Aufnahme von Menschen aus Afghanistan: Geld statt Schutz
Einst hat sie ihnen die Aufnahme zugesagt, jetzt will die Bundesregierung, dass Afghan*innen doch in ihr Heimatland zurückkehren. Dafür bietet sie Geld.
Die Bundesregierung versucht, gefährdete Afghan*innen mit Geld dazu zu bringen, wieder in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Dabei hatte Deutschland diesen Menschen einst Schutz versprochen. Die Betroffenen, die seit Monaten und teils Jahren in Pakistan gestrandet sind, sollen 10.000 Euro erhalten, wenn sie ihren Anspruch auf Schutz aufgeben, wie aus Mails hervorgeht, die der taz vorliegen.
Es geht um Menschen- und Frauenrechtsaktivist*innen, Künstler*innen, Journalist*innen, queere Menschen und viele andere, die unter der Herrschaft der Taliban so gefährdet waren, dass vergangene Bundesregierungen Schutzprogramme für sie auflegten. Zunächst über die sogenannte Menschenrechtsliste, später über ein Bundesaufnahmeprogramm sollten die Menschen nach sorgfältiger Sicherheitsprüfung nach Deutschland evakuiert werden. Doch weil insbesondere das Bundesinnenministerium die Sicherheitsprüfungen verschleppte, sitzen rund 2.000 Afghan*innen mit Aufnahmezusagen nun in Pakistan fest.
Die schwarz-rote Bundesregierung hat alle humanitären Aufnahmeprogramme beendet und Unions-Politiker sprechen offen aus, die Afghan*innen nicht mehr ins Land holen zu wollen. Die Situation ist für die Afghan*innen höchst bedrohlich, weil Pakistan seit Anfang 2025 rigoros nach Afghanistan abschiebt.
Trotz einer angeblichen Absprache zwischen der deutschen und der pakistanischen Regierung betraf das auch Menschen aus den Aufnahmeprogrammen. 248 von ihnen wurden Mitte August abgeschoben. Sie befinden sich in einem heruntergekommenen Hotel in Kabul und fürchten um ihr Leben.
Neue Strategie der Bundesregierung
Einige Afghan*innen haben mit Unterstützung deutscher NGOs die Regierung erfolgreich auf die Erteilung von Visa verklagt. Erst dadurch kam wieder etwas Bewegung in die Verfahren und einige Familien konnten nach Deutschland einreisen. Am Dienstag sind auf diese Weise wieder 31 Afghan*innen angekommen.
Nach diesen juristischen Niederlagen ist die Bundesregierung nun offenbar auf die neue Strategie verfallen, den Afghan*innen Geld zu bieten, wenn sie das Aufnahmeverfahren „freiwillig“ verlassen. Das „Angebot“ ist mit der Drohung versehen, dass Deutschland ab Ende 2025 jede Unterstützung für die Afghan*innen einstellen werde. Den Betroffenen wurde eine Frist von zwei Wochen gesetzt, sich zu entscheiden. Insgesamt bekamen über 150 Familien solche Mails.
Die E-Mails der GIZ setzen die durch ihre unsichere Situation ohnehin psychisch stark belasteten Menschen weiter unter Druck. Ein Empfänger schreibt: „Seit ich diese E-Mail erhalten habe, zittere ich am ganzen Körper und kann nicht aufhören zu weinen. Ich will weder Geld noch Brot, ich will nur in Sicherheit leben.“
Das Vorgehen ist besonders zynisch, weil die Afghan*innen nicht nur jeden Anspruch auf ihre Evakuierung durch Deutschland abtreten, sondern indirekt auch unterschreiben, dass ihnen in Afghanistan gar keine Gefahr drohe. Das wiederum stützt dann die Haltung der Bundesregierung, dass die Afghan*innen gar keinen Schutz nötig hätten.
Das Vorgehen erinnert stark an Programme zur „freiwilligen Rückkehr“ abgelehnter Asylbewerber. Auch sie bekommen zynische Angebote für „Starthilfe“, wenn sie im Gegenzug in ihr Herkunftsland ausreisen. Für die Regierung lohnt sich das, denn die „freiwillige Rückkehr“ ist mit viel weniger Aufwand und Kosten verbunden als eine Abschiebung. Ein paar tausend Euro „Starthilfe“ fallen da nicht ins Gewicht.
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