Aufklärungsflugzeuge von EU-Grenzschutzagentur: Aus der Seenot zurück nach Libyen
Frontex schickt seine Flieger dorthin, wo Geflüchtete Schiffbruch erleiden – informiert aber statt Seenotretter fast nur die libysche Küstenwache.
Seenotrettungs-NGOs glauben, dass die Abschaltung vor allem dem Ziel dient, Rückschiebungen nach Libyen zu erleichtern. „Die Flugrouten der Frontex-Aufklärungsglugzeuge sind deutliche Indikatoren für Seenotfälle“, sagt Julian Pahlke von der NGO Sea Eye. Dort, wo ein Unglück geschieht, kreisen die Flugzeuge.
Seenotretter könnten dorthin fahren und Schiffbrüchige an Bord nehmen. Die würden die Geretteten aber nach Europa bringen, weil Libyen für diese nicht sicher ist. Genau das aber wolle Frontex möglichst verhindern, glaubt Pahlke: „Statt zivile Schiffe zu alarmieren und in die Rettung einzubeziehen, gibt Frontex Informationen nicht weiter, sondern leitet Rückholungen der libyschen Küstenwache ein.“
Aufklärungsflüge an private Firma ausgelagert
„Mit dem Argument, dass es sich um sensible Daten handele werden zum Teil wichtige Fragen nicht beantwortet,“ sagt die Linke Demirel. So werd verhindert, dass die sogenannten Sucheinsätze verfolgt bzw. deren Unterlassung dokumentiert werden können. „Wir brauchen endlich vollständige Transparenz über die Arbeit von Frontex.“
Die Aufklärungsflüge im Mittelmeer hat Frontex seit 2014 an die private Firma DEA Aviation mit Sitz in Großbritannien ausgelagert. Im Seegebiet vor Libyen sind in der Regel zwei DEA-Flugzeuge im Einsatz. Entdecken diese Flüchtlingsboote in Seenot, melden sie diese an die Frontex-Zentrale in Warschau. Die wiederum gibt die Informationen an die Behörden der Region weiter – und die rufen fast nur noch die libysche Küstenwache, teils selbst dann, wenn die Schiffe sich in der maltesischen Rettungszone befinden.
Zuletzt ist das offensichtlich am Mittwoch dieser Woche geschehen: Da kreiste eines der Frontex-Aufklärungsflugzeuge rund vier Stunden über einer Unglücksstelle etwa 70 Seemeilen nördlich von Tripolis. Einig Stunden später beobachteten Mitarbeiter der UN-Migrationsorganisation IOM, wie 185 MigrantInnen von der libyschen Küstenwache zurück in den Hafen von Tripolis gebracht wurden. „Wir halten daran fest, dass Libyen kein sicherer Hafen ist. Andere Lösungen müssen gefunden werden“, twitterte die IOM.
Halb soviele Geflüchtete schaffen es nach Europa
Die Aufklärungsflüge sind Teil der Frontex-Mission „Themis“, benannt nach der altgriechischen Göttin der Gerechtigkeit. Als Frontex Themis im Februar 2018 startete, versicherte die Agentur, Seenotrettung werde „ein elementarer Bestandteil“ der Mission im zentralen Mittelmeer sein.
Daran gab es von Anfang an Zweifel: Das Frontex-Konsultativ-Forum, eine Art Menschenrechts-Beirat der Behörde, warnte in seinem Jahresbericht 2018, dass die Einsatzrichtlinien der Themis-Mission dazu führen könnten, dass mehr Unglücke im zentralen Mittelmeer unentdeckt bleiben. Durch die Abfangoperationen der libyschen Küstenwache würden „immer mehr Migranten und Flüchtlinge in Libyen unmenschlichen und entwürdigenden Bedingungen und willkürlicher Inhaftierung ausgesetzt“ sein.
Genau das ist eingetreten: Seit 2019 kommt nur noch rund die Hälfte der Flüchtlinge, die in Libyen in See stechen, in Europa an. Die andere Hälfte wird entweder von der libyschen Küstenwache aufgehalten und zurückgebracht oder ertrinkt. In diesem Jahr etwa sind bislang 4.050 Menschen von libyschen Küstenwächtern aufgegriffen worden, 121 ertranken im zentralen Mittelmeer. Demgegenüber stehen 5.470 MigrantInnen, die Italien erreichten.
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