für Demo-Einsätze vorgesehen waren. „Wir mussten sie erst zusammenziehen und hinbringen.“
Pistorius: „Merkmale eines Mordversuchs“
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) wertete unterdessen einen Teil der Angriffe auf die Polizei bei den Krawallen im Schanzenviertel als Mordversuch. „Was dort geschehen ist – unten in der Straße Feuer zu legen, um Polizei und Feuerwehr zum Einschreiten zu veranlassen, und diese dann von oben zu bewerfen –, das erfüllt aus meiner Sicht alle Merkmale eines Mordversuchs: Heimtücke, niedere Beweggründe“, sagte Pistorius der Welt.
Pistorius, der im SPD-Bundestagswahlkampf für das Thema innere Sicherheit zuständig ist, sprach sich aber dagegen aus, „diese Gewalt simpel als linksextrem einzuordnen“. Unter den Gewalttätern seien viele, die sich auch als Linksextremisten sehen, „aber das, was sie machen, ist eben mit keiner Ideologie begründbar.“
Innenminister will im Notfall Fußfesseln anlegen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) schlug erweiterte Meldeauflagen für gewaltbereite Linksextreme vor. „Wir sollten ihnen auferlegen, sich in bestimmten zeitlichen Abständen bei der Polizei zu melden oder ihnen notfalls Fußfesseln anlegen“, sagte der Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Die Krawallmacher sollten die Demonstrationsorte gar nicht erst erreichen dürfen.“
Eine solche Meldeauflage sei ein relativ mildes und sehr wirksames Mittel, sagte de Maizière. „Bei hochaggressiven sogenannten Fußballfans gehen wir doch auch so vor.“ Gewalttäter zu stoppen sei Prävention im besten Sinne. Dabei gehe es nicht darum, das Demonstrieren zu verbieten, sondern schwere Gewalttaten zu verhindern. Entsprechende Auflagen dürften nur unter „rechtsstaatlich einwandfreien Voraussetzungen“ angewendet werden.
Maaßen warnt vor gestiegener Gewaltbereitschaft
Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, warnte unterdessen vor einem Erstarken der linksextremistischen Szene. Linksextreme seien stärker als früher bereit, Gewalt gegen den politischen Gegner und gegen die Polizei anzuwenden, sagte Maaßen der Neuen Osnabrücker Zeitung. Zur linksextremistischen Szene zählten rund 28.000 Personen, davon seien 8.500 gewaltorientiert.
Die zunehmende Gewaltbereitschaft zeige sich allerdings bei Extremisten aller Lager, betonte Maaßen. Laut dem vor knapp zwei Wochen vorgestellten Verfassungsschutzbericht haben sowohl links- und rechtsextremistische Szene als auch das radikal-islamische Milieu an Anhängern dazugewonnen. Die Zahl von Gewalttaten stieg insbesondere im Bereich Rechtsextremismus. Die Anhängerschaft der rechten Szene wuchs 2016 auf mehr als 23.000 an. Mehr als die Hälfte der Personen galten als gewaltbereit.
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