Auschreitungen in Libanon: Tränengas um die Moschee
Erneut treffen in Beirut Sicherheitskräfte und Protestierende aufeinander. Viele Menschen flüchteten vor dem Tränengas in eine Moschee.
Am Wochenende ereigneten sich die bisher schwersten Ausschreitungen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften seit Beginn libanesischen Aufstands im vergangenen Oktober. Die Menschen protestieren gegen die Politiker, die das Land durch Korruption in den Staatsbankrott geführt haben.
Bereits am Samstagmittag versuchte die Polizei, hunderte Demonstrierende mit Wasserwerfern von den Straßen rund um das Parlamentsgebäude zu drängen. Später warf die Bereitschaftspolizei Tränengaskanister in die Menge und feuerte mit Schreckschusspistolen auf die Protestierenden, die wiederum Feuerwerkskörper und Steine warfen. Ein Feuer brannte umliegende Zelte ab, die zivilgesellschaftliche Organisationen sonst für Diskussionen nutzen. Nach Angaben des libanesischen Roten Kreuzes mussten 377 Menschen medizinisch versorgt werden.
Während die Proteste über Wochen hinweg weitestgehend friedlich verliefen, wächst nun die Gewaltbereitschaft auf beiden Seiten. „Seit über 90 Tagen protestieren wir, und jetzt wird klar, dass die Regierung glaubt, das Land gehörte ihnen“, sagte der 30-jährige Musikproduzent Samer Chami der taz.
Er hatte sich an einem Demonstrationszug beteiligt und blieb auch nach den Ausschreitungen vom Samstagabend in der Nähe der Innenstadt, um das Geschehen von einer nahe gelegenen Brücke zu beobachten.
Samer Chami, Musikproduzent und Demonstrant
„Die Frontliner, die viel wütender sind als alle anderen, haben versucht, die Barrikaden vor dem Parlamentsgebäude zu entfernen“, erklärt er. „Dann hat die Polizei mit den Wasserwerfern gestartet und Tränengas geworfen. Sie versuchen, uns zu trennen und dann festzunehmen. Die Armee hat versucht, uns in die Richtung der Bereitschaftspolizei zu drängen, sodass die uns verhaften können.“
Die Polizei nahm 34 Menschen in der Nacht auf Sonntag in Gewahrsam. Chami sagt, es werde versucht, eine Kluft zwischen den Protestierenden zu bilden. „Die Medien versuchen, die Frontliner als Teufel zu diffamieren. Bullshit, das sind Leute von der Revolution. Wir gehören alle zusammen.“
Die Protestierenden fordern eine unabhängige technokratische Regierung. Der designierte Ministerpräsident Hassan Diab ist seit einem Monat mit der Bildung des Kabinetts beauftragt. Am Donnerstag traf er sich mit dem Parlamentssprecher. Es hieß, man sei auf bestem Wege, noch am Abend eine neue Regierung zu benennen. Allerdings folgten der Ankündigung keine Taten.
Streit um Posten
Weil Diab die Größe des Kabinetts von bisher 30 Posten auf 18 beschränken will, ringen die Parteien um Repräsentation. Streit entbrennt auch aufgrund der konfessionellen Zugehörigkeiten. Wie die libanesische Zeitung Daily Star berichtet, möchte die maronitische Marada-Partei mehr als einen Minister stellen, obwohl sie nur mit zwei Abgeordneten im Parlament vertreten ist. Die christliche Partei ist erbost, dass der ehemalige Außenminister und Schwiegersohn des Präsidenten, Gebran Bassil, alle anderen christlichen Minister benennen soll.
Während des Gehaders der Parteien um Repräsentation verschärft sich die Finanzkrise im Land, die üblichen Stromausfälle dauern länger als sonst, es drohen Internetausfälle. Der Ökonom Jad Chaaban schrieb auf Twitter: „Der einzige Ausweg besteht darin, alle gewählten Institutionen aufzulösen und eine unabhängige Übergangsregierung zu ernennen, die wirtschaftliche und politische Notreformen durchsetzt.“
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