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Auftakt zur BundestagswahlLackmustest für Baerbock

Ob Außenministerin Baerbock Chancen hat, diesmal im Wahlkreis gegen Kanzler Scholz zu gewinnen, zeigt sich Sonntag bei der Bürgermeisterwahl in Kleinmachnow.

Können sie sich auch am Sonntag über einen Sieg in Kleinmachnow freuen? Bürgermeisterkandidatin Pichl neben Ministerin Baerbock Foto: Christoph Soeder/dpa

Potsdam taz | Rot gepolstert sind die 350 Klappsitze im großen Kinoaal der Neuen Kammerspiele in Kleinmachnow. Insofern passt es nicht ganz, wenn hier am Donnerstagnachmittag zwei Grüne auf der Bühne stehen und für ihren Wahlsieg werben wollen. Denn Sonntag ist hier, gleich hinter der südlichen Berliner Landesgrenze, Bürgermeisterwahl und für die Grünen tritt ihre Landesvorsitzende Alexandra Pichl an.

Ein Sieg hier wäre nicht nur ein erstmaliger grüner Prestigeerfolg in der einer der heute wie zu DDR-Zeiten exklusivsten Gemeinden Brandenburgs. Es wäre auch ein deutliches Signal, dass die zweite Frau auf der Bühne vier Wochen später auf höherer Ebene ebenfalls gewinnen könnte. Neben Pichl wird nämlich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock stehen. Kleinmachnow gehört zu ihrem Potsdamer Wahlkreis, wo sie schon 2021 kandidierte, aber klar gegen den späteren Bundeskanzler Olaf Scholz verlor.

Damals bekamen die Grünen nicht viel mehr als halb so viele Stimmen wie Scholz. Der aber schwamm im September 2021 auf einem Stimmungshoch, aktuell liegt seine SPD weit hinter damaligen Werten zurück. Zwar holten die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl im vergangenen September fast 31 Prozent. Damals aber stellten sich auch viele Grünen-Anhänger hinter SPD-Spitzenmannn und Ministerpräsident Dietmar Woidke, um einen AfD-Wahlsieg zu verhindern. Nun aber geht es allein um das Duell zwischen Baerbock und Scholz, dem unbeliebtesten Kanzler seit fast drei Jahrzehnten.

In Kleinmachnow sind zwar nur rund 16.000 jener über 230.000 zuhause, die am 23. Februar über den Sieg im Wahlkreis mit dem langen Namen „Potsdam – Potsdam-Mittelmark II- Teltow-Fläming II“ abstimmen dürfen. Aber hier, wo die Grünen bei den Wahlen 2024 landesweit ihre Hochburg hatten, sind Gewinne oder Verluste ihrer Masse wegen besonders aussagekräftig.

Bei der Kommunalwahl 2024 vor der Konkurrenz

Bürgermeisterkandidatin Pichl selbst holte bei der Wahl zur Gemeindevertretung im Juni das zweitbeste Ergebnis, nur 22 Stimmen hinter dem seit 16 Jahren amtierenden und jetzt nicht mehr kandidierenden Bürgermeister Michael Grubert von der SPD. Ihre jetzigen Konkurrenten schnitten damals weit schlechter ab: Während Pichl über 2.500 Stimmen erhielt, kam der neue SPD-Kandidat Markus Schmidt damals nur auf 1.547, CDUler Bodo Krause auf 1.068. Beide lagen damit hinter dem stärksten AfD-Bewerber fürs Gemeindeparlament.

Ein Sieg am Sonntag wäre zwar ein starkes Zeichen, dass Baerbock gleichfalls gewinnen könnte. Pichl aber macht er nur dann direkt zur Bürgermeisterin, wenn er deutlich ausfällt: Kommt kein Kandidat auf eine absolute Mehrheit, gibt es drei Wochen später – anders als bei der Bundestagswahl – einen zweiten Wahlgang.

Für Pichl wäre ein Wahlsieg auch eine gewisse Wiedergutmachung für die Niederlage ihrer Partei bei der Landtagswahl, die sie als Co-Landesvorsitzende mitzuverantworten hat. Damals schieden die zuvor mit SPD und CDU koalierenden Grünen nicht nur aus der Regierung aus, sondern schafften es auch nicht erneut ins Parlament. Pichl und ihre Co-Chefin Hanna Große Holtrup kündigten im November gut sechs Wochen nach der Wahl an, sich in diesem Frühjahr vom Landesvorsitz zurück zu ziehen. Als hauptamtliche Bürgermeisterin hatte Pichl den Parteiposten ohnehin abgeben wollen.

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1 Kommentar

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  • Oh, das sind aber viele Äpfel und Birnen. Bitte bei der Analyse der Zahlen berücksichtigen:

    Die mehr als 2500 Stimmen für den alten Bürgermeister aus dem letzten Jahr sind nicht einfach weg, weil der Kandidat nicht mehr da ist. Gut möglich, dass viele SPD Anhänger:innen ihrer Partei treu bleiben und jetzt M.Schmidt wählen.

    Bei der Landtagswahl haben sich viele Menschen hinter Dietmar Woidke gestellt, um die AfD als stärkste Kraft zu verhindern - richtig. Allerdings hatten die Wähler:innen im Potsdamer Wahlkreis21 zusätzlich die Chance, die amtierende grüne Direktkandidatin im Amt zu bestätigen und den Grünen den Wiedereinzug in den Landtag zu ermöglichen. Hier hätte man durch Aufteilung der Erst- und Zweistimme sogar Woidke UND die Grünen im Kampf gegen die AfD (Stichwort Sperrminorität) unterstützen können. Trotz einer massiven Campact Kampagne haben sich die Potsdamer:innen in diesem eher links geprägten Wahlkreis gegen Grün entschieden.

    Und zu guter letzt: Ja - Olaf Scholz ist in der Beliebtheit seit der letzten BTW massiv abgerutscht. Annalena Baerbock aber leider auch.

    Kann sein, dass Baerbock und Pichl gewinnen. Ich würde mich aber vorher nicht auf die Zahlen verlassen…