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Aufzeichnung des FahrverhaltensFreie Fahrt für überwachte Bürger

Datenschützer kritisieren einen neuen Versicherungstarif, bei dem das Fahrverhalten im Auto ständig kontrolliert wird. Wer brav fährt, zahlt weniger.

Verkehrskonformes Fahren lohnt sich mehr denn je. Nicht nur für Formel 1-Fahrer. Bild: ap

BERLIN taz | Ein Kfz-Versicherungstarif, bei dem die Autofahrer überwacht werden, stößt bei Datenschützern auf Kritik. „Ich würde dringend davon abraten“, sagte Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, der taz.

Autofahrer können seit 1. Januar einen Versicherungstarif wählen, bei dem ihr Fahrverhalten aufgezeichnet wird. Eine sogenannte Telematik-Box speichert dafür eine Reihe von Daten – etwa die Position, die per GPS ermittelt wird, Fahrtdauer und Geschwindigkeit, Geschwindigkeitsübertretungen, Bremsen, Beschleunigen, Start und Ziel einer Strecke. Alles stets versehen mit Datum und Uhrzeit.

Die Daten landen beim Telekommunikationskonzern Telefónica oder – so heißt es in den Datenschutzbestimmungen zu der Versicherung – bei „von Telefónica beauftragten Subunternehmen“. Die Sparkassen-Direktversicherung, die den Tarif anbietet, erhält aus den Daten einmal im Monat einen sogenannten Score-Wert. Je umsichtiger der Fahrer unterwegs war, desto höher der Score. Nur wenn der Score über 80 von 100 Punkten liegt, bekommt der Versicherte 5 Prozent Rabatt auf seine Prämie.

Freiwillig überwacht

Daten gegen Rabatte: Sie heißen Payback- oder ganz schlicht Rabattkarte und haben vor allem einen Zweck: Unternehmen ganz genau über das Konsumverhalten ihrer Kunden, also der Kartenbesitzer, zu informieren. Die bekommen als Dank alle paar Jahre eine Salatschüssel oder einen Kochtopf. Kann man schließlich immer brauchen.

Daten gegen Service: Die App für das Smartphone ist kostenlos, na klar. Aber was mit den eigenen Daten passiert, das steht nur im Kleingedruckten der Nutzungsbedingungen. Legendär ist die Taschenlampen-App, die nicht nur leuchtet, sondern auch den Standort des Nutzers abgreift. Trotzdem wurde sie über 50 Millionen Mal heruntergeladen.

Daten gegen Träume: Eine Weltreise, ein neues Auto, ein Einkaufsgutschein -Gewinnspiele spielen auch mit den Wünschen der Verbraucher. Dass es am Ende gegen Name, Adresse, E-Mail und Geburtsdatum nur schnöde Werbung gibt – das steht nicht in Großbuchstaben dabei. (sve)

Im Gegensatz zu den üblichen Score-Werten von Versicherungen legt die Sparkassen-Direktversicherung jedoch offen, wie sich ihr Score ermittelt: So fließt etwa der Punkt Geschwindigkeit mit 30 Prozent in die Gesamtbewertung ein – und jeder zu schnell gefahrene Kilometer auf hundert Kilometern führt zu 20 Punkten Abzug. Auch Nachtfahrten, Stadtfahrten, starkes Beschleunigen und Bremsen führen zu Punktabzug.

Einfallstor für Datenmissbrauch

Um den Rabatt dürfte es den meisten Kunden jedoch nicht gehen. „Finanziell rechnet sich das nur für die hochpreisigen Verträge“, sagt Jürgen Cramer, Vorstandsmitglied bei der Sparkassen-Direktversicherung. Denn für die Box zahlt der Versicherte jährlich 71,40 Euro – um sich bei gutem Fahrverhalten zu rentieren, müsste die Jahresversicherungssumme also über 1.428 Euro liegen. Man spreche eher andere Aspekte an: automatische Unfallmeldungen etwa und eine Funktion zum Wiederfinden des Fahrzeugs aus der Ferne.

Cramer legt Wert darauf, dass das Angebot mit allen Datenschutzbestimmungen im Einklang steht. So würden beispielsweise die direkt bei Telefónica erhobenen Daten nur unter einer ID und nicht unter dem Kundennamen gespeichert. Bei der Versicherung selbst lägen wiederum nicht die detaillierten Fahrdaten, sondern nur die daraus generierten Score-Werte vor.

Datenschützer sehen das Angebot trotzdem skeptisch. Zunächst seien die Daten, die das Gerät überträgt „sehr detailliert und sensibel“, sagte Weichert. Ist das Fahrzeug in Bewegung, übermittelt die Box Daten alle 20 Sekunden. Bei abgeschalteter Zündung werden die Daten ein Mal die Stunde in das zuständige Hosting Center der Telefónica in London gesendet. Wer das Auto regelmäßig nutzt, erstellt also eine Art Bewegungsprofil: Wohn- und Arbeitsstätte, Wohnorte von Freunden und Bekannten, Gewohnheiten und Situationen, die von dem üblichen Profil abweichen.

Dazu kommt: Werden Daten erst einmal erhoben, gibt es weitere Interessenten. „Die Polizei kann solche Daten anfordern“, sagte Weichert. Zum Beispiel: Es gab an einer Stelle einen Unfall, und die Ermittler lassen sich alle Versicherungsnehmer, die zum Unfallzeitpunkt vor Ort waren, zukommen. Die typische Rasterfahndung, bei der auf einmal eine ganze Gruppe von Menschen unter Verdacht steht.

Diskrimierung der Versicherten

Auch wenn sich über Details streiten lässt – ob etwa die Frequenz und damit die Menge der Daten, die an den Dienstleister übertragen wird, tatsächlich erforderlich ist – im Großen und Ganzen hält auch Weichert das Angebot für datenschutzkonform. Es müsse aber, das betont er, freiwillig bleiben. In dem Moment, in dem die Versicherten nicht mehr frei wählen könnten, sei auch so ein Geschäftsmodell aus Sicht des Datenschutzes nicht mehr zulässig.

Jan Philipp Albrecht, EU-Abgeordneter der Grünen und Berichterstatter für die Datenschutz-Grundverordnung, geht noch einen Schritt weiter: „Meines Erachtens ist das Diskriminierung.“ Die Bereitschaft zur Datenherausgabe dürfe nichts an den Versicherungsbedingungen ändern.

In anderen Ländern ist das System schon dabei, sich immer mehr durchzusetzen. In den USA liegt der Marktanteil Berichten zufolge bei 10 Prozent. Entsprechende Angebote gibt es auch in Spanien, Italien und Großbritannien. Laut Allianz-Sprecherin Claudia Herrmann liegt das vor allem daran, dass auf anderen Märkten die Kfz-Versicherungen nicht so ausdifferenziert seien wie in Deutschland.

Unterschiedliche Bedingungen je nach Alter, Fahr-Erfahrung und gefahrenen Kilometern – das ermögliche hierzulande schon eine sehr genaue Tarifgestaltung. Ob das Fahrverhalten als zusätzliches Merkmal ausreiche, um eine Veränderung der Prämie zu rechtfertigen, sei daher fraglich.

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19 Kommentare

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  • G
    Gaby

    "Selbst schuld, wer sich diesen Nasenring einziehen lässt."

     

    Das Schöne daran: wenn viel genug mitmachen, haben die anderen langfristig keine Wahl mehr.

  • H
    Herbert

    "Ein Bewegungsprofil ist ja jetzt schon über die Auswertung von Mobilfunkdaten möglich"

     

    Und ein Mobilfunkgerät braucht man ja nicht unbedingt einschalten.

     

    Mobilfunkdaten sind rechtlich besonders geschützt. Versicherungsdaten haben eine andere rechtliche Basis.

     

    Es ist auch nicht egal, ob der Staat im Einzelfall Zugriff auf das Verhalten bekommt, oder ob private Unternehmen uneingeschränkt auswerten dürfen, mit der (mehr oder weniger) erpressten Zustimmung der Kunden.

  • BB
    Brave Bürger

    Wenn die braven deutschen Bürger ihre Bananen billig (von Zwangsarbeitern produziert) bekommen, wenn sie ihren Kühlschrank und ihr Eigenheim bezahlen und ihr Auto im Sinne von "freie Fahrt für (un-)freie Bürger" fahren können, dann interessiert es den braven Akademiker - "mit" und "ohne" Titel - nicht, ob ihr "Fahrverhalten" und sie (persönlich) geistig überwacht werden.

  • F
    FranzK

    Die totale Überwachung, Erziehung und Beeinflussung der Bürger wird in kleinen Happen serviert, die lassen sich besser schlucken. Der Mensch (ich habe ja nichts zu verbergen) ist dabei Helfershelfer ohne es zu merken. Verkauft wird das Versprechen auf Sicherheit (die es gar nicht geben kann), in Wahrheit geht es aber um Profitmaximierung. Ist das die Freiheit von der unser First Pastor schwafelt ? Nein und das schlimme ist er merkt es nicht mal.

  • A
    abc

    Die Verblödung ist nicht mehr aufzuhalten. Das Handy wird ja schließlich auch vom Nutzer gezahlt und anderswo abgeschöpft.

     

    Eigentlich alles nur noch unfassbar.

  • N
    noeffbaux

    Ich find's geil. Totalüberwachung ist doch eine prima Sache: der Staat weiß immer noch am besten, was gut für mich ist. Ich selbst bin dazu mangels Schulbildung und dank Bolognareform mittlerweile nämlich viel zu blöde.

    Und Sparen ist doch eine Tugend! Auch der Staat orientiert sich doch an der schwäbischen Hausfrau.

     

    Mehr Überwachung bedeutet auch mehr Supergrundrecht auf Sicherheit.

     

    Ich gehe jetzt wieder in den Soma-Urlaub und mache mir einen ruhigen Tag in dieser schönen neuen Welt, die solche Bürger trägt!

  • E
    emil

    sanktionierung für nachtfahrten? was, wenn ich beruflich nachts herumbrause?

    abweichendes verhalten gefahr gefahr!

  • Selbst schuld, wer sich diesen Nasenring einziehen lässt.

  • I
    insLot

    Telefonica in London. Und der Britische Geheimdienst scored fleißig mit. Man weiß ja nie, logischerweise nutzen auch Terroristen solch detaillierte Selbstüberwachungsgeräte.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Der deutsche Spießer braucht ja nicht mit dem Auto zu fahren.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde gegenüber den Autofahrern nichts als Verachtung.

  • noch mehr Schwachsinn wo mit sich die Bevölkerung beschäftigen muss...,

  • PN
    Petra N.

    Mir erscheint die Aufregung etwas übertrieben. Ein Bewegungsprofil ist ja jetzt schon über die Auswertung von Mobilfunkdaten möglich, sogar noch viel besser, da auch Fussgänger ihre Mobiltelefone dabei haben.

     

    Generell glaube ich jedoch, dass ein regelmäßiges Feedback das Fahrverhalten positiv beeinflussen kann: und das hätte ja einen (hoffentlich guten) Einfluss auf das Klima (wobei Bahnfahren ja noch besser wäre - auch hier hinterlasse ich jedoch Bewegungsprofile, wenn ich zum Beispiel meine Fahrkarten übers Internet erwerbe).

     

    Ich glaube, jeder sollte sich der potentiellen Überwachung bewusst sein, aber jedes System zu verteufeln und gleich Mißbrauch zu erwarten, ist auch ein wenig einseitig.

    Es ist eine freiwillige Sache, so wie Bonus- oder Paybackkarten. Ein jeder mündiger Bürger kann sich dafür oder dagegen entscheiden, bei der wahnsinnigen Auswahl von Versicherungen in Deutschland.

  • S
    Spieler

    Unter Merkel ist offener Knast en vogue.

    Im Grunde genommen eine elektronische Fußfessel, was die Versicherungsgesellschaft den Verishcerten aufschwatzt.

    Ich hoffe, es gibt einen Mitglieder-'Aderlass', wie ich auch dringend der Debeka einen solchen Aderlass mit Herzen gönne.

  • R
    Rumble

    Selbstverständlich kann der "Score" nicht im Fahrzeug berechnet werden, dient er doch nur als Ausrede für umfangreiches Ausschnüffeln und Spionieren.

    Der angegebene Verwendungszweck ist der einzige Zweck, der so überhaupt nicht interessiert.

    Wer solche Tarife annimmt, schadet nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Mitmenschen.

  • Da ich ein solches System entwickelt habe, das allerdings den Datenschutz beachtet: es ist für solche Systeme nicht notwendig, Daten wie die Position überhaupt zum Server zu übertragen, und dort vorzuhalten. Zudem ist es nicht mehr als eine Ausrede, dass die Daten “unter einer ID” gespeichert werden “müssen” – genau solch eine ID ist nämlich geeignet, um solche Daten wiederum einem Autofahrer zuzuordnen.

     

    Kurz: das System ist, falls es wie beschrieben funktioniert, ein eklatanter Verstoss gegen das Datenschutzgesetz. Es werden viel zu viele Daten erhoben, die man zum Anbieten eines solchen Tarifes gar nicht braucht.

     

    Zu meiner eigenen Person: das von mir entwickelte System ist nicht im Einsatz, und wird wohl auch nie zum Einsatz kommen, weil zwar ein Pilotprojekt gemacht wurde, aber die Versicherungswirtschaft sich damals gegen die Produkteinführung entschieden hat. Die Firma wurde geschlossen.

     

    Ich selbst beschäftige mich jedoch intensiv mit dem Thema Datenschutz.

  • G
    gast

    Das hat alles nichts mehr mit Demokratie zu tun, das ist Freiheitsberaubung und Diktatur.

     

    Hoffe, das dann endlich Leute aufstehen und sich wehren, das geht zu weit.

  • SH
    Sie hielten sich für Götter

    Wohin soll das noch führen? Die Versicherung redet sich raus, das ist normal.

    Der Fahrer muss sich rechtfertigen, weil er mal nicht seinen Lieblingsweg fährt?

    Die Versicherung stuft den Fahrer hoch, weil in der Datenbank ein falsches Tempolimit steht?

    Der Fahrer traut sich nicht scharf bremsen, weil seine Versicherung teuerer wird?

    Der Fahrer überfährt die Katze, weil er sich bremsen nicht leisten kann?

    Gott sieht alles! Aber die Versicherung noch mehr...

  • V
    Versicherungsbetrug

    Wieviel sollte man denn da sparen können? Überwacht wie ein Goldfisch im Goldfischglas.

    Ich finde das absurd.

    Ich fordere Kaskoversicherung für alle, nieder mit der Haftpflicht!

  • U
    unglaublich!

    Zahlt weniger? Na klar! Eine neue Art der Bevormundung. Zunächst verbilligt, demnächst Pflicht.

    Wer soll bitte so blöd sein, darauf hereinzufallen?

    Sind wir ein Volk von Kindergartenkindern geworden? Mutti Versicherung passt auf uns auf, immer schön den Kopf einziehen.