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Aus von MissbrauchsfondsMissbrauchsbeauftragte fordert gesetzliche Regelung

Der Fonds für Opfer sexualisierter Gewalt steht vor dem Aus. Die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus fordert ein haushaltskonformes Nachfolgemodell.

Kerstin Claus bei einer Podiumsdiskussion auf dem 103. Deutschen Katholikentag Foto: Jan Woitas/dpa

Berlin epd | Nach dem absehbaren Aus des Fonds für Opfer sexualisierter Gewalt spricht sich die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus für eine gesetzliche Grundlage der Unterstützung aus. „Ein guter Ansatz wäre, den Fonds durch einen zusätzlichen Paragrafen im UBSKM-Gesetz abzusichern“, sagte Claus dem Evangelischen Pressedienst. Zudem appellierte die Beauftragte an die Abgeordneten des Bundestags, „bei den Haushaltsberatungen Geld für diese niedrigschwelligen Hilfen für Missbrauchsopfer zu beschließen“. Sie stünden in der Pflicht, gerade weil der Staat diese Taten nicht habe verhindern können, sagte Claus.

Der 2013 gegründete Fonds sollte ursprünglich insbesondere Opfern sexueller Gewalt im familiären Kontext niedrigschwellig und unbürokratisch Hilfen gewähren. Inzwischen beteiligen sich auch Institutionen daran. Im März wurde bekannt, dass der Fonds auslaufen soll. Hintergrund ist Kritik des Bundesrechnungshofs an dem Fonds, aus dem Hilfen oftmals ohne klare zeitliche Vorgaben ausgezahlt werden. Anträge sollten nach der damaligen Aussage der Ampel-Regierung nur noch bis Ende August möglich sein.

In dieser Woche verschärfte sich die Lage nochmals: Auf der Internetseite des Fonds wurde am Dienstag mitgeteilt, dass wegen eines erhöhten Antragsaufkommens nur noch bis zum 19. März dieses Jahres eingegangene Erstanträge bewilligt werden können. Die verfügbaren Haushaltsmittel seien „vorzeitig erschöpft“. Im am Dienstag beschlossenen Haushaltsentwurf der Bundesregierung für dieses Jahr fehlen neue Mittel für den Fonds.

„Missbrauch hört nicht auf“

Claus kritisierte, dass trotz der unsicheren Lage des Fonds bei der Übergabe an die neue Bundesregierung kein Modell für eine künftige, haushaltskonforme Lösung vorgelegen habe. Es gehe um zwei Dinge, sagte Claus: Die finanziellen Mittel bereitzustellen und die Struktur der künftigen Hilfen rechtssicher neu aufzustellen.

Dennoch glaubt die Missbrauchsbeauftragte an eine Lösung in absehbarer Zeit. „Ich nehme Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) als eine Politikerin wahr, die verstanden hat, wie essenziell der Fonds für Betroffene ist“, sagte sie. Auch Berichte Betroffener zeigten immer wieder, wie sehr diese individuellen Leistungen das Leben Betroffener verbesserten. „Missbrauch hört nicht auf, deswegen müssen auch die Hilfen bleiben“, sagte sie.

Das noch kurz vor der Bundestagswahl in diesem Jahr beschlossene Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen stellt die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) auf eine gesetzliche Grundlage. Es tritt am 1. Juli in Kraft.

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8 Kommentare

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  • Warum werden die Kosten nicht bei den "Organisationen" eingetrieben die das Umfeld geschaffen haben in dem Mißbrauch in großen Umfang möglich wurde?

    • @Bolzkopf:

      Weil die Abwehr dort so stark ist.



      Die meisten "Organisationen" haben eine befristete Mitarbeit mutmaßlich auch Kostenbeteiligung erklärt.

      Es gibt auch das OEG/ SGBXIV, das das gleiche Anliegen in allgemeiner Form hat, dort gibt es keine Befristungen.



      Dort gibt es auch Zahlungen, das muss man sich aber individuell ansehen.

      Bin Ihrer Meinung : Verursacherprinzip bei Schäden. Das Problem entsteht dadurch, dass der Geschädigte juristisch schwächer als der Schädiger ist.

      www.fonds-missbrau...igte-institutionen

      www.bmas.de/DE/Soz...ungsrecht-art.html

  • Sollten die Kosten nicht dem Verursacher (m/w/d) in Rechnung gestellt werden?

    • @elektrozwerg:

      Was nützt es, wenn dieser kein Geld hat?

  • „Missbrauch hört nicht auf, deswegen müssen auch die Hilfen bleiben“

    Das ist ein verheerende Prognose.

    Denn es geht ursächlich um:



    "... Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ..." und deswegen auch um das zugehörige in ein paar Tagen wirksame Gesetz.

    Gemeint war mutmaßlich : "Die Folgen von Missbrauch hören so schnell nicht auf." Das wäre richtig, denn es handelt sich um "Generationendelikte", also Delikte, die über mehr als eine Generation wirksam bleiben können.



    Mit Geld kann man diese Schäden, wesensimmanent nicht entschädigen. Es geht um die Folgen.



    Der Rechnungshof hat insoweit recht, als die ausufernde Belohnung eines Krankheitsgewinns so wenig gesund ist wie eine Anerkennungspedanterie, die den Opfern nur die Narben aufreißt.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Ihr letzter Absatz verhöhnt diejenigen, die solche sexualisierte Gewalt erlebt haben. Die Gelder von dem Fonds sind keine "Belohnung" oder Entschädigung, sondern helfen Betroffenen, ihr Leben wieder auf die Kette zu kriegen. Z.B. wenn darüber Psychotherapie oder ein Teil der Therapiehund-ausbildung finanziert werden kann. Oder es Möglichkeiten gibt, mithilfe der Mittel trotz krasser psychischer Beeinträchtigungen eine Ausbildung zu machen o.ä., also Gewaltfolgen zu lindern.

      Und mir wäre kein Bericht von Betroffenen bekannt, die sich über zuviel Anerkennung beschweren. Es ist im Gegenteil immer noch üblich, dass ihnen nicht geglaubt wird und ihre Folgeprobleme bagatellisiert werden.

      Dass der Fonds aufhören soll, fühlt sich sehr zeitgeistig an, sehr Richtung rechtsextreme Stimmung und Backlash. Es ist ein Unding!

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Viele der Opfer sind derart zerstört, dass ein normales Leben nicht möglich ist. Beruf, Geld verdienen, Familie gründen...

      Und neben den psychischen Folgen wie beispielsweise Depression, Borderline mit Komorbiditäten, kommen nicht einmal selten körperliche Schäden hinzu, welche bis ans Lebensende bestehen bleiben.

      Und da spreche ich von Migräne, zerstörten Gebärmuttern, irreparablen Nierenschäden, chronischen Schmerzen, Inkontinenz...

      Und ein hoher Anteil der Prostituierten ist als Kind missbraucht worden.

      Unterm Strich... diese Menschen haben finanzielle Unterstützung verdient.

  • Frau Claus macht definitiv einen guten Job.

    In dem Zusammenhang sei vielleicht noch erwähnt, dass die Kirchen ihren zahllosen Missbrauchsopfern absolut lächerliche Entschädigungen zahlen. Eine weitere Verhöhnung der Opfer.