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Aufkleber gegen Fotos im FreibadHandykamera vs. Privatsphäre

Eine schwäbische Firma verkauft „Privacy Seals“ an Schwimmbäder. Sie sollen Badegäste am Fotografieren hindern. Der Hersteller erklärt, wie das geht.

Nicht erlaubt in vielen Freibädern: das Selfie. Foto: Imago/MITO
Marlene Halser
Interview von Marlene Halser

taz: Herr Ditzel, Ihre Firma hat eine neue Branche als Kundschaft dazugewonnen: städtische Freibäder. Was kaufen die bei Ihnen ein und warum?

Holger Ditzel: Die ersten Anfragen bekamen wir im April 2016. Da sind die ersten Bäder auf uns zugekommen. Sie hätten Probleme mit Gästen, die im Bad wild umherfotografierten. Im Nacktbereich von Thermen, in Freibädern, in Kinderbereichen – also dort, wo man das nicht haben möchte. Ein Smartphoneverbot ist aber nicht durchsetzbar. Dann würden die Jugendlichen nicht mehr kommen und den Bädern würde eine wichtige Klientel fehlen. Also kamen die Bäder zu uns.

Was verkaufen Sie denen?

Das sind sogenannte Privacy Seals, also Siegel, die man auf die Kamera von Smartphones kleben kann. Diese Siegel bestehen aus Sicherheitsmaterial. Das lässt sich zwar rückstandsfrei entfernen, aber es geht beim Ablösen kaputt. Das ist wichtig, sonst könnte man das Siegel abziehen und wieder aufkleben, wie man möchte. So aber können die Bäder kontrollieren, ob der Aufkleber auch wirklich auf dem Smartphone bleibt. Die Siegel sind mit dem Piktogramm „Fotoverbot“ bedruckt. Sie haben also auch eine Signalwirkung.

Eigentlich ist das doch längst gesetzlich geregelt. Warum haben die Bäder jetzt plötzlich Bedarf?

Stimmt, Sie haben das Recht am eigenen Bild. Ohne Erlaubnis darf man Dritte nicht fotografieren. In den meisten Bäderordnungen steht ja auch, dass man nicht fotografieren darf. Aber erstens wissen das die meisten Menschen nicht oder setzen sich einfach drüber hinweg. Und zweitens gibt es heute einfach sehr viel mehr von den modernen Geräten. Aber man muss ganz klar sagen: Angefangen hat das alles mit der Flüchtlingsthematik im letzten Jahr.

Im Interview: Holger Ditzel

ist Inhaber der Firma Lens Seal in Neuhausen bei Stuttgart

Wie bitte?

Ja, das war der Grund, warum die ersten Bäder kamen. Weil Flüchtlinge angeblich ungeniert auf alles draufhalten. Die haben gesagt: Wir wollen nicht, dass bei uns weiter fotografiert wird. Die Flüchtlinge fotografieren ja nicht mutwillig oder böswillig. Sondern die finden das natürlich toll, so ein Bad. Die kennen das nicht, die möchten das nach Hause schicken. Das ist ja verständlich. Aber die anderen Gäste stört es halt. So kam diese Welle ins Rollen.

Recht verallgemeinernd, zu sagen, „die Flüchtlinge“ fotografierten andere Gäste, deshalb brauche man jetzt diese Siegel.

Es ist natürlich nicht so, dass alle Flüchtlinge ständig filmend und fotografierend durchs Bad laufen. Das ist Quatsch. Die sind ja im Bad auch in der Minderheit. Aber auf diesem Weg haben die Bäder gemerkt, dass sie Probleme mit den Handykameras haben. Zum Beispiel den Schutz von Kindern oder ganz allgemein der Privatsphäre. Und die können sie jetzt alle lösen.

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3 Kommentare

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  • "Ohne Erlaubnis darf man Dritte nicht fotografieren."

     

    Ich bin ein Jurist, aber diese Aussage ist in dieser Form meines Wissens schlicht falsch.

    • @Wonko Der Verständige:

      Korrekt: in die Menge darf man "schiessen", wenn Einzelne nicht explizit erkennbar sind.

      Einzelne Personen oder Gruppen mit wenigen Personen, so dass diese erkennbar sind, nicht.

      Die Grenze ist natürlich schwimmend, mit hoher Auflösung sinnlos.

      Und natürlich bekommen das die Abgelichteten auch nicht immer mit, und ohne Kläger passiert nichts, höchstens später, wenn das irgendwo publiziert wird. DANN kann es aber bitter werden für den Fotografen mit Abmahnung, Schadensersatz oder anteiliger Vergütung der Einnahmen.

      Nur: ich bin kein Jurist, also alles ohne Gewähr.

  • Ich liebe es dabei zuzuschauen wie hausgemachte Probleme so behoben werden das zichweitere hausgemachte Probleme dabei herauskommen.

    Doofphone verbieten ist natürlich ganz doof, denn ohne Badegäste kein Geld.

    Und wie immer findet mann ne tolle Idee die noch mehr die tolle Wirtschaft ankurbelt und auch noch mehr Müll produziert die wir uns mit großem Interesse in der Bildergalerie auf der TAZ anschauen.

    Und dann höre ich immer wieder wie praktisch das doch ist etwas zu produzieren was sich nach wenigen Stunden gebrauch selbst zerstört um es in den tropischen Stränden mit nen Doofphone zu fotografieren.

    Wann hört der Mensch damit auf sich für Produkte zu begeistern die ihn eher früher als später in die Hölle schickt.

    Ist ja praktisch oder, schließlich ist es in der Hölle ja kuschelig warm...