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Aufarbeitung nach eigener ArtUnfehlbare Beamte

Die Gewerkschaft der Polizei spricht auf einem Podium über die Vorfälle im Dezember. Die Veranstaltung wird ein Fest der harten Linie.

Freundlicher Zuspruch: der Innensenator bei seinen Leuten. Bild: dpa

HAMBURG taz | Kriminologe Christian Pfeiffer hat die Hand gehoben, möchte etwas sagen. Es wird seine zweite und auch letzte Wortmeldung sein bei dieser Diskussionsrunde. Pfeiffer redet von der „Grammatik der Deeskalation“, davon, dass es verschiedenen Chancen der Kommunikation gebe, wenn sich Polizei und gewaltbereite Demonstranten gegenüber stehen. Er redet von der Zeit, bevor die Visiere der Helme runtergehen bzw. die Steine fliegen. „In den USA gibt es genial begabte Mediatoren“, sagt Pfeiffer. „Die sind auf Gruppen spezialisiert und schaffen es, die Gewaltmacher anzusprechen.“ Die Polizisten im Publikum gähnen und schauen auf den Boden.

Die USA und ihre Mediatoren sind weit weg an diesem Freitag im Hamburger Polizeipräsidium. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat eingeladen zu einer Veranstaltung zum Thema „Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten“. Es geht darum, über die Gewalt zu sprechen, zu der es bei der Demonstration am 21. Dezember kam und bei dem Angriff auf Polizisten der Davidwache am 28. Dezember.

Außerdem geht es um das Gefahrengebiet und um die verschiedenen kommunikativen Fehlleistungen, die Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch bei diesem Podiumsgespräch der Presse anlastet: Den Medien gehe es „nicht um die sachliche Information, sondern um die Überschrift“. So hätte die Mopo aus der Polizeipressemeldung „Beamte der Davidwache angegriffen“ die Meldung „Davidwache angegriffen“ gemacht. „Alle anderen haben das dann übernommen.“ Ergo war es nicht die Polizei, die die falsche Wahrheit in die Welt brachte. Zumindest nicht in dieser einen Pressemitteilung, müsste man ergänzen. In anderen dann schon.

Kopitzsch, so könnte man meinen, ist als Hamburger Polizeipräsident nach den noch relativ jungen Gewaltexzessen besonders dünnhäutig, wenn es darum geht, dass seine Leute Fehler gemacht haben könnten. Aber so ist das nicht. Die harte Linie fährt auch ein Mann, der mit Cordsakko und Jeans auf den ersten Blick gar nicht danach aussieht. Er heißt Oliver Malchow, ist Bundesvorsitzender der GdP und hat sein Büro in Berlin.

Malchow sagt zum Thema „Deeskalation“: „Wir fragen uns immer: Welches Mittel wirkt deeskalierend? Da gibt es das Mittel, gleich Wasserwerfer vorzufahren, sodass die anderen sehen: Da gibt’s keine Chance.“ Zum Thema „Gewaltmonopol der Polizei“ sagt er: „Der Bürger hat seine Keule abgegeben. Es ist gaga, dass man das Gewaltmonopol der Polizei infrage stellt.“ Zum Thema „unabhängige Demonstrationsbeobachter“ sagt er: „Wer soll das sein? Ich stelle mir da einen Blauhelm vor.“ Die Polizisten lachen.

Malchow meint, die Forderung nach unabhängigen Beobachtern, Kennzeichnungspflicht oder einer Beschwerdestelle würde die Masse der Polizeibeamten brüskieren. „Was passiert da bei den Polizisten, die die Rechtstaatlichkeit im Herzen tragen? Die Polizisten halten ihren Kopf hin und nicht die Hand, um einen Geldschein zu nehmen.“ Die Polizisten im Publikum applaudieren spontan, Malchow lehnt sich zurück, und der Hamburger Landesvorsitzende der GdP, Gerhard Kirsch, sagt: „Mein Bundesvorsitzender hat mir den Satz, den ich gerade sagen wollte, weggenommen.“

Viel Ärger

Am 21. Dezember läuft eine Demonstration vor der Roten Flora aus dem Ruder. Über 500 Demonstranten und rund 120 Polizisten werden teils schwer verletzt.

Am 28. Dezember werden drei Beamte in der Nähe der Davidwache attackiert. Die Polizei stellt den Angriff zunächst so dar, als seien die Polizisten aus der Davidwache gekommen und von Linksautonomen angegriffen worden. Später muss die Polizei diese Darstellung korrigieren.

Am 4. Januar erklärt die Polizei Teile von Altona, St. Pauli und der Sternschanze zu einem Gefahrengebiet.

Am 13. Januar hebt die Polizei das Gefahrengebiet auf.

Dafür hat Kopitzsch einen Satz, nachdem die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller etwas von kreativem Protest gesagt hat. „Ich finde das Zeigen von Klobürsten nicht kreativ. Ich finde es menschenverachtend.“

Die zweite Wortmeldung von Kriminologe Pfeiffer enthält einen Rat an die Polizeichefs: „Sie stärken die eigene Position, wenn sie sagen: Es menschelt auch bei uns, wir machen auch Fehler.“ Kopitzsch beschränkt sich darauf, die Fehler der anderen zu benennen. Dann sagt er: „Wenn wir Fehler machen, dann geben wir sie auch zu.“ Er kann das gut sagen, denn er macht nicht den Eindruck, als könnte es ihm jemals passieren, einen Fehler zu machen. Also muss er auch nichts zugeben. Beides hat ihm sein Innensenator verboten.

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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Weiterhin die kriminellen, verfassungsfeindlichen Polizisten zu decken ist als Innensenator skandalös!

    Obendrein aus Hass und wider besseren Wissens die Schuld bei politisch andersdenkenden abzuladen ist schon pervers!

     

    Erkennt die Bürgerschaft denn nicht endlich die Unfähigkeit in der Polizeiführung?!

     

    Gibt es nicht schon genug peinliche Ergebnisse aus parlamentarischen Anfragen, Zeugenaussagen?!

     

    Und dagegen die fehlenden Beweise für die Polizeiversionen, die immer wieder selbst korrigiert wurden, nachdem sie als Lügen entblöst wurden?!

     

    Ich wundere mich, das sich hier nicht längst die Bundesanwaltschaft zur Ermittlung wegen Amtsmissbrauch eingeschaltet hat!

     

    Und was ist los mit der SPD...das sie diesen Senat toleriert???

     

    Der Senat hat die Bereitschafts-Polizei nicht unter Kontrolle!

    Sie kontrolliert sich selbst, mit massiver Unterstützung der Polizeigewerkschaften, welche als verfassungsfeindlich eingestuft und aufgelöst werden müssen!

  • Völlig richtig!

  • M
    Mextil

    Dümmer als die Polizei erlaubt sind diese Brunnenvergifter. Deren Borniertheit übersteigt jedes vorstellbare Maß. Die Polizei hat im Verlauf der ganzen Affäre nichts unternommen um etwas richtig zu stellen. Hat sich an bewußte Falschmeldungen angehängt und diese unterstützt. Es ist für die offenbar völlig normal, dass Demonstranten halb tot geprügelt werden. Dann machen sie sich auch noch lustig "Blauhelme". Die Hamburger Polizei dreht völlig frei. Unkontroliiert und sehr gefährlich. Wenn sie US-Verhältnisse loben, bedeutet daß, dass jede demokratische Kontrolle aufhören soll und das Recht zu ihren Gunsten noch weiter verdreht werden muß.

    Widerwärtig!

    • @Mextil:

      Apropos US - Verhältnisse: Dort schaffen selbst die kleinsten Sheriff Departments mittlerweile Panzerwagen und Kriegswaffen an bzw. keine Polizeibehörde meint dort, ohne ein paramilitärisches SWAT auszukommen ( obwohl entsprechende Bundesbehörden in fast jedem Bundesstaat mindestens zwei solcher paramilitärischen Einheiten parat halten, also Amtshilfe leisten könnten). Selbst in US Medien, wie z. B. CBS oder CNN, wird das mittlerweile als überzogen kritisiert. In Hamburg will man wohl zu einer Bereitschaftspolizei zurück, die über Maschinengewehre und Handgranaten verfügt? Ich dachte, das hätten wir gerade erst überwunden?

  • T
    Thea

    Der Fisch stinkt vom Kopf her - bei aller Kritk an der Eskalationsstrategie der Hamburger Polizeiführung muss festgehalten werden, dass die Putinisierung der Hamburger "Sicherheitspolitik" vom SPD-Senat und seinem abgetauchten Bürgermeister Scholz verantwortet wird. Siehe dazu:

    http://rantanplan102.wordpress.com/2014/01/28/olaf-scholz-spd-ein-hamburger-burgermeister-als-hinterzimmergespenst/

  • DR
    demokracia real

    Die Monopolisierung der Gewalt bedeutet eben das Gegenteil ihres Verschwindens, da hilft auch ein demokratischer Anstrich nichts. Die Vorgänge in Hamburg zeigen, dass manche Grundrechte für einige gesellschaftliche Gruppen nur noch pro forma bestehen. Mittelfristig wird die Polizei auf diesem Weg zur Bedrohung für die Legitimationsgrundlage der gesellschaftlichen Ordnung, eben dann wenn der Anspruch auf Teilhabe allzu offensichtlich mit der realen Exklusion kollidiert.

  • G
    Gast

    Herr Pfeiffer: Wer jemals Demos in den großen Städten in den USA erlebt hat weiß, dass die Polizei in Deutschland dagegen freundlich ist. Auch auf Streife sind die Cops sehr viel schneller mit der Waffe dabei. Was zum Teil daran liegt, dass sie alleine auf Streife sind.

    In New York ist sehr viel aus dem "ZERO Tolerance" Konzept bis heute gültig.

    Wenn Pfeiffer von Moderatoren redet, merkt man davon nichts auf den Straßen und der versuch ist auch an vielen Punkten gescheitert. Der Großteil der Bevölkerung hält immer noch viel von der Harten Linie.

  • UZ
    um zu

    Das ist ein Gebaren wie in einem totalitären Staat. Schlimm, peinlich und folgerichtig, dass die SPD so etwas mit sich machen lässt.

  • Man hat nun über diese fehlbesetzten Herrschaften genug geschrieben, kommentiert und gelesen. Nun sollten wir anfangen daran zu arbeiten, diese Figuren bei der nächsten demokratischen Wahl loszuwerden. Danach sollten wir sie anklagen, aburteilen und ohne Pension in das Vergessen schicken. Sicher. Wird nicht einfach werden. Aber diese Figuren vergessen immer wieder: Wir sind viele! Also laßt uns endlich anfangen. Ich überlege zum Beispiel, ob ich eine Volkspetition starte, die in Hamburg eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle fordert? Das könnte der erste Schritt zu einem Volksentscheid werden. Was tun meine Mitbürger?

    • B
      Bakerboy
      @Rüdiger Bäcker:

      Ihr seid doch angeblich so viele, dann gewinnt die Wahlen und beschert uns eine bessere Polizei.

      Ich bin mit Herrn Neumann und der Polizei ganz zufrieden und werde entsprechend wählen. Ich möchte wetten, ein Großteil der Hamburger sieht es ähnlich.

      Demokratie funktioniert halt!

       

      Es ging bei der Veranstaltung übrigens um Gewalt gegen Polizisten.

      Warum sollte man sich dabei mit Kennzeichnungspflicht und Beschwerdestellen beschäftigen. Das ist Aufgabe der Politik.

      Auf einem Kongress in der Flora wird man sich auch nicht öffentlich mit linker Gewalt beschäftigen.

      Bevor man Kritik äußert, sollte man überlegen, von wem und für wen die Veranstaltung war.

      Alles andere, was möglicherweise auch berechtigt diskutiert werden darf, gehörte einfach nicht auf diese Veranstaltung.

      • @Bakerboy:

        Ich bin sehr dafür, dass Sie wählen. Und wir Anderen, also die Mehrheit, wählen die derzeitige Chaostruppe im Rathaus ab. Und danach wird es eine Polizeibeschwerdestelle mit Personalkompetenz geben, damit Beschwerden auch richtige Konsequenzen bis zu einer Entfernung aus dem öffentlichen Dienst für die unanständigen Polizisten haben. Das gefällt sicher auch den anständigen Polizisten. Wie gesagt: Wir sind Viele.

    • @Rüdiger Bäcker:

      Auch wenn's nur ein kleiner Schritt wäre - immerhin besser als nix!

       

      Aber: WIR sind viele? Wer ist das: WIR? Die meisten befürworten doch angeblich die harten Polizeieinsätze - zugegeben beeinflusst durch die unsägliche Medienpropaganda.

      Ich sehe hier so gut wie keine Chance, dass sich etwas grundlegendes ändert - die werden alle wieder die inzwischen stark nach rechts abgedriftete und kapitalismusfreundliche Verräterpartei (SPD) wählen!

      • @Rossignol:

        Die Zeiten ändern sich. Und so hat sich auch die schweigende Mehrheit, die nie von einem Marktforschungsinstitut für bestellte Umfragen angerufen wird, in ihrem Habitus verändert: Es gibt mehr Menschen, denen Leute wie der Innensenator Neumann stinken, als jene, die brav bei der SPD ein Kreuzchen machen werden. Diese Menschen muß man mobilisieren. Denn es sind viele. Einziges Problem: Noch wird dem Wähler in Hamburg keine Alternative geboten. Aber auch das liegt ja eigentlich nur an uns, oder? Ich starte jedenfalls erst mal mit meiner Volkspetition zur Einrichtung einer Polizeibeschwerdestelle.

  • Das ist ein Gebaren wie in einem totalitären Staat. Schlimm, peinlich und verantwortungslos, dass der SPD, so etwas mit sich machen lässt.

    • A
      Anthony
      @Hergen Hillen:

      Ich finde eher Ihre Aussage schlimm und peinlich!

      Von einem Gebaren wir in einem totalitären Staat zu sprechen ist in hohem Maße verantwortungslos!

      Man sollte bedenken, dass dies eine Veranstaltung der Gewerkschaft der Polizei und die Zuhörer zu großen Teilen Polizisten waren. Da wird man wohl nicht erwarten können, dass man die Vorgänge aufarbeitet, wie Sie es sich vielleicht wünschen würden. Dafür sind andere Stellen zuständig. Es ging dabei um Gewalt GEGEN Polizisten. Wenn in der Flora ein Kongress gegen Polizeigewalt statt findet, wird man wohl auch kaum von einer konstruktiven und ausgewogenen Auseinandersetzung mit dem Thema rechnen können.

      Herr Pfeiffer hat übrigens auch gesagt, dass es in manchen Städten ein schweres Problem durch Gewalt gegen Polizisten gibt und das der Staat hierfür eine Lösung finden muss. Das wird in diesem Artikel auch nicht erwähnt...

  • H
    hh

    Als wenn Angeklagte über sich selbst richten sollen