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Ausrangierter Fernsehturm in HannoverMillionen für eine Werbetafel

In der Stadt debattiert man, ob Events oder Miniappartments den Fernsehturm hinterm Bahnhof retten. Aber ist das überhaupt sinnvoll?

Suboptimale Wohnlage: Der kleine Fernsehturm hinter Hannovers Hauptbahnhof fungierte lange als Werbeträger für VW Foto: Julian Stratenschulte/dpa

V ielleicht liegt es an meiner urlaubsbedingten Entfernung von Hannover. Manche Rathaus-Diskussionen erscheinen von weitem noch alberner. Die um den „Telemoritz“ genannten Fernsehturm hinterm Hauptbahnhof zum Beispiel.

Der sollte abgerissen werden, weil er als Werbeträger für VW Nutzfahrzeuge ausgedient hatte und so arg sanierungsbedürftig ist, dass man einen zweistelligen Millionenbetrag reinstecken müsste, was selbst VW in der aktuellen Lage für eine Werbetafel zu teuer erscheint.

Prompt erhob sich das Wehklagen. Immerhin haben wir uns an dieses Türmchen als Orientierungshilfe arg gewöhnt, er hat Generationen von betrunkenen Studenten heimgeleuchtet, angeblich kann man ihn auch vom Deister aus sehen. Und überhaupt ist der Mensch ein Gewohnheitstier, Menschen aus Hannover erst recht.

Der Denkmalschutz knickte auch prompt ein. Erst hatte man das Unter-Schutz-Stellen abgelehnt, immerhin ist das Ding zigmal umgebaut worden. Auch die VW-Leuchtreklame, von der manche glauben, sie sei bis zu diesem Sommer immer dran gewesen, wurde erst in den 2000er-Jahren installiert.

Aber plötzlich fand man in der Behörde dann doch, das Türmchen sei historisch genug – der zweite seiner Art bundesweit! – und prägend für die Silhouette der Stadt und so. Gedacht war das wohl so, dass es eine mögliche Um- und Nachnutzung des Türmchens befördern sollte. Dazu lagen zwei Konzepte vor, von denen eines noch ein bisschen irrer ist als das andere.

Eines firmiert unter dem gruseligen Namen „der gute Turm“ und wurde von einer Gruppe um den Musikproduzenten Mousse T. ausgeheckt. Es sieht vor, aus dem Ding eine Kultur- und Eventlocation zu machen, die wirtschaftliche Tragfähigkeit ist zweifelhaft.

Das zweite, eine Art Wohnturm, kommt von dem Unternehmer, der sich einen jahrelangen Rechtsstreit mit der Stadt geliefert hatte, um ein fensterloses Boxhotel genehmigt zu bekommen.

In Teilen der Ratspolitik wurde dieses Konzept als das minimal realistischere bevorzugt. Die informelle Deutschlandkoalition aus SPD, CDU und FDP hat einen entsprechenden Ratsbeschluss herbeigeführt. Der war allerdings nicht mehr als eine Empfehlung an VWN, weil das Unternehmen als Eigentümer den Verkauf beschließt.

Die Grünen fanden es empörend, dass der CDU-Fraktionschef hier einen Bieter befördert, der von seiner Anwalts- und Notarkanzlei vertreten wird. Was aber bei allen anderen nur Achselzucken hervorruft, weil man von CDU und FDP ja eh nichts anderes erwartet.

Mich erinnert die Debatte an die Elternstrategie in der Bock- und Trotzphase, wo du andauernd fragst: Das grüne oder das blaue T-Shirt? In der Hoffnung, so zu verhindern, dass sich das Kind plärrend auf den Boden wirft, weil es sich überhaupt nicht anziehen will. Aber müsste man in diesem Fall noch mal darüber reden, dass Anziehen halt manchmal echt doof ist?

An teurem Wohnraum mangelt es nicht

Beide Entwürfe haben den Haken, dass der Turm als solcher am Ende kaum noch zu erkennen sein wird. Der Entwurf, der nun den Vorzug bekommen hat, sieht zudem circa 120 verschachtelte Mini-Apartments vor.

Die gehören nun aber – aus Mietersicht – zu den teuersten Wohnformen überhaupt, aufgrund der baulichen Besonderheiten hier werden sie sicherlich noch einmal teurer. Der Mangel an teurem Wohnraum ist in Hannover aber gar nicht so groß.

Dazu kommt, dass diese teuren Wohnungen dann zwar mitten in der Innenstadt stehen – aber da, wo sie am hässlichsten, lautesten und räudigsten ist.

Rund herum finden sich seelenlose Klötze aus mehreren Jahrzehnten: Das Bredero-Hochhaus, an dem nichts vorangeht. Die Bahnzentrale. Ein scheußliches Einkaufszentrum. Die vermodernde Raschplatzhochstraße. Die Bahntrasse. Der Busbahnhof. Un-Orte, Nicht-Orte, Transit-Orte. Wer zum Kuckuck will denn so wohnen?

Nun ja, immerhin wird VW Nutzfahrzeuge, dem künftigen „Investor“ ein paar Millionen Euro auf einem Notaranderkonto mitgeben –damit die Finanzierung des teuren Abrisses am Ende nicht an der Allgemeinheit kleben bleibt, wenn all diese großartigen Konzepte gescheitert sind.

Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 15.10. und wurde aktualisiert, nachdem sich VWN für den Verkauf an Wohnturm-Investor Oliver Blume entschieden hat.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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