piwik no script img

Ausbilder über Reiseleiter„Chancen für Quereinsteiger“

Wie wird man Reiseleiterin? Theorie allein genügt nicht, sagt der Ausbilder Mario Hecktor. Erst die Praxiswoche zeigt, ob man geeignet ist.

Die Ausbildungsgruppe im Praxistest: Die „Reiseleiterin“ muss das Heft in der Hand behalten Foto: Franz Lerchenmüller
Franz Lerchenmüller
Interview von Franz Lerchenmüller

taz.am wochenende: Herr Hecktor, ­Beichtvater, Organisatorin, Showtalent, Stim­mungskanone, Wissenschaft­lerin, Ausdauersportler – Rei seleiterInnen müssen wahre ­Multitalente sein. Kommen da nur Alphaweibchen und -männ chen infrage, die berühmten Rampensäue?

Mario Hecktor: Wenn man darunter jemand versteht, der ini­tiativ und eigenständig ist, auf Menschen zugeht, sich Konflikten stellt, diese zu lösen versucht und selbstbewusst vor einer Gruppe auftreten kann und Aufgaben übernimmt – dann ja. Meint man allerdings jemanden, der machthungrig und profilneurotisch ist, dann ist sie oder er am vollkommen falschen Platz.

Und diese vielfältigen Fähigkeiten kann man erlernen?

Wir können die wichtigsten Dinge, die man als ReiseleiterIn beherrschen muss, in einem Seminar vermitteln: Reiserecht, Didaktik, Konfliktmanagement, Gruppenführung, Planung und Organisation. Nach fünf Tagen weiß ich: Was brauche ich, um in der Arbeit mit einer Gruppe zu bestehen? Die Praxiswoche bildet dann den Härtetest: Kann ich das, was ich gelernt habe, auch praktisch umsetzen?

Wie lange gibt es Ihre Ausbildung schon?

Wir haben das ganze Paket mit fünftägigem Seminar und den Praxisreisen vor 13 Jahren entwickelt und in dieser Zeit über tausend Menschen ausgebildet.

Vielen gilt der Beruf ReiseleiterIn immer noch als Traumjob. Somit kommen sicher auch BeweberInnen, die einfach nicht dafür geeignet sind. Lassen Sie denen ihre Illusionen – in der Hoffnung, dass sie weitere Seminare buchen?

Wir führen schon im Vorfeld zahlreiche Gespräche und vermitteln den BewerberInnen ein realistisches Bild des Berufs: Viel Einsatz und Idealismus sind da gefragt, Reichtümer sammelt man wahrlich nicht. Stellt sich während des Seminars heraus, dass jemand sich später eher schwertun würde vor einer Gruppe, oder dass sie oder er noch an seiner Persönlichkeit arbeiten muss, diskutieren wir in Vieraugengesprächen, ob das tatsächlich der richtige Weg ist.

Bild: Franz Lerchenmüller
Im Interview: Mario Hecktor

54, arbeitet seit 25 Jahren als Reiseleiter, Produktmanager für Trekkingreisen und Berufspädagoge. Er ist einer der vier Coaches der Firma Travel & Perso­nality, die die Reiseleiterseminare und Praxiswochen anbietet.

Was sind besonders geeignete Vorerfahrungen für den Job?

Ein Studium in Geografie, Politik, Biologie, Archäologie oder Kunstgeschichte prädestiniert natürlich für den Bereich Studienreisen. Aber auch wer in normalen Berufen mit Menschen zu tun hat – Erzieher, Lehrer und Ähnliches – hat anderen oft schon einiges voraus.

Eine staatlich anerkannte Ausbildung als ReiseleiterIn gibt es in Deutschland nicht?

Die gibt es nicht. Die großen Veranstalter bilden ihre Guides meist selbst aus. Aber unser Zertifikat ist in der Branche sehr ­bekannt, man schätzt die Qualität unserer Ausbildung.

Erwarten denn viele der TeilnehmerInnen, dass Sie ihnen auch gleich einen Job vermitteln?

Bei 2.500 Reiseveranstaltern in Deutschland gibt es immer wieder realistische Einstiegsmöglichkeiten. Bei den größeren Firmen herrschen strengere Einstiegsbedingungen. Aber gerade der Bereich Erlebnisreisen bietet häufig Chancen für Quereinsteiger – es hängt natürlich auch davon ab, ob man sein ganzes Geld damit verdienen will oder nur eine Teilzeitbeschäftigung sucht. Unsere Firma ist auch Veranstalter von normalen Reisen, wir übernehmen selbst immer wieder Leute, die wir ausgebildet haben. Und wir bekommen Anfragen von Mitbewerbern, die uns bitten, jemand zu empfehlen. Dann stellen wir Kontakte her, über Plattformen oder persönlich. Manche Menschen ­nutzen aber unsere Seminare auch einfach nur, um auszutesten, inwieweit es für sie überhaupt infrage kommt, aus ihrem Alltag auszubrechen und etwas ganz Neues auszuprobieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!