Auf Grund gelaufener Mega-Frachter: Eine Springflut soll es richten
Am Dienstag will das Havariekommando erneut versuchen, das Mega-Containerschiff „CSCL Indian Ocean“ freizubekommen.
HAMBURG taz | Das Havariekommando will sich eine Springflut zunutze machen, um das bei Hetlingen in der Elbe auf Grund liegende Mega-Containerschiff „Indian Ocean“ freizubekommen. Dafür gibt es am Dienstag zwei Gelegenheiten: Um 4.30 Uhr und 17 Uhr soll das Hochwasser um 30 bis 40 Zentimeter höher auflaufen als das normale Hochwasser. Die Bergungsfachleute hoffen, dass das reicht, um das Schiff aufschwimmen zu lassen.
Bei der CSCL Indian Ocean, die zu den größten Containerschiffen der Welt gehört, war am Mittwochabend nahe Stade die Ruderanlage ausgefallen. Zwei Versuche, den Schiffsriesen abzuschleppen, sind bereits gescheitert. Sollten die Springflut und das Abpumpen Tausender Tonnen von Ballastwasser und Treibstoff nicht reichen, müssten mindestens 1.000 der 12.000 Container von dem Schiff abgeladen werden.
Weil sich die Boxen 50 bis 60 Meter über der Wasseroberfläche befinden, ist das ein Problem. „An der gesamten deutschen Küste steht kein geeignetes Gerät zur Verfügung, um Containerschiffe wirkungsvoll zu leichtern“, sagt der Hamburger Logistikprofessor Ulrich Malchow. Er propagiert seit Jahren den Einsatz einer sogenannten Port Feeder Barge im Hafen.
Diese Schute mit Schwimmkran könnte selbsttätig Container von Riesenfrachtern zu kleineren Feederschiffen umladen und so hafeninterne Transporte mit LKWs überflüssig machen. Solche Bargen könnten in wenigen Stunden bei der Indian Ocean eintreffen und mit dem Umladen von Containern beginnen. „Für derartige Havariefälle könnte sie auch ideal als Bergungsgerät eingesetzt werden“, findet Malchow.
Die Havarie löste eine Debatte über die Elbvertiefung und über das Sicherheitskonzept auf der Elbe aus. „Ein solcher Unfall war schon länger zu befürchten“, sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) und versuchte sogleich, das Unglück für eigene Zwecke auszuschlachten. „Die Havarie zeigt einmal mehr, wie dringend wir eine Kooperation der norddeutschen Häfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven brauchen“, sagte Lies. Dass im nationalen Hafenkonzept, das die Bundesregierung am Donnerstag dem Bundestag vorgelegt hatte, von einer solchen Zusammenarbeit der norddeutschen Seehäfen kein Wort steht, erwähnte Lies nicht.
Die CSCL Indian Ocean ist das größte Containerschiff, das je in der Elbe gestrandet ist.
Das Schiff ist 400 Meter lang und fast 60 Meter breit. Es fasst 19.000 Standardcontainer und ist 150.000 bis 200.000 Tonnen schwer.
Um es flott zu bekommen, sind 4.000 Tonnen Ballastwasser und 2.000 Tonnen Schweröl abgepumpt werden. Zudem sollen noch 700 Tonnen Gasöl geleichtert werden.
Eine Springflut soll dabei helfen. Dabei stehen Sonne, Erde und Mond in einer Linie, was den Gezeiteneffekt verstärkt.
Für eine Hafenkooperation, bei der die Megafrachter im Tiefwasserhafen Wilhelmshaven abgefertigt würden, sprach sich auch das Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ aus den Umweltorganisationen BUND, Nabu und WWF aus. Megaschiffe seien anfälliger für Wind und Tideströmung. „Es ist fahrlässig, dass die politischen Entscheider dieses ökologische, nautische und finanzielle Risiko täglich in Kauf nehmen und herunterspielen“, teilte das Bündnis mit.
Norbert Hackbusch von der Linksfraktion in der Bürgerschaft befürchtet, nach einer eventuellen erneuten Elbvertiefung würden noch größere Schiffe nach Hamburg gelockt. „Bereits ein Schiff wie die CSCL Indian Ocean würde, wenn sie querab zur Elbe zum Liegen käme, den gesamten Schiffsbetrieb zum und vom Hafen zum Erliegen bringen“, warnt er.
Der Ältermann der Lotsenbrüderschaft Elbe, Ben Lodemann, hält das für extrem unwahrscheinlich. Würde ein Frachter schräg im Schlick stecken, sei er leicht frei zu schleppen. Die Indian Ocean aber liege mit gesamter Länge parallel zur Fahrrinne fest. Das erschwere die Bergung, behindere aber den Schiffsverkehr auf der Elbe nicht wesentlich. „An einer Baustelle fährt man etwas langsamer vorbei, aber das ist auch schon alles“, sagt Lodemann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja