Ausfall des Videoportals: Pakistan sperrt weltweit YouTube
Eigentlich wollte die pakistanische Regierung das Google-Videoportal nur im eigenen Land sperren lassen - wegen Blasphemie. Durch einen Fehler sperrten sie jedoch YouTube weltweit.
Wer am vergangenen Sonntag seine Zeit mit dem Gucken von YouTube-Filmchen vertrödeln wollte, hatte gut zwei Stunden lang kein Glück: Die Seite samt ihrer Inhalte war wie aus dem Netz verschwunden, ein Kontakt zu den Servern der enorm populären Video-Site von außen nicht mehr möglich. Die Schuld an dem Ausfall traf jedoch nicht die Techniker der großen Suchmaschine Google, dessen Tochterunternehmen YouTube ist. Wie sich inzwischen herausstellte, lag der Ausgangspunkt des kurzfristigen YouTube-Ausfalls im fernen Pakistan.
Übereifrige Mitarbeiter des dortigen staatlichen Telekommunikationsunternehmens Pakistan Telecom hatten eine Anordnung des Informationsministeriums ein wenig zu weitläufig ausgelegt, laut der YouTube in Pakistan zu sperren sei. Der Grund waren mehrere Videos, die die Beamten in die Bereiche "blasphemische Umtriebe" und "dem Islam gegenüber beleidigend" einordneten, darunter auch ein Film, der eine der umstrittenen dänischen Mohammed-Karrikaturen zu Disko-Musik zeigte.
Um YouTube zu sperren, setzten die pakistanischen Techniker auf einen Hackertrick, mit dem sich ganze Internet-Adressbereiche vom Besitzer "entführen" lassen. Das betroffene Google-Netz wurde so in ein virtuelles schwarzes Loch umgeleitet: Fragte der Browser nach youtube.com, wurde plötzlich kein Server mehr gefunden. Und dann kam es zum wirklichen Malheur der Zensoren: Was eigentlich nur für den pakistanischen Teil des Internet gelten sollte, entwischte aus bislang ungeklärten Gründen auch in das weltweite Datennetz. (Angeblich schliefen die Betreiber eines australischen Netzknotens oder Techniker eines Providers in Hong Kong, der Pakistan zentral ans Netz anbindet.)
Resultat: Plötzlich existierten für die Youtube-Server miteinander konkurrierende Routing-Tabellen - das sind jene Datensätze, in denen steht, wohin sich Internet-Pakete bewegen müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. Da die pakistanischen Techniker dabei besonders aggressiv vorgingen, hatten ihre Tabellen plötzlich Vorrang vor denen von Google, mit dem Resultat, dass auch der Rest der Welt stets in die südasiatische Zensurfalle umgeleitet wurde. Erst Stunden später konnten Google-Techniker laut einem Bericht der britischen "BBC" das Problem in Zusammenarbeit mit einigen örtlichen Providern lösen - von nun an war YouTube nur noch in Pakistan gesperrt. "Wir haben festgestellt, dass der Auslöser dieses Ereignisses in Pakistan zu finden ist. Wir untersuchen das und arbeiten mit anderen Partnern in der Internet-Gemeinschaft, damit so etwas nicht mehr passieren kann", hieß es in einem kurzen Statement.
Der Vorfall zeigt die noch immer bestehende Verletzlichkeit des Internet. Der Fehler, den die pakistanischen Techniker ausnutzten, ist bei Experten schon länger bekannt und soll zumindest in Ansätzen bereits von Datendieben und Spammern ausgenutzt worden sein, um eine Strafverfolgung auszuschließen. Allerdings konnten die zuständigen technischen Gremien sich noch auf keine Lösung des Problems einigen.
Hinzu kommt, dass durchaus signifikante Investitionen notwendig wären, um die bei den Internet-Providern arbeitenden Hardware-Gerätschaften zu aktualisieren. Auch aus diesem Grund, bemängeln Brancheninsider, bleibe es häufig beim "kleinsten gemeinsamen Nenner" in Sachen Netzwerktechnologie im riesigen Internet - und der sei eben nicht immer sehr sicher. Bei Google & Co. könnte man mit technischen Tricks aber trotzdem sicherstellen, dass ein Ausfall wie der vom Wochenende nicht mehr vorkommen kann: Schnappt man sich bestimmte Internet-Adressbereiche, sind diese nicht mehr so leicht entführbar.
Dass die pakistanischen Zensoren zu solchen illegitimen Methoden griffen, anstatt gewöhnliche Netzfilter zu verwenden, bleibt jedoch ein Warnsignal. In vielen Ländern der Erde wird das Netz inzwischen zensiert, doch ließen sich stets Mittel und Wege finden, die Blockaden der freien Meinungsäußerung zu umgehen. Doch unfreie Regime scheinen inzwischen selbst solche Tricks zu kennen - und auch zu verwenden.
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