piwik no script img

Ausbau der Bahnlinie München-Berlin„Ein Erfolg mit einem Makel“

Nur noch vier Stunden soll ab Ende 2017 die Bahnfahrt zwischen München und Berlin dauern. Für Karl-Peter Neumann nicht nur ein Grund zum Feiern.

Über die 1104 Meter lange Grümpentalbrücke wird zukünftig nach München oder Berlin gebraust Foto: dpa
Interview von Jonas Achorner

taz: Herr Naumann, seit Freitag ist der wohl schwierigste Teil der ICE-Neubaustrecke zwischen Ebensfeld und Erfurt fertig. Was bedeutet der Lückenschluss zwischen Bayern und Thüringen für den Neubau?

Karl-Peter Naumann: Es ist wichtig, dass es jetzt wieder eine schnellere Verbindung zwischen Berlin und München gibt. Zeitweise hat sich durch den Bau der Verkehr um bis zu eine Stunde verzögert, jetzt wird dort das Bahnfahren wieder attraktiver.

Ist das Projekt an sich ein Erfolg?

Es bietet für den Bahnverkehr zwischen München und Berlin große Vorteile. Aber leider wird die Verbindung über Erfurt geführt – von allen Strecken liegt diese am weitesten im Westen. Die direkte Linie geht eigentlich über Leipzig: Sie wäre sinnvoller gewesen, da es die Anbindung an weitere ostdeutsche Städten erleichtert hätte. Dies war in den 90ern eine politische Entscheidung. Die Bahnverbindung ist zwar ein Erfolg, aber mit einem Makel.

Allein in diesen Streckenabschnitt wurden 3,8 Milliarden Euro gesteckt – ist das notwendig?

Die hohen Kosten kritisieren wir. So wurde im topografisch schwierigen Gelände mit Brücken und Tunneln für bis zu 300 Stundenkilometer neu gebaut, während im Flachland nur für 230 ausgebaut wurde. Man hätte die flachen Streckenteile kostengünstiger neu bauen können. Das ersparte Geld hätte für eine bessere Raumerschließung nach Leipzig und Dresden genutzt werden können.

Im neuen Bundesverkehrswegeplan sollen erstmals Schiene und Straße gleichgesetzt werden – sind das gute Zeiten für Bahnfahrer?

Es fehlt ein Gesamtkonzept Schiene, wie es die Schweiz schon in den 80er Jahren für die Jahrtausendwende formuliert hat. Das war eine sehr sinnvolle Methode. Man sieht es auch an diesem Projekt, die Verbindung zwischen München – Berlin ist gut für den Bahnverkehr, aber schaut man nach Jena oder Leipzig, sieht die Sache leider schon schlechter aus.

Bild: Pro Bahn
Im Interview: Karl-Peter Naumann

Karl-Peter Naumann, 65, ist Ehrenpräsident des Fahrgastverbandes Pro Bahn, der Verbraucherverband vertritt die Interessen der Fahrgäste des öffentlichen Personenverkehrs.

Glauben Sie, dass die Neubaustrecke zwischen München und Berlin ab Ende 2017 tatsächlich dazu führt, dass niemand mehr fliegt?

Wir haben schon bei der Strecke zwischen Hamburg und Berlin gesehen, dass solche Angebote angenommen werden. Mit bis zu dreieinhalb Stunden vonBerlin nach München wird die Bahn für viele Reisende eine hochinteressamte Sache sein. Aber für den Bahnverkehr insgesamt ist es leider nicht der ganz große Knaller – das wäre ein Schienengesamtkonzept wie in der Schweiz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ich bin jetzt kein Verkehrsfritze. Aber weil ich diese Strecke oft fahre und wenn die Fahrt dann wirklich nur noch dreieinhalb Stunden dauert, dann sage ich mal:

     

    " Wer zügig fahren will, fährt mit dem Zug."

     

    So der Slogan der DB 1965

    • @88181 (Profil gelöscht):

      oder auch alle reden vom Wetter, wir habens längst aufgegeben DB 1957

  • Gesamtkonzepte sind zwar eine schöne Idee, aber hat nicht die Fragmentierung der Bahnplanung im Föderalismus zu dem guten Netz geführt, was wir hier heute haben?

  • Grundfehler der deutschen ICE-Strecken K-FFM, Stg-Ulm und B-Mü:

    Sie sind für Güterzüge untauglich wegen zu großer Steigungen.

    Das ist für die Wirtschaftlichkeit ein Desaster.

    Die "alten" Strecken und auch der Gotthard können beides - und sind somit viel profitabler.

    Die Betonierung des Thüringer Waldes ist eisenbahntechnischer Schwachsinn.

    Im Saale-Tal wäre es billiger gewesen und die Anschlüsse an bestehenden Strecken wären wesentlich einfacher gewesen.

    Aber das Winzbundesland Thüringen wollte ja seine "Hauptstadt" anschließen.

    Die ist etwa halb so groß wie die größten Landkreise in NRW.

    Aber wir haben es ja - das Geld.

    PS

    Wenn da pro Richtung und Stunde ein Zug fährt - wäre ein Hubschrauber-Shuttle oder der Flieger viel billiger gewesen.

    Eine Riesenverschwendung.

  • Den Wettbewerb mit dem Flugzeug kann die Bahn mit immer schnelleren, teureren und riskanteren Hochgeschwindigkeitszügen nicht gewinnen.

  • Kuriose Argumentation vom Chemiker.

     

    1. Leipzig und Dresden sind (mittlerweile) gut angebunden und weitere Verbesserungen sind geplant. Für Erfurt gilt dies nicht.

    2. Auf der Relation Berlin--Hamburg gibt's keine Charterflüge, weshalb das Beispiel nichts bringt.

    3. Die billigste Lösung ist nicht immer die langfristig sinnvollste.

    4. In der kleinen Schweiz gibt's faktisch nur Regionalverkehr. Auf so kleiner Fläche mit niedrigen Geschwindigkeiten sind integrale Taktfahrpläne natürlich leicht zu machen, aber sie machen den Verkehrsfluss nicht besser, sondern kundenfreundlicher. Fährt man von München nach Berlin, ist es unerheblich, ob die jeweiligen S-Bahnen haar- bzw. minutengenau für diesen Zug im Umlauf sind. Für die Fahrt von Basel nach Zürich und weiter nach Zug sieht das wieder anders aus.