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Ausbilder über rechtsextreme Beamte„Behörden blocken das Thema ab“

Polizeiausbilder Christoph Kopke plädiert für mehr Aufklärungsarbeit wegen rechter Haltungen. Gerade aus einem Land im Norden erwartet er mehr.

Polizist*innen in Berlin Foto: dpa
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

taz: Herr Kopke, seit Jahren unterrichten Sie in Berlin Polizeikommissare. Wie oft sind Ihnen dabei Rechtsextreme über den Weg gelaufen?

Christoph Kopke: Ehrlich gesagt noch nie. Noch nicht mal fragwürdige Äußerungen sind mir in Erinnerung. Vielleicht liegt das aber daran, dass die Klientel in Berlin weltoffener ist.

Anderswo sind die Erfahrungen anders. Derzeit wird viel über Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden diskutiert, am Mittwoch erscheint das Buch „Extreme Sicherheit“ dazu. Wie groß ist das Problem?

Seriös kann man darüber keine Angaben machen, denn es gibt bis heute keinerlei Studien dazu. Auch die Sicherheitsbehörden geben dazu nur vorsichtig Informationen heraus – man könnte auch sagen, sie blocken das Thema ab. Aber was man sicher sagen kann: Wenn sich rechte Positionen in der Gesellschaft offensiver artikulieren, dann tun sie das in der Polizei auch.

dpa
Im Interview: Christoph Kopke

52, ist ­Politikwissenschaftler und unterrichtet an der Hochschule für Wissenschaft und Recht in Berlin KommissaranwärterInnen der Polizei.

Die Polizei ist also nur ein Spiegel der Gesellschaft?

Solche gesellschaftlichen Stim­mungen gehen ja nicht an Polizisten vorbei. Aber an die Polizei stellen sich andere Anforderungen: Sie kann sich nicht mit Polarisierungen in ihren Reihen abfinden. Hier darf es keinerlei Zweifel geben, dass die Beamten voll und ganz hinter dem Recht und Gesetz stehen.

Zuletzt fielen hessische PolizistInnen mit rechtsextremen WhatsApp-Gruppen auf oder Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern, die Munition für einen „Tag X“ geklaut haben sollen, oder zwei sächsische SEK-Beamte, die sich in Dienstlisten als NSU-Mörder Uwe Böhnhardt eintrugen. Was ist da los?

Die Fälle haben jeweils eine unterschiedliche Qualität, da muss man differenzieren. Es ist ein Unterschied, ob irgendwelche Meinungen und Positionen geäußert oder geschmacklose Witze gemacht werden oder ob sich tatsächlich rechtsextreme Strukturen bilden, die entsprechende Handlungen vorbereiten. Das sollte man unterscheiden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer und andere reden von Einzelfällen. Kann man das überhaupt noch sagen?

Es gibt bundesweit je nach Zählung vielleicht 240.000 Polizisten und Polizistinnen. Da sind diese Vorfälle natürlich Einzelfälle. Aber es ist inzwischen eine ganze Masse an Einzelfällen. Da gibt es schon Handlungsbedarf.

Sehen Sie denn, dass angemessen reagiert wird?

Unterschiedlich. Hier in Berlin erlebe ich, dass das Problem durchaus ernst genommen wird. In Brandenburg, wo das Land schon vor Jahren eingestanden hat, dass es ein Problem mit Rechtsextremismus hat, auch. Bei anderen Bundesländern habe ich meine Zweifel.

Bei welchen?

Ich habe nicht überall einen intensiven Einblick. Hessen etwa hat nach den jüngsten Vorfällen eine rückhaltlose Aufklärung versprochen – das sollten wir nun abwarten. Aber nehmen wir noch mal den Fall in Mecklenburg-Vorpommern, wo sich Polizisten und andere zusammentun, Waffen beschaffen und offenbar über einen Umsturz sinnieren. Das sind sehr schwerwiegende Vorwürfe – zu denen ich von der zuständigen Polizeiführung noch nicht so viel gehört habe.

Wie sollte die Polizeiführung denn reagieren?

Es muss in der Polizeiführung, und auch in den Innenministerien, eine klare Bereitschaft geben, sich dieses Problems anzunehmen. Und eine klare Botschaft: Solche Tendenzen dulden wir nicht, hier greifen wir sofort ein. Auch in der Aus- und Fortbildung sollte das Thema immer wieder aufgerufen werden. Und vielerorts geschieht das ja auch. Es wäre wohlfeil, zu sagen, die Polizei macht nichts. Ich kenne viele engagierte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte.

Inzwischen sind auch viele AnhängerInnen der AfD in der Polizei – während die Partei weiter nach rechts driftet. Was macht das mit dem Apparat?

Das ist eine große Herausforderung. Denn die AfD agiert ja chamäleonartig: Sie gibt sich als Partei für Recht und Ordnung, als Freund der Polizei. Sie verspricht den Polizisten Rückhalt, den ihr die Politik angeblich nicht gibt. Aber gleichzeitig untergräbt sie mit ihrer Politik genau diesen Rechtsstaat, hat sich innerhalb kurzer Zeit von einer konservativen Abspaltung zu einer in weiten Teilen rechtsextremen Partei entwickelt. Das ist eine Bedrohung. Und das muss man auch so klar kommunizieren.

Die Gewerkschaft der Polizei hat das getan: Sie nannte es „höchst problematisch“, wenn sich PolizistInnen in einer Partei engagieren, die unter Extremismusverdacht steht.

Und damit hat die Gewerkschaft recht. Solange die AfD nicht verboten ist, können sich auch Polizisten in der Partei engagieren. Aber, wie gesagt: Es muss immer klar sein, dass sie fest hinter der Verfassung stehen. Und wo das in Zweifel steht, muss gehandelt werden.

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6 Kommentare

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  • Meine Nichte hat bei der Polizei in BW angefangen und ist sicher nicht rechts.

    Man sollte die Kirche doch auch mal im Dorf lassen.

    Es gibt rassistische Polizisten und dort vielleicht auch im Mittel etwas mehr als sonstwo aber mehr auch nicht.

    Die Polizei ist nicht das Problem an sich und Leute wie H. Kurnatz (erschoss Benno Ohnesorg) haben es heutzutage schwerer als damals.



    Mehr wird man nicht so einfach erreichen.

    Man sollte auch bedenken, dass viel Polizeigewalt indirekt von der Politik angeordnet wurde und wird.

  • In der Bereitschaftspolizei-Abteilung in Mülheim (Hessen) sind vor kurzem sechs PolizeischülerInnen aus dem Dienst entfernt worden, weil sie rechte bzw. rechtsextreme Inhalte per Smartphone geteilt und verbreitet haben sollen – diesbezügliche Strafverfahren sind anhängig; zuvor war in der Mühlheimer Polizeiabteilung ein Dienstgruppenleiter aufgefallen, weil dieser u. a. Bilder mit “Hakenkreuz-Plätzchen“ per Whatsapp an KollegInnen verschickt hatte (Frankfurter Rundschau 07.09.19). FR-Zitat: “(…) ...die Polizeianwärter stünden unter Verdacht, einander in einer Whatsapp-Gruppe während ihrer Ausbildung Bilder geschickt zu haben, 'die mindestens menschenverachtend sind, zu großen Teilen aber vor allem rassistisch und antisemitisch' (...)“ (Süddeutsche Zeitung u. Frankfurter Rundschau, 08.09.19).

    Ähnliche Fälle waren von den polizeilichen Ausbildungsstätten/ Polizeifachschulen in Leipzig (Sachsen) und Berlin bekannt geworden: Im Oktober '18 war von Leipziger PolizeischülerInnen nachfolgender rassistischer Wortlaut im Chat verbreitet worden: "Wir sind aus Cottbus und nicht nicht aus Ghana, wir hassen alle Afrikaner. Ole Ole“. Ein ehemaliger Polizeischüler hatte dies publik gemacht (Rheinische Post, 26.10.18).

    In Berlin waren im Mai dieses Jahres zwei Polizeischüler durch “Sieg Heil“-Rufe aufgefallen. Dieser Vorfall fiel mitten in die Debatte um ein rechtes/ rechtsextremes Netzwerk innerhalb der Berliner Polizei. Die Berliner Polizeiführung schwieg tagelang zu diesem brisanten Thema (Der Tagesspiegel, 31.05.19).

    Man kommt hierbei nicht umher festzustellen, dass die Auszubildenden der Polizei, die PolizeischülerInnen (angehende PolizeivollzugsbeamtInnen), mancherorts ihren “erwachsenen KollegInnen“ in punkto Rassismus/ Rechtsextremismus nacheifern und hier bereits eine neue Generation rechter/ rechtsextremer Polizeibeamter in der Startlöchern steht. Diesbezügliche Vorgänge - interne Ermittlungen in zahlreichen Verdachtsfällen – in den Bundesländern...

    • @Thomas Brunst:

      ... Sachsen, Hessen (mind. 45! Verdachtsfälle in denen ermittelt wurde und noch wird) und Berlin sprechen für diese These und werfen ein “schlechtes Licht“ auf die jeweiligen Landesregierungen - und im besonderen auf die Innenministerien/ Innenverwaltungen dieser Länder, welche dieses Thema ignorieren, verdrängen und totschweigen: “Der Fisch fängt...“ bekanntlich “...vom Kopf her an zu stinken“!

  • Ich halte es für eine Ausrede, zu behaupten die Polizei sei bloss ein Spiegel der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird a) nicht überprüft für den Staatsdienst, b) hat keine so weitreichenden Möglichkeiten ihre polit. Einstellung zu benutzen und zu verbreiten.



    Des Weiteren sei gesagt, daß Herr Wendt, der Chef der nationalen Polizeigewerkschaft GdPol ein bekennender rechter ist, der auf allen Veranstaltungen im rechten Umfeld Reden hält. Er ist auch Berater des Innenministers, der Chef der GdP ist das nicht.....

  • Schwarz-braun durchseuchte Sicherheitsapparate in EU-Europa

    Zitat: „Bundesinnenminister Horst Seehofer und andere reden von Einzelfällen. Kann man das überhaupt noch sagen?“

    Einer IFOP-Studie zufolge haben die Sicherheitskräfte Frankreichs (inkl. Polizei, Armee und Geheimdienste) eine im Vergleich zum Landesdurchschnitt doppelt so hohe Wahlaffinität zum „Rassemblement Nationale“ (44 % gegenüber 23%) und zum RN-Verbündeten „Debout la France“ (DLF, 4% zu 2%). (Vgl. "Radioscopie de l’électorat du Front National", IFOP, 18/04/2017). Mithin darf fast die Hälfte der Beamten der französischen Sicherheitsapparate zum stabilen Wählerstamm des französischen Pendants zur AfD gezählt werden.

    Warum sollte das in der übrigen EU und vor allem ausgerechnet in Deutschland nun anders sein mit seiner Tradition der Freicorps mit Hakenkreuzen an den Stahlhelmen, der „Schwarzen Reichswehr“, eines SD-geführten BKA in den Nachkriegsjahren, nationalkonservativer Bundeswehrgeneräle wie Speidel und Heusinger, des „Unna- Papiers“ von General Middendorf gegen das Prinzip der „Inneren Führung“ („nahe an Revolte und Putsch“ - „Die Zeit“), der Günzel- und jüngst der Maaßen-Affäre sowie der unverhohlen AfD-affinen Positionen von Bundespolizei-Chef Romann und DPolG-Chef Wendt.

    Sehr auffällig ist schließlich das in den Corporate Media vorherrschende ohrenbetäubende Schweigen zu den von dieser Zeitung verdienstvollerweise aufgedeckten Umsturzplänen in Polizei und Bundeswehr („Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr: Hannibals Schattenarmee“, Taz v. 16.11.2018)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Nicht vergessen sollte man auch, dass Rechtsextreme immer wieder empfehlen, sich bei Polizei, Militär und auf sonstige relevante Bereiche des Staatsapparats zu bewerben. Auch den "Marsch durch die Institutionen" haben sie von '68 kopiert.