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Aufklärungsarbeit im Fall Oury Jalloh„Offen, ob es Beteiligung Dritter gab“

Vor 14 Jahren starb Oury Jalloh in seiner Zelle. Die Akten sind geschlossen, doch es gibt viele Fragen, sagt Eddie Bruce-Jones von der privaten Untersuchungskommission.

Feuerzeuge aus Protest gegen die These, Oury Jalloh habe sich selbst angezündet Foto: imago/Christian Ditsch
Christian Jakob
Interview von Christian Jakob

taz: Herr Bruce-Jones, am Montag vor 14 Jahren verbrannte der Sierra-Leoner Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hat vor Kurzem entschieden: Die Akte bleibt geschlossen. Hat Sie das überrascht?

Eddie Bruce-Jones: Ja, das hat es. Die Justiz hat dies in einem langen Bericht begründet, über 218 Seiten. Doch beim Durchlesen konnte ich keine zusammenhängende, realistische Darstellung der Ereignisse sehen, die zu Jallohs Tod führten.

Die Kommission, die von der Initiative Gedenken an Oury Jalloh eingesetzt wurde, befasst sich weiter mit dem Fall. Wie arbeiten Sie?

Die Kommission besteht aus elf Mitgliedern – JuristInnen, WissenschaftlerInnen und AktivistInnen – aus Italien, Frankreich, Großbritannien, den USA, Österreich und Senegal sowie Deutschland. Unsere Kommunikation läuft in der Regel elektronisch, für wichtige Anlässe kommen wir aber auch persönlich zusammen. Alle arbeiten ehrenamtlich.

Was hoffen Sie herauszufinden?

Offen ist vor allem, ob es eine Beteiligung Dritter gab, ob Brandbeschleuniger verwendet wurde und ob die ersten Ermittlungen der Behörden ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Diese und andere Fragen wurden während der beiden Prozesse nicht gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst nur mit Blick auf mögliche Fahrlässigkeit der Polizisten. Doch die Anwälte der Familie haben sehr überzeugende Zweifel an dieser Theorie geäußert, und auch der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann stellte im April 2017 fest, dass es möglich sei, dass Polizisten Oury Jalloh verbrannt haben. Damit muss man sich befassen. Stattdessen wurde Bittmann der Fall weggenommen und weitere Ermittlungen wurden abgelehnt.

Im Interview: Eddie Bruce-Jones

Eddie Bruce-Jones ist Vizedekan an der Birckbeck School of Law der Universität London und Mitglied der Untersuchungskommission der Initiative Gedenken an Oury Jalloh.

Was haben Sie bislang konkret getan?

Wir haben uns unter anderem mit Familienangehörigen von Oury Jalloh und einem Vertreter der Bundesanwaltschaft getroffen. Wir werten Dokumente aus, die uns von Aktivisten zur Verfügung gestellt werden, etwa medizinische Berichte und nicht-vertrauliche Aktenteile aus den Gerichtsverfahren. Ziel ist, die rechtlichen, sozialen, historischen und politischen Aspekte des Falles zu beleuchten, um Wege zur Verbesserung der Menschenrechtssituation für die deutsche Gesellschaft zu finden.

Wie sind Sie zu der Kommission gekommen?

Heute arbeite ich als Professor für Recht und Anthropologie in Großbritannien. Als Oury Jalloh starb, promovierte ich in europäischer Ethnologie in Deutschland und lebte in Berlin. Den zweiten Prozess in Magdeburg habe ich als Beobachter verfolgt. 2016 veröffentlichte ich ein Buch namens „Race in the Shadow of Law“. Darin analysiere ich die Rolle des zivilgesellschaftlichen Aktivismus bei der Untersuchung solcher Justizfälle.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat bei der Einstellung des Verfahrens unter anderem erklärt, der Vorwurf, es gebe institutionellen Rassismus, sei „aus der Luft gegriffen“. Was sagen Sie dazu?

Für mich steht Oury Jalloh in einer Reihe mit anderen Fällen, in denen meist Nicht-Weiße oder Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund Gewalt durch die Polizei erleiden oder von ihr getötet werden. Der Kontext dabei ist stets institutioneller und struktureller Rassismus und der historische Kolonialismus.

Die Initiative Gedenken an Oury Jalloh hat den Generalbundesanwalt scharf dafür kritisiert, das Verfahren nicht an sich gezogen zu haben. Die Kommission hat einen Vertreter der obersten Anklagebehörde getroffen. Wie ist das verlaufen?

Das Treffen war im März 2018 in Berlin. Der Vertreter hat uns dabei noch einmal erklärt, dass aus seiner Sicht die Kriterien des Gerichtsverfassungsgesetzes für die Übernahme einer Untersuchung durch den Bundesanwalt nicht erfüllt waren.

Konnten Sie das nachvollziehen?

In dieser Frage sind möglicherweise verschiedene Interpretationen des Gerichtsverfassungsgesetzes möglich.

Wird es ein Klageerzwingungsverfahren geben?

Ja. Die Anwältin Gabriele Heinecke hat am 4. Januar 2019 einen Antrag auf Klageerzwingung beim Oberlandesgericht in Naumburg eingereicht. Eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kommt ebenfalls in Frage. Die kann aber erst erfolgen, wenn die Anwälte alle nationalen Rechtsbehelfe ausgeschöpft haben.

Auch der Landtag von Sachsen-Anhalt hat zwei sogenannte Berater eingesetzt, die den Fall untersuchen sollen. Was erwarten Sie von denen?

Nach meinem Verständnis haben die Sonderermittler im Landtag von Sachsen-Anhalt ihre Arbeit noch nicht aufgenommen, weil das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das kann noch eine Weile dauern – möglicherweise Jahre.

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3 Kommentare

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  • Das Klageerzwingungsverfahren hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das OLG Naumburg auf das Verfahren die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anwendet. Der springende Punkt dabei ist nämlich, dass das OLG Naumburg gem. § 86 III VwGO darauf hinweisen und Gelegenheit zur Nachbesserung geben muss, sollte die Antragsschrift Lücken aufweisen. Und so komplex, wie die Dinge im Fall Oury Jalloh liegen, ist es praktisch gar nicht möglich, eine auf Anhieb „lückenlose“ Antragsschrift vorzulegen. Folgt das OLG Naumburg hingegen der „hergebrachten“ Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren, würde die Antragsschrift, da nicht lückenlos, als „unzulässig“ behandelt werden mit der Folge, dass sich das OLG Naumburg gar nicht erst mit der Sache befassen würde.

  • Die Aufklärungsarbeit von außerhalb der deutschen staatlichen Stellen scheint den Schuldigen doch recht nah gerückt zu sein – also schnell mal den Fall "schließen".



    Lässt sich doch wieder öffnen, oder? Zumindest wenn es staatliche Behörden woll(t)en…

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @Frau Kirschgrün:

      ginge in der Tat, wenn mit Rechtsstaat nicht was anderes gemeint ist, als der Begriff aussagen soll. Die furchtbaren Juristen scheinen sehr gelehrige Schüler gehabt zu haben. Wer Oettingers und Konsorten zuhört, weiß um die Pensionsregeln und Ehren die einem zuteil werden, wenn man mit den Wölfen heult, gerade bei der Zunft der Juristen.