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Ausbau der A 100Mit 200 Sachen zurück in die 50er

Kommentar von Sarah Vojta

Vor 70 Jahren stand die A 100 in Berlin für Zukunft. Heute sollte die Politik die Ausbaupläne verwerfen – und auf klimafreundliche Alternativen setzen.

Protest der Fridays For Future Bewegung gegen den Weiterbau der A100 in Berlin im Februar 2023 Foto: Stefan Boness

W er mit dem Auto aus Neukölln nach Lichtenberg oder Pankow will, quält sich meist im Stop-and-go durch verstopfte Straßen. Denn dort, im Südosten Berlins, endet heute die A 100. Ab dem kommenden Jahrzehnt soll es auf der Stadtautobahn flüssig bis zur Storkower Straße gehen. Aber der Ausbau gefährdet Wohn- und Freiräume – und er zieht enorme Klimafolgen nach sich.

In den 1950er Jahren war die A 100 mal eine Zukunftsvision. Als Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg vielerorts zerstört war, überlegten Stadtplaner, wie die moderne Metropole aussehen sollte: umschlossen von einem Autobahnring. Dem kam aber der Bau der Berliner Mauer zuvor und der Ring wurde nur ein halber. Nach der Wende einigte man sich schnell auf den Weiterbau, und auch die vergangenen Jahre machten deutlich, dass eine andere Verkehrslösung hermuss: Mit der steigenden Ein­woh­ne­r*in­nenzahl nahm auch die Anzahl der Autos zu. Das führte zu immer mehr Staus.

Illustration von Ali Arab Purian
Die taz total utopisch

🐾 Von der Kneipe an der Ecke bis zum solidarischen Garten in Bogotá: Junge Au­to­r*in­nen haben sich auf die Suche nach utopischen Ideen begeben. Die dabei entstandenen Artikel haben sie in einer Sonderausgabe der taz veröffentlicht.

Der A 100-Ausbau soll also Entlastung bringen. Das erste Teilstück bis zum Treptower Park wird bereits gebaut, das zweite ist fest im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Dafür hat das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium auch die Mehrheit hinter sich – 54 Prozent der Ber­li­ne­r*in­nen waren laut einer Umfrage zuletzt für das Autobahnprojekt. Und mit CDU-Bürgermeister Kai Wegner sitzt seit diesem Frühjahr auch im Roten Rathaus wieder ein Unterstützer.

Den Bau lässt sich der Bund einiges kosten: Für die rund 7 Kilometer bis zur Storkower Straße müsste er wohl an die 2 Milliarden Euro ausgeben. Der veranschlagte Kostenrahmen wurde dabei immer wieder gesprengt.

Schule, Wohnhäuser und Clubs würden platt gemacht

Nicht in eine Summe pressen lässt sich, was vielen Menschen wohl weit teurer ist: Wenn man die Autobahn quer durch die Stadt prügelt, müssen dafür mehrere Häuser weichen – wahrscheinlich eine Schule, Wohngebäude, mehrere Clubs. Noch beunruhigender sind die möglichen Klimafolgen.

Denn der Ausbau der A 100 würde Unmengen an Zement verschlingen und der setzt in der Herstellung viel CO2 frei. Zudem zeigen Modelle, dass Menschen häufiger ins Auto steigen, wenn das Straßennetz gut ausgebaut ist. Anstatt durch vermeintlich flüssigeren Verkehr Abgase einzusparen, würde der Ausstoß im Gegenteil sogar zunehmen.

Abgase und Klimawandel spielten in den Zukunftsvisionen der Fünfzigerjahre noch keine Rolle. Heute ist aber klar, dass die Erderwärmung unsere größte Herausforderung ist.

Statt das anzuerkennen und ihren Wäh­le­r*in­nen zu erklären, beharren CDU und FDP auf siebzig Jahre alten Plänen, wonach das Auto des Menschen bester Freund ist. Sie täten besser daran, eine zeitgemäße Lösung zu finden.

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7 Kommentare

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  • Wenn ich die katastrophale Verkehrssituation in den meisten deutschen Städten betrachte, das Staustehen auf der Straße, das Zuspätkommen bei der Bahn und das oft Nichtvorhandensein öfffentlicher Fortbewegungsmittel, dann denke ich wehmütig an meine Zeit in Tokyo zurück...



    Das Straßen- und Autobahnnetz ist ähnlich ausgebaut, wie in Berlin oder Hamburg. Und doch hätte man tagsüber auf der Straße spazieren gehen können. Man sieht fast nur Taxis und Lieferverkehr, Privatautos fallen regelrecht auf. In Tokyo fährt man mit den Öffentlichen. Das liegt nicht nur an der Verfügbarkeit und Pünktlichkeit (und günstigen Preisen), der Staat kann es sich leisten, Autofahren teuer zu machen. Öffentliche Parkplätze sind selten und gelten nur bis 18.30 Uhr, danach müssen sämtliche Pkw entfernt werden. Meine Wohnung hat (vor Jahren) 600 € monatlich gekostet, ein Stellplatz für ein Auto hätte mit weiteren 350 € zu Buche geschlagen (und ohne Nachweis über einen Stellplatz erhält man in Tokyo keine Kfz-Zulasung!). Das sparen sich die meisten Tokyoter.



    Autos brauchen nur Gewerbetreibende und einige wenige Arbeitnehmer, die (selten genug) Arbeitszeiten haben, die nach 23.30 Uhr enden und somit Außerhalb der Fahrzeiten der Öffis liegen. Diese erhalten dann aber oft von der Stadtverwaltung eine Parkmöglichkeit oder der Arbeitgeber stellt ein Fahrzeug. Das betrifft allerdings fast nur Menschen, die in Krankenhäusern oder der Grundversorgung arbeiten (nicht einmal Toyota hat eine Nachtschicht in seinen Werken).



    Wenn man das erlebt hat, merkt man, wie einfach die ganze Sache sein könnte.

    • @Cerberus:

      Japan ist aber nunmal was anderes, als Deutschland. So wird dir das jeder Autolobbyist sagen.

  • Staus jeden Tag? Verursachen ebenfalls viele Abgase. Wie auch eine weitergebaute A100.

    Lösung? Wenn es da so verstopft ist, dann gibt es offenbar viele Pendler, die da durch müssen. Was macht man in so einem Fall? Eine Bahnstrecke bauen!

  • Niemand fährt in Berlin gern Auto, natürlich gibt es auch Autonarren, ich schreibe hier für eine Normala die in 10247 Berlin lebt. Es geht nicht immer ohne Auto...eine A100 bis Storkower Str.



    ein Traum, der sogar in der Nacht ein Lächeln hervorzaubern würde.



    In jeder normalen Stadt wäre der Ring sofort nach der Wende geschlossen worden und hätte nur Peanuts gekostet.



    Ich fahre, wo immer es geht, Fahrrad und wenn's nicht geht BVG .



    Mit dem Auto bewege ich mich nur wenn es sein muß....und ein A100 Anschluss es wäre sooooo schön.



    Ps. Gut 2/3 meiner Bezugspersonen leben autofrei...aber verstehen, daß es Berliner gibt die ein Auto brauchen.



    Verstehen auch das in Friedrichshain für ( leider) sehr viele, ein E Auto aus Ladegründe nicht in Frage kommt.



    Ich träume auch von Laternen die als Lader in Frage. kommen...war angedacht nie wieder was gehört.

  • WES: ja, aber mit 100 km die Stunde und ab 19 bis 6:00 Uhr 130 Stunden Kilometer. Das nur am Rande aber sehr beeindruckend finde ich das!



    Auf die A 100 würde ich verzichten. Wir wollen den Individualverkehr verringern und wegen zu den LKW Verkehr.

  • Amsterdam hat seine vergleichbare A10 schon längst fertig.

    • @Wes:

      So what?